Herzerkrankungen durch Eisenmangel?
Viele im mittleren Lebensalter auftretende Fälle von koronarer Herzkrankheit scheinen mit einem Mangel an Eisen in Verbindung zu stehen. Nicht nur der absolute Eisenmangel sondern auch der sogenannte funktionelle Eisenmangel spielt dabei laut einer aktuellen Studie ein maßgebliche Rolle. Eine Vorbeugung von Eisenmangel könnte demnach das Risiko einer koronaren Herzkrankheit möglicherweise deutlich verringern.
In einer aktuellen Studie unter Beteiligung von Forschenden des Helmholtz Zentrum München und des Universitären Herz- und Gefäßzentrum UKE Hamburg sollte untersucht werden, ob es einen Zusammenhang zwischen Eisenmangel und Behandlungsergebnissen bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt. Die Ergebnisse können in dem englischsprachigen Fachblatt der European Society of Cardiology (ESC) „ESC Heart Failure“ nachgelesen werden.
Verursacht Eisenmangel Herzkrankheiten?
„Bei dieser Studie handelt es sich um eine Beobachtungsstudie, und wir können nicht zu dem Schluss kommen, dass Eisenmangel Herzkrankheiten verursacht”, erläutert Studienautor Dr. Benedikt Schrage in einer Pressemitteilung der European Society of Cardiology. Allerdings würden sich die Hinweise darauf mehren, dass es einen Zusammenhang gibt.
Frühere Untersuchungen hätten bereits gezeigt, dass Eisenmangel bei Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen (beispielsweise Herzinsuffizienz) mit schlechteren Ergebnissen, einschließlich Krankenhausaufenthalten und Tod, verbunden war, so die Forschenden.
Vorteile einer Behandlung mit intravenösem Eisen
Die Behandlung mit intravenösem Eisen verbesserte die Symptome, die Funktionsfähigkeit und die Lebensqualität von Menschen mit Herzinsuffizienz und Eisenmangel, welche an der FAIR-HF-Studie teilnahmen. Auf Grundlage dieser Ergebnisse untersucht die FAIR-HF-2-Studie die Auswirkungen einer intravenösen Eisensupplementierung auf das Sterberisiko bei Menschen mit Herzinsuffizienz. Die Fachleute analysierten dabei, ob der Zusammenhang zwischen Eisenmangel und den Behandlungsergebnissen auch in der Allgemeinbevölkerung zu beobachten ist.
Vorliegende kardiovaskuläre Risikofaktoren ermittelt
Die aktuelle Untersuchung umfasste insgesamt 12.164 Menschen mit einem durchschnittlichen Alter von 59 Jahren und 55 Prozent der Teilnehmenden waren Frauen. Bei einer Erstuntersuchung wurden kardiovaskuläre Risikofaktoren und Begleiterkrankungen wie Rauchen, Fettleibigkeit, Diabetes und hohe Cholesterinwerte durch eine gründliche klinische Untersuchung einschließlich Blutproben ermittelt, so das Team.
Die Teilnehmenden wurden dann anhand von zwei Definitionen als eisenarm oder nicht eisenarm eingestuft. Dabei lautete die eine Definition absoluter Eisenmangel, bei dem nur das gespeicherte Eisen (Ferritin) berücksichtigt wird. Die zweite Definition war der funktionelle Eisenmangel, bei dem das gespeicherte Eisen (Ferritin) und das für die Verwendung durch den Körper zirkulierende Eisen (Transferrin) berücksichtigt werden, erläutern die Fachleute.
„Der absolute Eisenmangel ist die herkömmliche Methode zur Beurteilung des Eisenstatus, aber dabei wird das zirkulierende Eisen nicht berücksichtigt. Die funktionelle Definition ist genauer, da sie beide Messgrößen einbezieht und diejenigen erfasst, die zwar über ausreichende Vorräte verfügen, aber nicht genug Eisen im Blutkreislauf haben, damit der Körper richtig arbeiten kann“, erklärt Dr. Schrage.
Die Teilnehmenden wurden danach hinsichtlich des Auftretens von koronarer Herzkrankheit und Schlaganfall, Tod aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Tod aller Ursachen medizinisch überwacht.
