Ursprung der Lepra könnte in Europa liegen
Hierzulande gilt Lepra seit langer Zeit als ausgerottet. In anderen Weltregionen stellt die Infektionskrankheit aber noch immer eine große Gefahr für die Menschen dar. Forscher haben nun Hinweise darauf gefunden, dass die Ursprünge der Krankheit in Europa liegen könnten.
Jährlich rund 200.000 Neuerkrankungen
Lepra war in Europa bis ins 16. Jahrhundert weit verbreitet, heute ist die Krankheit in Ländern mit entwickelter Gesundheitsversorgung aber nahezu ausgerottet. In manchen Weltregionen stellt sie allerdings nach wie vor eine große Gesundheitsgefahr dar. Weltweit werden jedes Jahr mehr als 200.000 Neuerkrankungen gemeldet. Noch immer werden neue Erkenntnisse über die Krankheit gewonnen. Erst kürzlich berichtete ein internationales Forscherteam über Untersuchungen, in denen sich zeigte, dass Lepra das Erbgut aller Europäer nachhaltig veränderte. Und nun haben Wissenschaftler aus Deutschland und der Schweiz Hinweise darauf gefunden, dass die Ursprünge der Krankheit in Europa liegen könnten.
Neue Hinweise auf Geschichte und Ursprung der Krankheit
Lepra ist eine der ältesten bekannten Krankheiten der Menschheitsgeschichte. Erkrankte waren und sind starker Stigmatisierung ausgesetzt.
Hauptverursacher der Krankheit ist das Bakterium Mycobacterium leprae.
Doch anders als bisher angenommen, waren im Mittelalter in Europa nicht nur zwei, sondern deutlich mehr Lepra-Bakterienstämme verbreitet, wie ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte sowie der Universitäten Tübingen und Zürich herausgefunden hat.
Den Wissenschaftlern geben diese Ergebnisse neue Hinweise auf Geschichte und Ursprung der Krankheit.
Ihre Studie wurde vor kurzem im Fachjournal „PLOS Pathogens“ veröffentlicht.
Mittelalterliche Genome rekonstruiert
Das bisher älteste sequenzierte Genom stammt von einem der ältesten bekannten Leprafälle in Großbritannien, aus Great Chesterford in England, und konnte auf den Zeitraum von 415 bis 545 n. Chr. datiert werden.
Das Forscherteam aus Deutschland und der Schweiz hat nun Proben von etwa 90 Individuen aus ganz Europa untersucht, die die für Lepra charakteristischen Knochenverformungen aufwiesen.
Aus diesen Proben, die aus der Zeit von ca. 400 bis 1400 n. Chr. stammten, wurden zehn mittelalterliche Genome rekonstruiert. Insgesamt umfassen die Genome alle bekannten Stämme der Lepra-Erreger, auch solche, die heute in Asien, Afrika oder Nord- und Südamerika auftreten.
„Teilweise haben wir sehr verschiedene Lepra-Stämme aus Knochenmaterial vom selben Friedhof isoliert“, berichtet die Erstautorin der Studie Professorin Verena Schünemann, die kürzlich von der Universität Tübingen an die Universität Zürich wechselte, in einer Mitteilung.
Dies demonstriere besonders gut die Vielfalt der Lepra-Stämme, die damals auf dem Kontinent kursierten.
Das bisher älteste Genom eines Lepra-Erregers
„Wir haben viel mehr genetische Diversität bei den Lepra-Erregern im alten Europa gefunden als erwartet“, fasst der Hauptautor der Studie Professor Johannes Krause, Direktor am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte und Forschungsgruppenleiter an der Universität Tübingen, die Ergebnisse zusammen.
„Alle bekannten Lepra-Stämme traten bereits im mittelalterlichen Europa auf, was nahelegt, dass Lepra schon in der Antike in Asien und Europa weit verbreitet gewesen sein muss und dass die Krankheit ihren Ursprung im westlichen Eurasien haben könnte.“
Das älteste rekonstruierte Genom von M. Leprae aus England gehört zum gleichen Lepra-Stamm, der in heute lebenden Eichhörnchen entdeckt wurde.
„Das stützt die Hypothese, dass Eichhörnchen und der Handel mit ihren Fellen Faktoren bei der Ausbreitung der Lepra unter Menschen des Mittelalters in Europa darstellten“, sagt Krause.
Auch heute noch sind die meisten roten Eichhörnchen auf den britischen Inseln mit Lepra-Erregern infiziert.
Lepra-Bakterien existieren womöglich schon viel länger als gedacht
„Die Dynamik der Übertragung der Lepra-Erreger in der Geschichte der Menschen ist nicht völlig geklärt. Auch ist noch unklar, woher genau die Lepra ursprünglich stammt“, so Schünemann.
„Wir haben schriftliche Zeugnisse von Leprafällen aus der vorchristlichen Zeit, aber uns fehlen bisher die Proben, um dies auf der molekularen Ebene zu bestätigen.“
Die neuen Studienergebnisse führen zu der Einschätzung, dass Lepra-Bakterien schon viel länger existieren als gedacht. Sie seien mindestens einige Tausend Jahre alt.
„Im nächsten Schritt wollen wir nach noch älteren Proben von durch Lepra deformierten Knochen suchen. Für die Identifizierung potenzieller Leprafälle stehen uns mittlerweile gut etablierte Methoden zur Verfügung“, erläutert Krause. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
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