Was für einen guten und engagierten Mediziner wichtig ist, wissen Prof. Wolfgang Bircks und Prof. Hans Georg Borst ganz genau: Empathie, Aufopferungsbereitschaft, naturwissenschaftliches Verständnis und der Wille, sich ein Leben lang medizinisch fortzubilden. 90 Jahre sind die Pioniere der Herzmedizin in diesem Jahr geworden. Fachjournale ihres Spezialgebietes, der Herzchirurgie, lesen Sie noch immer. Daneben aber sind sie Väter und Großväter, widmen sich der Literatur und ihren Familien, für die es während der medizinischen Laufbahnen nicht viel Zeit gab. Medizin ist Berufung; der Patient steht im Vordergrund. Bescheiden wirken beide im Gespräch; vor allem aber dankbar und frei von Eitelkeit für ihre herausragenden medizinischen Leistungen.
Geburtsjahre der Jubilare: 1927. Vor Entdeckung des Penicillins. Vor Aufschlüsselung der Doppelhelix des menschlichen Erbguts durch Watson und Crick. Vor der Implantation des ersten Herzschrittmachers und genau 40 Jahre vor der ersten Herztransplantation. Der Rheinländer Bircks und Münchener Borst wurden in eine Zeit der Umbrüche geboren, durch die Zeit des zweiten Weltkrieges geprägt, und teilten – seit ihrer Studienzeit an – die Begeisterung und Leidenschaft für die Medizin, im Weiteren für ihr Fachgebiet, die Herzchirurgie.
Prägend war für Bircks die Zeit als Krankenpfleger in den Jahren 1946 und 1947 „Es gab zu dieser Zeit erstmal keinen Studienplatz für mich. Viele, die aus dem Feld kamen, und zahlreiche Verwundete, habe ich dort gepflegt. Das waren einschneidende und wichtige Erfahrungen“, erinnert Bircks. Im Wintersemester 1947 begann der in Rommerskirchen bei Köln geborene Mediziner sein Studium in Bonn und im weiteren Verlauf in Freiburg, Hamburg und Düsseldorf. 22 Jahre lang war Bircks Ordinarius für Chirurgie/Herzchirurgie an der Universität Düsseldorf und Direktor der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie der dortigen Universitätsklinik. 1992 wurde er emeritiert, 1994 mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet.
Im Jahr 1997 verlieh ihm die damalige Universität/Gesamthochschule Essen die Ehrendoktorwürde. Unter seinem unermüdlichen Einsatz und seiner Leitung entwickelte sich die herzchirurgische Klinik in Düsseldorf zu einer der angesehensten herzchirurgischen Institutionen bundesweit. „Ich durfte von Ernst Derra lernen, war sein Mitarbeiter“, berichtet Bircks über den international anerkannten Herzchirurgen. „Viele Eingriffe, die wir damals vorgenommen haben, wurden erstmalig gemacht. Das waren keine besonderen Heldentaten. Wir hatten einfach niemanden, der uns das vormachte, also mussten wir autodidaktisch arbeiten“, so Bircks. Eine Reihe von neuen Operationsmethoden, die den heutigen Verfahren den Weg geebnet haben, wurden so entwickelt und eingeführt. Dazu zählen die erfolgreiche Langzeitperfusion mit einem Membran-Oxygenator bei Lungeninsuffizienz und die erste Implantation eines automatischen Defibrillators.
Herzmedizin erforderte Mut und Erfindungsreichtum. Daneben auch den Austausch. „Wir haben ja über Telefon und Fax kommuniziert“, berichtet Bircks. „National und international kannten wir Herzchirurgen uns oft persönlich und gut. Zur Besprechung neuer Methoden oder Techniken haben wir uns getroffen.“ So sind Bircks und Borst Weggefährten der Herzchirurgie. Sie verbindet eine kollegiale Freundschaft, getragen durch Wertschätzung vor der jeweiligen Lebensleistung.
