OLG Frankfurt/Main kippt gerichtliche Auflagen zur Mediennutzung
Ab wann dürfen und sollten Kinder ein Smartphone besitzen? Ab wann schädigt die Nutzung eines Handys die Entwicklung des Kindes? Oder können die kompakten Minicomputer sogar kleine Kinder fördern? Wie das Magazin “t3n” berichtet, befasste sich das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem am Montag veröffentlichten Beschluss mit dieser Frage (Az.: 2 UF 41/18). Die Richter waren der Ansicht, dass ein eigenes Smartphone mitsamt Internetzugang keine “generelle Kindeswohlgefährdung” darstelle. Der richterliche Beschluss dürfte für einige Diskussionen sorgen.
Ein eigenes Smartphone mitsamt Internetzugang stellt für neunjährige Kinder noch keine generelle Kindeswohlgefährdung dar. Ein Familiengericht darf ohne konkrete Anhaltspunkte keine Auflagen zur Mediennutzung festlegen, nur weil den Kindern ein Smartphone zur Verfügung steht, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem am Montag, 9. Juli 2018, veröffentlichten Beschluss (Az.: 2 UF 41/18). Die Frankfurter Richter hoben damit Auflagen des Amtsgerichts Bad Hersfeld auf.
Im konkreten Fall stritten sich getrennt lebende Eltern über das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre mittlerweile neun Jahre alte Tochter.
Bei der familiengerichtlichen Anhörung – damals war das Kind noch acht Jahre alt – stellte sich heraus, dass es bereits über ein eigenes Smartphone verfügt und freien Zugang zum Internet hat.
Das Amtsgericht sprach der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu, stieß sich jedoch an der Mediennutzung des Kindes. Es gab der Mutter auf, „feste Regeln, insbesondere verbindliche Zeiten und Inhalte hinsichtlich der Nutzung von im Haushalt verfügbaren Medien (insbesondere TV, Computer, Spielekonsole, Tablet) für das Kind zu finden“, diese umzusetzen und dies dem Gericht mitzuteilen.
Außerdem dürfe dem Kind kein eigenes und frei zugängliches Smartphone zur Verfügung gestellt werden. Erst ab dem zwölften Geburtstag könne dem Kind dies erlaubt werden. Das Familiengericht ging davon aus, dass ein eigenes Smartphone bis zu diesem Geburtstag mit einer generellen Schädigung des Kindes einhergeht.
In seinem Beschluss vom 15. Juni 2018 kippte das OLG nun diese Auflagen. In die im Grundgesetz geschützte elterliche Personensorge dürfe nur von einem Gericht eingegriffen werden, „wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes oder sein Vermögen gefährdet wird“. Es sei aber nicht Aufgabe des Staates, „die objektiv beste Art der Sorgerechtsausübung … sicherzustellen“.
Hier griffen die Auflagen zur Mediennutzung und der Nutzung des Smartphones „unberechtigt in die grundrechtlich geschützten Elternrechte der Kindesmutter ein“. Medien- und Internetkonsum durch Kinder und Jugendliche berge zwar Gefahren, die Eltern nicht außer Acht lassen dürften.
So könnten jugendgefährdende Inhalte auf Youtube ebenso schädliche Wirkungen haben wie die Nutzung für die aktuelle Altersgruppe nicht freigegebene Spiele mit „verstörenden, schädigenden Inhalten“. Gleiches gelte für die Verwendung von WhatsApp, bei denen Kinder und Jugendliche als Sender und Empfänger „gewünschter oder unerwünschter Nachrichten betroffen sein“ könnten.
Doch nur weil den Kindern die Mediennutzung möglich ist, könne noch keine generelle Schädlichkeit angenommen werden, entschied das OLG. Um Auflagen rechtfertigen zu können, müssten vielmehr im konkreten Einzelfall Anhaltspunkte für die Gefahr einer Schädigung vorhanden sein. Dies sei hier aber nicht der Fall.
Bereits in der Vergangenheit hatte sich das Amtsgericht Bad Hersfeld sehr kritisch zur Smartphone- und Internet-Nutzung geäußert und in familiengerichtlichen Verfahren Eltern Auflagen zur WhatsApp-Nutzung ihrer Kinder gemacht. So verdonnerte das Gericht am 15. Mai 2017 eine alleinerziehende Mutter dazu, von allen Smartphone-Kontakten, die ihr elfjähriger Sohn in seinem Mobilfunkgerät gespeichert hat, schriftliche Einverständniserklärungen über die Datenweitergabe an WhatsApp einzuholen (Az.: F 120/17 EASO, JurAgentur-Meldung vom 27. Juni 2017).
Da WhatsApp sämtliche Kontaktdaten aus dem Smartphone auch ohne Erlaubnis, und damit datenschutzwidrig fortlaufend ausliest, drohten Abmahnungen der betroffenen Personen, so das Gericht. Damit werde das Kindeswohl gefährdet. Das Amtsgericht wies zudem darauf hin, dass das Smartphone auch mal weggelegt werden müsse. „Es bestehen keine vernünftigen Gründe, einem Kind ein Smartphone auch noch während der vorgesehenen Schlafenszeit zu überlassen.“
In einem Urteil vom 22. Juli 2016 hatte das Amtsgericht Eltern dazu verpflichtet, WhatsApp auf dem Smartphone ihrer Kinder sogar ganz zu löschen, um den Erhalt von über WhatsApp versandten Sex-Nachrichten von Erwachsenen zu verhindern (Az.: F 361/16 EASO; JurAgentur-Meldung vom 19. September 2016). sb, fle
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