Gewichtsprobleme bei Kindern: Eltern reagieren zu spät
07.05.2012
Die Zahl der übergewichtigen Kinder ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Doch vielen Eltern fehlt offenbar das Bewusstsein für die Gewichtsprobleme ihrer Kinder. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Untersuchung des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums (IFB) Adipositas Erkrankungen, des Kinderärztenetzwerks CrescNet sowie der Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Leipzig.
Im Rahmen des Kooperationsprojektes hatten die Forscher um Dr. Susann Blüher von der Universität Leipzig die Einstellung von Eltern gegenüber Adipositas-Präventionsprogrammen untersucht und dabei festgestellt, dass vielen Eltern die Gewichtsprobleme ihrer Zöglinge erst bewusst werden, wenn diese bereits unter Adipositas leiden. Oft erkennen die Eltern die Problematik deutlich zu spät, so dass präventive Maßnahmen hier keine Hilfe bieten können, berichteten die Wissenschaftler Anfang April in dem Fachmagazin „PLoS One“.
Mein Kind ist doch nicht zu dick!
Generell gilt laut Aussage der Forscher der Universität Leipzig: Je eher gegen aufkommende Gewichtsprobleme angegangen wird, desto höher die Erfolgschancen. Auch sei es deutlich leichter dem Aufbau von Übergewicht entgegenzuwirken, als bei bereits bestehenden Gewichtsproblemen die überschüssigen Pfunde wieder loszuwerden, erläuterten die Experten. Vielen Eltern scheinen diese Aspekte jedoch nicht bewusst oder sie werden mutwillig ignoriert, frei nach dem Motto: „Mein Kind ist doch nicht zu dick!“ Bei der Auswertung der Beweggründe, die Eltern dazu veranlassen, ihr Kind in einen Präventionskurs gegen Übergewicht zu schicken beziehungsweise dies zu unterlassen, stellten die Wissenschaftler um Dr. Susann Blüher fest, dass viele Eltern erst deutlich zu spät reagieren. Eigentlich richten sich die Präventionsprogramme vor allem an Familien, deren Kinder übergewichtig jedoch noch nicht fettleibig sind. Durch eine Kombination aus Ernährungs- und Bewegungstherapie soll hier eine weitere Gewichtszunahme und die damit verbundene drohende Entwicklung von Adipositas unterbunden werden, erläuterten Blüher und Kollegen.
Kindliches Übergewicht häufig nicht als Problem erkannt
Im Rahmen des Kooperationsprojektes der Poliklinik für Kinder und Jugendliche, des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums (IFB) Adipositas Erkrankungen und des Kinderärztenetzwerks CrescNet am Universitätsklinikum Leipzig befragten die Forscher insgesamt 433 Familien mit 241 übergewichtigen Kindern im Alter zwischen vier und siebzehn Jahren, die an einem Präventionsprogramm gegen Übergewicht teilnahmen, und 192 Kindern, die nicht in einem entsprechenden Präventionsprogramm untergebracht waren. Dabei zeigte sich, dass die Eltern, deren Kinder „nur“ übergewichtig waren, sich deutlich häufiger gegen eine Teilnahme an dem Präventionsprogramm entschieden, als Eltern deren Kinder bereits adipös waren, so die Mitteilung des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB) Adipositas Erkrankungen. Offenbar wird kindliches Übergewicht häufig noch nicht als Problem erkannt.
Teilnahme an Präventionsprogrammen oft zu spät
Die Umfrage habe eindeutig belegt, dass Präventionsprogramme gegen Übergewicht oftmals erst viel zu spät wahrgenommen werden, berichten die Wissenschaftler. Die Studienleiterin Dr. Susann Blüher betonte, dass „Familien, deren Kinder nur übergewichtig sind, offenbar weniger Problembewusstsein haben als Eltern von bereits adipösen Kindern.“ Tendenziell werden die Eltern erst aktiv, wenn ihr Nachwuchs bereits adipös ist. Nicht selten seien Sätze wie „Mein Kind ist doch nicht dick“ oder „Das ist doch nur Babyspeck“ von den Eltern mit übergewichtigen oder gar fettleibigen Kindern zu hören. Neben der mangelnden Einsicht für die Gewichtsprobleme der Heranwachsenden spielten bei der Ablehnung des Präventionsprogramms auch die vermeintlich hohen Kosten einer Ernährungsumstellung und der Zeitmangel in der Argumentation der Eltern häufiger eine Rollen. Viele der Eltern mit übergewichtigen Kindern betonten zudem, dass ihr Nachwuchs sich bereits gesund ernähre und daher eine Teilnahme an dem Präventionsprogramm überflüssig sei.
Bewusstsein für die negativen Folgen des Übergewichts schaffen
Besonders problematisch ist die mangelnde Einsicht der Eltern laut Aussage von Dr. Susann Blüher, da das Programm eigentlich als Adipositas-Präventionsprojekt gedacht ist, welches vor allem Familien mit übergewichtigen Kindern ansprechen soll, um einer weiteren Gewichtszunahme und somit der Entwicklung von Adipositas vorzubeugen. Den aktuellen Studienergebnissen zufolge dürfte dies jedoch nur schwerlich gelingen. Daher müssen nach Ansicht von Dr. Blüher Präventionsprogramme entwickelt werden, „die die Betroffenen auch wirklich erreichen.“ In den Familien müsse „erst ein Bewusstsein für die negativen Folgen von Übergewicht geschaffen werden“, so die Leiterin des Kooperationsprojektes weiter. Nach Ansicht von Dr. Blüher sind derartige Programme heute wichtiger denn je, da rund 80 Prozent der übergewichtigen Kinder auch als Erwachsene dick bleiben. Außerdem treten aufgrund des Übergewichts Erkrankungen wie Diabetes oder Herz-Kreislaufbeschwerden immer häufiger schon bei Kindern und Jugendlichen, erläuterte die Expertin. (fp)
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