Hilfskräfte im Kampf gegen Ebola werden sozial ausgegrenzt und angefeindet
13.10.2014
Lange wurde das Ausmaß der Ebola-Epidemie in Westafrika dramatisch unterschätzt. Für die internationalen Hilfskräfte hat dies zur Folge, dass ihnen vielfach die Mittel fehlen, um effektiv gegen die Seuche vorzugehen. Zudem sind die Bedingungen vor Ort derart unzureichend, dass vermehrt Infektionen des medizinischen Personals festzustellen waren. Hinzu kommen Anfeindungen der Bevölkerungen, denn insbesondere in den ländlichen Regionen werden die medizinischen Hilfskräfte oftmals mit dem Ausbruch der Seuche in Verbindung gebracht. Auch einheimische Angestellte im Gesundheitswesen haben laut Bericht der Nachrichtenagentur „dpa“ zunehmend mit einer Stigmatisierung zu kämpfen. Manche seien sogar aus ihren Wohnhäusern vertrieben worden.
Die Zahl der Todesopfer durch die Ebola-Epidemie ist den offiziellen Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge bereits auf über 4.000 gestiegen, wobei vor allem die Staaten Guinea, Sierra Leone und Liberia betroffen sind. Allein in Liberia sind mehr als 2.300 Menschen an den Folgen einer Ebola-Infektion verstorben. Angesichts der schlechten medizinischen Infrastruktur gestaltet sich der Kampf gegen die Seuche vor Ort äußerst schwierig. Das Personal im Gesundheitswesen steht unter enormen Druck und ist bei seiner täglichen Arbeit zudem einem erheblichen Infektionsrisiko ausgesetzt. Nicht ohne Grund sind viele der Infizierten Ärzte, Krankenpfleger oder andere medizinische Hilfskräfte. Obwohl sie extrem wichtige Aufgaben übernehmen und die Risikobereitschaft ihnen kaum genug gedankt werden kann, ist das Ansehen des Gesundheitspersonals in der Bevölkerungen allerdings eher gering. Viele werden ausgegrenzt, da die Einheimischen sich vor einer Übertragung der tödlichen Erreger fürchten. Insbesondere in den ländlichen Regionen geben die Dorfbewohner den Hilfskräften zudem mitunter sogar die Schuld an dem Ausbruch der Epidemie.
Angehörige und Freunde meiden den Kontakt
Die Kombination aus Furcht, Unwissen und Aberglaube in der Bevölkerung hat in den vergangenen Wochen bereits mehrfach zu beängstigenden Situationen für die Hilfskräfte geführt. Zum Beispiel vertrieben wütende Menschenmengen Helfer aus ihren Wohnhäusern oder stürmten Quarantänestationen. Die Arbeitsbedingungen des medizinischen Personals werden hierdurch deutlich erschwert. Die Nachrichtenagentur „dpa“ berichtet von dem Fall des Jorgbor Guwor, der als Helfer die Schutzanzüge und medizinischen Ausrüstungsgegenstände in einer Ebola-Klinik in der Hauptstadt von Libera reinigt und desinfiziert, damit diese wieder verwendet werden können. Der 53-jährige Vater von fünf Kinder ist bei seiner Arbeit einem erheblichen Risiko ausgesetzt, doch ohne die Schutzanzüge und Gesichtsmasken wäre der Umgang mit den Infizierten für das übrige medizinische Personal ein zu hohes Risiko. So ist für Guwor seine Hilfe selbstverständlich, auch wenn Freunde und Angehörige zunehmend den Kontakt meiden, weil sie Angst vor einer Übertragung der Erreger haben. Allerdings sollte „die Öffentlichkeit uns nicht stigmatisieren. Denn wenn sich niemand freiwillig meldet, wer soll dann Ebola bekämpfen? Wer soll die Leute behandeln, die uns jetzt zurückstoßen, falls sie sich infizieren?“, zitiert die „dpa“ den Helfer.
Gesundheitspersonal aus Wohnungen verwiesen
Die Stigmatisierung der Hilfskräfte habe dazu geführt, dass viele Beschäftigte im Gesundheitswesen mittlerweile versuchen ihren Job zu verheimlichen und sich in der Öffentlichkeit nicht mehr zu erkennen geben, berichtet die Nachrichtenagentur weiter. Beispielweise würden Krankenschwestern wie Mabel Saybay aus Liberia ihre Uniformen nicht mehr in der Öffentlichkeit tragen, sondern sich erst im Krankenhaus umziehen. Aber die täglichen Ausgrenzungen und Anfeindungen in der Öffentlichkeit sind nur ein Teil der Stigmatisierung. Hinzu kommen drastischere Probleme am Wohnort. So werden Angestellte der Kliniken laut Medienberichten zum Beispiel aus ihren Mietwohnungen geworfen, weil die Hausbesitzer eine Ausbreitung der Seuche fürchten. Sam Kolleh, Besitzer eines Wohnhauses in der liberianischen Hauptstadt Monrovia erklärte laut Mitteilung der „dpa“, dass er keine Wohnungen an Gesundheitspersonal vermiete. „Nicht, weil ich ihre Arbeit nicht schätze. Aber ich will nicht, dass sich das Virus weiter ausbreitet“, zitiert die Nachrichtenagentur den Hausbesitzer. Dieser schlägt zudem die Einrichtung von Zeltlagern für die Hilfskräfte vor.
Hilfskräfte werden für die Epidemie verantwortlich gemacht
In der Presse wird der stellvertretende Informationsminister Liberias, Isaac Jackson, mit der Aussage zitiert, das ein Verweis der Helfer aus ihren Wohnungen „völlig inakzeptabel und unpatriotisch“ sei. Dies werde die Regierung nicht hinnehmen. Doch zeigen seine Worte bislang wenig Wirkung. So habe beispielsweise die Gemeindeführung in der Stadt Sinyea die Helfer kürzlich vor die Wahl gestellt, entweder den Job aufzugeben oder den Ort zu verlassen, berichtet die „dpa“. Auch in Lofa im nördlichen Liberia würden Ärzte und Begräbnisteams immer wieder bedroht und weggejagt. Nicht zuletzt weil sich, trotz der Bemühungen um eine Aufklärung der Bevölkerung, insbesondere in ländlichen Regionen das Gerücht halte, die Ebola-Epidemie werde durch das Gesundheitspersonal ausgelöst. Insgesamt sehen sich die Hilfskräfte somit nicht nur mit der medizinischen Katastrophe konfrontiert, sondern sie haben vielfach auch mit erheblichen Stigmatisierungen zu kämpfen, die ihre Arbeit zusätzlich erschweren. (fp)
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