Beide Mediziner gehören zu den Gründungsvätern der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V., der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaft, die die Interessen der heute rund tausend in Deutschland tätigen Herzchirurgen vertritt. „Die zunehmende Spezialisierung und Weiterentwicklung veranlasste uns, für dieses spezielle Fachgebiet eine Fachgesellschaft zu gründen, die sich Forschung, Lehre und Beratung auf die Fahnen schreibt“, erklärt Hans Georg Borst.
Borsts Leidenschaft für die Medizin wurde bereits von seinem Vater Max Borst, langjähriger Ordinarius für Pathologie der Ludwig-Maximilians-Universität München, vorgelebt. Für die damalige Zeit eröffneten sich dem jungen Medizinstudenten völlig neue und innovative Wege. „Ich bin mit einem goldenen Löffel im Mund geboren. Das weiß ich. Und ich habe dies genutzt und das Beste daraus gemacht“, reflektiert Borst. Von 1950 bis 1953 studierte er an der Harvard Medical School, wo er 1953 zum M.D. promoviert wurde. Anschließend arbeitete der junge Arzt von 1953/54 in der Chirurgie der Stanford Medical School und bis 1956 an der Harvard School for Public Health. „Sie müssen sich das vorstellen. Ich kam nach Deutschland zurück und konnte Englisch sprechen. Heutzutage eine Selbstverständlichkeit, aber damals etwas besonders“, berichtet Borst. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war Borst von 1958 bis 1968 leitender Oberarzt für Thoraxchirurgie der Universitätsklinik in München, ehe er 1968 zur neu gegründeten Medizinischen Hochschule Hannover wechselte und als Ordinarius für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie arbeitete.
Ebenso wie seine Düsseldorfer Kollegen leistete Borst bedeutende und bahnbrechende Beiträge in der Entwicklung von Herzklappen-, der Kinderherz- und Koronarchirurgie. An der ersten offenen Herzoperation 1958 in Marburg war Borst maßgeblich beteiligt und bediente u.a. die Herz-Lungenmaschine – ein entscheidender und revolutionärer Durchbruch für die gesamte Herzchirurgie. Unter seiner Leitung avancierte die chirurgische Abteilung in Hannover zu einem der führenden Forschungsinstitute sowohl für Transplantationsmedizin als auch für die Aortenchirurgie. Wie sein Kollege Bircks gilt auch Borst als international anerkannter und renommierter Herzchirurg, erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, darunter ebenfalls das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Beide Pioniere haben maßgeblich die Entwicklung der Herzchirurgie vorangetrieben und beeinflusst, so dass sie auf internationalem Terrain große Anerkennung für ihre Leistung finden. Darüber hinaus zeugen jeweils mehrere hundert Fachpublikationen von dem Forschungs- und Förderdrang dieser beiden Herz-Pioniere.
Wie sie sich selbst als Chefärzte sahen, sehen beide Herzspezialisten sehr reflektiert. „Ich bin Rheinländer“, meint Bircks. „Wir haben wechselnde Beweggründe. Ich sehe mich aus heutiger Sicht als verträglich bis vertretbar. In der Sache objektiv und für die Mitarbeiter da“. Ähnlich nimmt sich Borst wahr. Der Ton im OP kann rauer sein, nichts ist persönlich gemeint, der Patient steht im Vordergrund, und letztlich geht es ja um dessen Wohl.
Was man sich als Herzchirurg noch mit 90 Jahren wünscht, wissen beide Ärzte ganz genau: dass der Kopf auch noch so lange funktioniert, wie das Herz schlägt. Dankbarkeit begleitet heute ihren Alltag. Für das Erlebte und auch das Getane. Dankbar sind sicherlich auch Tausende von Patienten, die sicher auch noch heute von der hervorragenden herzchirurgischen Medizin dieser beiden Koryphäen profitieren.
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