Was sich anhört wie Sciencefiction, ist heute Realität. Wissenschaftlern ist es gelungen, künstliche Bakterien zu konzipieren, die künftig dabei helfen, Krebs oder auch Diabetes zu diagnostizieren. „Bactosensoren sind in der Lage die typischen Biomarker zu untersuchen, um Krebs zu erkennen“, schreiben die Forscher im “Science Translational Medicine”.
Bakterien spüren Biomarker von Erkrankungen auf
Ein französisches Forscherteam integrierte genetisch veränderte Escherichia-coli-Bakterien in ein technisches System, so dass sich Signale damit identifizieren lassen, die auch bei Diagnose-Geräten ablesbar sind. Dafür seien die Bakterien in Hydrogel-Kügelchen eingebettet worden, wie die Forscher um Alexis Courbet vom Verbund Sys2Diag der französischen Forschungsorganisation CNRS und des Unternehmens Alcediag berichten.
Sehr gut hätten die Bakterien unter anderem bei Diabetes-Patienten mit erhöhtem Glukose-Level in der Urinprobe funktioniert. So lösten sie eine Farbänderung der Probe aus, die auf ein rot fluoreszierendes Protein zurückzuführen war. Die Bactosensoren sind den Forschern zufolge dabei ähnlich zuverlässig wie herkömmliche Teststäbchen. Der Ansatz eigne sich möglicherweise auch zur Erkennung typischer Biomarker anderer Erkrankungen. Allerdings sei derzeit die Prozessdauer gegenüber anderen Diagnoseverfahren von Nachteil, da es 18 Stunden dauere, bis ein Signal messbar ist, schreiben Courbet und sein Team.
„Biosensoren sind ein großes Forschungsfeld, in das viel investiert wird”, berichtet Torsten Waldminghaus vom Zentrum für Synthetische Mikrobiologie der Universität Marburg. Die Ergebnisse des französischen Forscherteams könnten als Test für die Methode angesehen werden. „Wahnsinnig beeindruckend ist es noch nicht im Vergleich zu denen herkömmlicher Verfahren.” Waldminghaus zufolge bestehe ein entscheidender Vorteil der Biosensoren darin, dass sie sehr sensitiv seien. Dies sei schwer zu konstruieren, während die Herstellung der Bakterien sei einfach sei. „Sie vermehren sich ja selbst.” Das reduziere die Kosten und ermögliche großflächige Einsätze, wie etwa zum Aufspüren von Sprengstoff auf Minenfeldern.
Urinprobe reicht Bakterien zum Aufspüren von Krebs aus
US-amerikanische Forscher um Tal Danino vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge gelang die Herstellung künstlicher Bakterien zur Erkennung von Lebermetastasen anhand einer Urinprobe. Metastasen in der Leber, die auf Tumore in anderen Organen zurückzuführen sind, haben eine gute Prognose, sofern sie frühzeitig entdeckt werden. Leider werden sie in der Praxis häufig erst spät diagnostiziert, weil bildgebende Diagnoseverfahren die Erkennung von Metastasen oft erst im fortgeschrittenen Stadium ermöglichen.
Es gibt Maßnahmen, wie lokale Operation oder lokale Ablation, die Ärzte durchführen können, wenn die Ausbreitung der Erkrankung auf die Leber beschränkt ist. Weil die Leber in der Lage ist, sich zu regenerieren, sind diese Eingriffe tolerierbar. Neue Daten zeigen, dass diese Patienten eine höhere Überlebensrate haben, weshalb eine besondere Notwendigkeit zur möglichst frühen Diagnose von Metastasen in der Leber besteht”, erläutert Sangeeta Bhatia vom MIT. Sind die Metastase sehr groß, ist eine Operation unter Umständen nicht mehr möglich oder sinnvoll.
Probiotisches Bakterium kann Tumore identifizieren
Die MIT-Forscher griffen ebenfalls auf einen E. coli-Stamm als Ausgangsbakterium zurück. Sie entschieden sich für das Probiotikum E. coli Nissle 1917. Dieses wurde gentechnisch so verändert, dass es das Enzym Beta-Galactosidase produzierte, welches eine zugefügte Substanz zu licht-emittierenden Molekülen spaltete. Diese ließ sich in Urinproben leicht nachweisen. Zudem wussten die Forscher, dass sich einige Bakterienarten bevorzugt in Krebsgeschwüren vermehren, da diese ihnen Nahrung und Schutz vor dem Immunsystem bieten.
In Versuchen mit Mäusen, die künstlich veränderte E. coli-Bakterien mit ihrem Futter fraßen, zeigte sich, dass die Bakterien die Darmwand passierten und vorhandene Tumore in der Leber besiedelten. Andere Organe oder gesundes Lebergewebe blieb dagegen frei von den veränderten Probiotika. In den Lebermetastasen setzten die Bakterien dann das Enzym frei, das die injizierte Substanz spaltete. Wie vorgesehen entstand ein licht-emittierendes Molekül, das in der Urinprobe durch Rotfärbung nachgewiesen werden konnte.
Wie die Forscher berichten, hätten sich die Bakterien auch in weiteren Test auf Metastasen, die auf Tumore von Darm, Lunge, Eierstöcken oder Bauchspeicheldrüse zurückgingen, als sehr zuverlässig herausgestellt. Es seien keine ernsten Nebenwirkungen der E. coli-Infektion in dem Jahr nach dem Bakterieneinsatz bei den Mäusen beobachtet worden. (ag)
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