Welche Menschen wurden von Studie ausgeschlossen?
Das Team analysierte den Zusammenhang zwischen Eisenmangel und dem Auftreten von koronarer Herzkrankheit, Schlaganfall, kardiovaskulärer Sterblichkeit und Gesamtsterblichkeit nach Bereinigung um Alter, Geschlecht, Rauchen, Cholesterin, Blutdruck, Diabetes, Body-Mass-Index und Entzündungen. Wenn bei den Teilnehmenden bereits zu Beginn der Studie eine koronare Herzkrankheit oder ein Schlaganfall vorlag, wurden diese von der Analyse der Vorerkrankungen ausgeschlossen.
Zu Beginn der Studie wiesen 60 Prozent der Teilnehmenden einen absoluten Eisenmangel auf und 64 Prozent hatten einen funktionellen Eisenmangel. Während einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 13,3 Jahren gab es 2.212 (18,2 Prozent) Todesfälle. Davon verstarben insgesamt 573 Personen (4,7 Prozent) an einer kardiovaskulären Ursache. Eine koronare Herzkrankheit und ein Schlaganfall wurden bei 1.033 (8,5 Prozent) bzw. 766 (6,3 Prozent) Teilnehmenden diagnostiziert.
Erhöhtes Risiko durch funktionellen Eisenmangel
Ein funktioneller Eisenmangel war laut den Forschenden mit einem um 24 Prozent höheren Risiko für eine koronare Herzkrankheit, einem um 26 Prozent erhöhten Risiko für eine kardiovaskuläre Mortalität und einem um zwölf Prozent erhöhten Risiko der Gesamtmortalität verbunden, verglichen mit Personen ohne funktionellen Eisenmangel.
Kein Zusammenhang zwischen Eisenstatus und Schlaganfällen
Absoluter Eisenmangel war im Vergleich zu keinem absoluten Eisenmangel mit einem um 20 Prozent erhöhten Risiko für eine koronare Herzkrankheit verbunden, stand aber nicht mit der Sterblichkeit in Zusammenhang. Es gab keinen Zusammenhang zwischen dem Eisenstatus und dem Auftreten von Schlaganfällen, berichtet das Team.
5,4 Prozent aller Todesfälle durch funktionellen Eisenmangel
Die Fachleute berechneten schließlich, dass innerhalb von zehn Jahren geschätzte 5,4 Prozent aller Todesfälle, 11,7 Prozent der kardiovaskulären Todesfälle und 10,7 Prozent der Neudiagnosen koronarer Herzkrankheiten mit funktionellem Eisenmangel in Zusammenhang standen.
„Diese Analyse deutet darauf hin, dass etwa fünf Prozent der Todesfälle, zwölf Prozent der kardiovaskulären Todesfälle und elf Prozent der Neudiagnosen koronarer Herzkrankheiten in den folgenden zehn Jahren nicht aufgetreten wären, wenn es zu Beginn der Studie keinen Eisenmangel gegeben hätte”, so Dr. Schrage.
Eisenmangel im mittleren Alter ist weit verbreitet
Die Forschungsarbeit zeige, dass Eisenmangel bei der untersuchten Bevölkerungsgruppe mittleren Alters weit verbreitet war, wobei fast zwei Drittel einen funktionellen Eisenmangel aufwiesen. Von Eisenmangel betroffene Personen hatten ein höheres Risiko, eine Herzerkrankung zu entwickeln und in den nächsten 13 Jahren zu versterben, berichtet der Mediziner weiter. In Zukunft sollen weitere Untersuchungen die festgestellten Zusammenhänge in jüngeren und nicht-europäischen Kohorten untersuchen. (as)
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Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Benedikt Schrage, Nicole Rübsamen, Francisco M. Ojeda, Barbara Thorand, Annette Peters, et al.: Association of iron deficiency with incident cardiovascular diseases and mortality in the general population; in: ESC Heart Failure (veröffentlicht 05.10.2021), ESC Heart Failure
- European Society of Cardiology: Iron deficiency in middle age is linked with higher risk of developing heart disease (veröffentlicht 06.10.2021), ESC
Wichtiger Hinweis:
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