Arzneiverordnungsreport deckt auf: Kassen könnten Milliarden sparen
25.09.2014
Laut des aktuellen Arzneiverordnungsreports geben die gesetzlichen Krankenkassen jährlich fünf Milliarden Euro zu viel für Medikamente aus. Der seit 30 Jahren existierende Report wird seit 1985 von den Autoren Dieter Paffrath und Ulrich Schwabe herausgegeben. Die Experten erfassen darin die jährlichen Arzneimittelkosten der gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland.
Arzneiverordnungsreports beinhaltet unter anderem Verordnungsempfehlungen für Ärzte
Mehr als 25 Autoren sind am Arzneiverordnungsreports beteiligt, der mehrere Tausend verschiedene Arzneimittel kategorisiert, die in pharmakologische Kapitel und Wirkstoffgruppen eingeteilt werden. Es werden neu eingeführte Medikamente beschrieben, sowie deren therapeutischer Nutzen und Verordnungsempfehlungen für Ärzte gegeben. Ziel des Arzneimittelreports ist es, die Markt- und Kostentransparenz im Arzneimittelbereich zu verbessern.
Für aufsehen sorgte 1997 eine Klage von 19 Pharmakonzernen gegen den damals aktuellen Arzneiverordnungsreport. In diesem mussten nach Stattgabe der Klage diverse Passagen geschwärzt werden. „Wir hatten uns damals vorgenommen, dass wir Umfang uns Struktur der kassenärztlichen Arznei-Verordnungen analysieren und damit einen Beitrag zur Transparenz des Arzneimittelmarktes leisten wollen“, erklärte Schwabe gegenüber der Tagesschau.
5 Milliarden Euro können eingespart werden
1985 lag die Ursache der unnötige Ausgaben vor allem bei Ärzten, die Medikamente ohne gesicherten Nutzen verschrieben haben. Durch die jährlichen Reports ist dieses Problem deutlich reduziert worden. Dennoch sieht Schwabe noch Potenzial zum Einsparen: „Jeder, der mal im Ausland Arzneimittel eingekauft hat, der weiß, dass im Ausland die meisten patentgeschützten Mittel billiger sind als in Deutschland.“ Trotz der Preisbremse für Medikamente durch das AMNOG-Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz könnten seiner Meinung nach noch immer rund fünfeinhalb Milliarden Euro für Arzneimittel eingespart werden.
Krankenkassen beklagen neuen Höchststand bei Medikamentenausgaben
Die Krankenkassen mahnen bereits an, dass die Ausgaben für Pillen, Tropfen und Pasten bereits wieder angestiegen sind. „Wir erreichen im Jahr 2013 32,1 Milliarden – das ist eine Steigerung um 3,2 Prozent – entsprechend etwa einer Zunahme von einer Milliarde Euro", erläutert Jürgen Klauber vom wissenschaftlichen Institut der AOK gegenüber der Tagesschau. Klauber rechnet mit einer deutlichen Steigerung. „Im ersten Halbjahr 2014 erleben wir eine Zunahme um 9,1 Prozent bei den Ausgaben – rund anderthalb Milliarden auf ein Niveau von 17,5 Milliarden Euro.“ Die Erhöhung sei auf den Herstellerabschlag zurückzuführen, der für das vergangene Jahr galt und ausgelaufen ist.
Lücke im AMNOG
Ein weiterer Grund für den Kostenanstieg ist eine Lücke im AMNOG, den sich die Pharmaindustrie zunutze macht. Die Hersteller können im ersten Jahr nach der Zulassung eines neuen Präparats den Preis frei bestimmen. Das geht zulasten der Krankenkassen die dafür aufkommen müssen.
Erst im zweiten Jahr wird der Preis dafür neu verhandelt. Für Aufsehen sorgte deshalb das Hepatitis-C-Medikament Sovaldi. „Es werden hier für eine 24-Wochen-Therapie 113.000 Euro aufgerufen. Wir bekommen im Hepatitis-C-Bereich weitere neue Präparate, die gerade auf den Markt kommen. Dort werden für 24-Wochen-Therapien 205.000 Euro aufgerufen. Es werden Schwellen überschritten, die wir bisher nicht kannten", kritisiert Uwe Deh vom AOK-Bundesverband im Gespräch mit der Tagesschau. Die Politik sei hier gefordert. „Ich gehe mal davon aus, dass sich das andere Hersteller sehr genau angucken. Und wer die Branche kennt weiß, dass es relativ schnell Nachahmer auf den Plan rufen wird." Mit dieser Ansicht steht Uwe Deh nicht alleine da.
Der Onkologe Wolf-Dieter Ludwig von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
bemerkte bei Krebs-Medikamenten eine deutliche Kostensteigerung. „Ich freue mich sehr darüber, dass Kollegen weltweit – besonders in den USA – inzwischen ihre Stimme erheben gegen die Preisentwicklung in der Onkologie", so der Onkologe gegenüber der Tagesschau. Oftmals sind Medikamente überteuert, obwohl deren Wirksamkeit noch nicht ausreichend bewiesen wurde. (bn)
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