LSG Essen: Arbeitsunfall muss dienstliche Ursache haben
Essen (jur). Gehen Arbeitnehmer während einer Rufbereitschaft mit ihrem Hund Gassi, stehen sie nur unter engen Voraussetzungen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Danach muss der Unfall eine dienstliche Ursache haben, entschied das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in einem am 12. Juli 2016 veröffentlichten Urteil (Az.: L 15 U 547/14 ZVW). Im konkreten Fall lehnten die Essener Richter bei einer Altenpflegerin die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Das Gericht setzte damit ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) um.
Die im Rheinland bei der Johanniter Unfallhilfe beschäftigte Altenpflegerin erlitt im Januar 2010 während ihrer Rufbereitschaft einen Unfall, als sie mit ihrem Hund Gassi ging. Als sie beim Überqueren der Straße ein Dienstgespräch mit ihrem Notfallhandy annahm, übersah sie die mit Schnee bedeckte Bordsteinkante und stürzte. Sie brach sich dabei einen Fußknöchel.
Die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall und damit eine Unfallentschädigung ab. Die Unfallgefahr sei vorrangig durch den privaten winterlichen Spaziergang entstanden. Das Telefonat sei demgegenüber nur eine Nebentätigkeit gewesen. Die Frau entgegnete, dass es vielmehr darauf ankomme, ob sie auch ohne den Anruf gestürzt wäre. Im ersten Durchgang gab das LSG der Altenpflegerin noch recht, ließ aber die Revision zum BSG zu.
Die Kasseler Richter betonten am 26. Juni 2014 (Az.: B 2 U 4/13 R; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag), dass die Frau arbeitsvertraglich verpflichtet gewesen war, das Telefongespräch anzunehmen. Es habe hier eine sogenannte gemischte Tätigkeit vorgelegen. Zu der privaten Tätigkeit – das Gassigehen – kam die dienstliche Tätigkeit – das Telefonieren – hinzu. Bei einer solchen gemischten Tätigkeit bestehe auch grundsätzlich Unfallschutz, allerdings nur dann, wenn die dienstliche Tätigkeit Ursache des Unfalls war. Dies gelte für jeden Arbeitsunfall, auch in der Rufbereitschaft.
Nach diesen rechtlichen Vorgaben sollte das LSG Essen den Streit nochmals neu prüfen. Im zweiten Durchgang lehnte es nun die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Entscheidend sei die Frage, ob sich durch das versicherte Handeln – im konkreten Fall das Dienstgespräch – ein Risiko verwirklicht habe, bei dem der Versicherungsschutz greifen muss. Hier seien der Sturz und der dadurch verursachte Gesundheitsschaden aber nicht „infolge“ der versicherten Tätigkeit eingetreten. Das Telefonieren sei nicht die Wirkursache des Sturzes gewesen, sondern vielmehr das Spazierengehen mit dem Hund.
Es gebe keine Hinweise, dass die Altenpflegerin wegen des Anrufs abgelenkt gewesen sei und deshalb die schneebedeckte Bordsteinkante übersehen hat. „Dass das Telefonat auf andere Weise die Fortbewegung der Klägerin beeinflusst und am Eintritt des Sturzes objektiv mitgewirkt hat, lässt sich ebenfalls nicht feststellen“, so das LSG in seinem rechtskräftigen Urteil vom 29. März 2016.
Schließlich gebe es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Altenpflegerin wegen der Entgegennahme des dienstlichen Anrufs besonders schnell die Straße überqueren wollte. Eine dienstliche Ursache für den Sturz sei daher nicht gegeben, so dass die Anerkennung als Arbeitsunfall abzulehnen sei. fle/mwo
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