Neuer Wirkstoff zwingt Krebszellen zum Selbstmord
Ein neuer und revolutionärer Wirkstoff tötet gezielt Krebszellen ab, ohne dabei gesunde Zellen in Mitleidenschaft zu ziehen. In ersten Tests an Menschen mit bösartige Lymphknotengeschwulsten zeigten die Patienten keinerlei Nebenwirkungen nach der Behandlung. Dies berichtet ein englisches Forscherteam in einer aktuellen Studie.
Forschende des Imperial College London schafften einen Durchbruch in der Krebsforschung. Was Wissenschaftler seit über dreißig Jahren erfolglos versuchten, gelang dem Londoner Team. Sie entwickelten und testeten erfolgreich ein Medikament gegen aggressiven Blutkrebs, das Krebszellen abtötet, aber gesunde Zellen verschont. Die Studienergebnisse sind kürzlich in dem Fachblatt „The British Journal of Haematology“ erschienen.
Ermutigende Ergebnisse
„Die Ergebnisse dieser Pilotstudie müssen zwar in einem so frühen Stadium mit Vorsicht interpretiert werden, sind aber sehr ermutigend“, fasst der Hauptautor Dr. Holger Auner zusammen. Das Medikament wurde bislang nur an drei Patienten getestet, die unter einem multiplen Myelom, auch Plasmozytom oder Morbus Kahler genannt, litten. Diese aggressive Form von Blutkrebs bricht häufig an mehreren Stellen gleichzeitig aus. Die Behandlung stellt sich mit bisherigen Methoden äußerst schwierig dar, erläutern die Imperial-Mediziner.
Klein aber vielversprechend
In der kleine klinischen Studie des englischen Forscherteams wurde das neue Medikament an drei Patienten getestet. Die Forschenden konnten den ersten klinischen Nachweis erbringen, dass der Wirkstoff gezielt Myelomzellen im Knochenmark abtötet, während das gesunde Gewebe der Patienten unberührt bleibt. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass dieses Medikament für einige Patienten mit dieser aggressiven Form von Krebs funktionieren könnte“, berichtet Forschungsleiter Professor Guido Franzoso in einer Pressemitteilung zu den Studienergebnissen.
Krebszellen ohne Nebenwirkungen abtöten
„Dies ist der erste klinische Beweis dafür, dass unser Wirkstoff spezifisch auf Krebszellen bei Patienten abzielt, während er keine Anzeichen von Toxizität zeigt“, so der Professor weiter. Ein Myelom trete typischerweise bei älteren Erwachsenen auf. Etwa 5.500 Fälle dieser Art gebe es jährlich in Großbritannien. Bei den meisten Patienten könne der Krebs nicht geheilt werden.
Bisherige Therapien oft erfolglos
„Wir können mit bisherigen Methoden die Krankheit in den meisten Fällen über mehrere Jahre unter Kontrolle halten, aber am Ende haben wir fast immer keine Behandlungsmöglichkeiten mehr”, sagt Dr. Holger Auner. Die Pharmaindustrie hat in den letzten 30 Jahren immer wieder versucht, ein Medikament gegen Blutkrebs zu entwickeln, hatte aber trotz enormen Investitionen wenig Erfolg. Häufig sind die Medikamente an schweren unerwünschten Nebenwirkungen gescheitert.
Die Krebszelle zum Selbstmord zwingen
Das Team um Professor Franzoso versuchte es mit einem neuen Ansatz. Die Wissenschaftler machten sich einen natürlichen Prozess zunutze, den man als Apoptose bezeichnet. Dies ist ein Selbstzerstörungsmechanismus innerhalb bestimmter Zellen. Solange allerdings ein Protein namens GADD45b und ein Enzym namens MKK7 verbunden sind, wird das Signal zum Selbstmord unterdrückt. Der neue Wirkstoff setzt genau an dieser Stelle an und blockiert bei den Krebszellen die Verbindung zwischen dem Protein und dem Enzym. Das Resultat: Die Krebszelle zerstört sich selbst.
Gesunde Zellen werden nicht in Mitleidenschaft gezogen
„Wir haben ein Medikament entwickelt, das diesen Signalmechanismus bei Krebserkrankungen blockieren kann, aber nicht bei normalen Zellen”, resümiert Professor Franzoso. Dies habe sich auch in Labortests bei Mäusen gezeigt. Im Gegensatz zu bestehenden Medikamenten habe es keine Toxizität und keine nachweisbaren Nebenwirkungen gegeben.
Bei zwei von drei Patienten angeschlagen
Bei den klinischen Tests an Menschen hat das Medikament bei zwei der drei Patienten Wirkung gezeigt. Nach der 28-tägigen Behandlung wurden bei zwei Patienten die Zellselbstmordmechanismen in den Krebszellen aktiviert und das voranschreiten der Erkrankung konnte gestoppt werden. Beim dritten Patienten zeigte das Medikament jedoch keine Wirkung. Die Forschenden vermuten einen genetisch bedingten Hintergrund für das Nichtwirken.
Wann wird das Medikament einsetzbar sein?
„Wir hoffen, in Zukunft größere Studien durchführen zu können, um festzustellen, ob das Medikament in der Klinik zum Nutzen von Patienten mit multiplem Myelom eingesetzt werden kann, aber eine wirksame neue medikamentöse Behandlung wird noch einige Jahre dauern“ so Professor Franzoso. (vb)
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