Millionenbetrug mit HIV-Medikamenten empört Politiker und Fachleute
25.02.2011
Wie berichtet hat haben die Staatsanwaltschaften Trier, Lübeck und Flensburg wegen des Verdachtes eines Millionenbetruges mit HIV-Medikamenten die Ermittlungen gegen mehrere Pharmagroßhändler aufgenommen. Angesichts des vermeintlichen Millionenbetruges mit subventionierten Arzneimitteln ist die Empörung auch in der Politik kaum zu bremsen. Schließlich war es nur in schwierigen Verhandlungen mit den Pharmaherstellern gelungen, dem Ziel der internationalen Staatengemeinschaft gerecht zu werden und eine Abgabe dringend erforderlicher Medikamente zu bezahlbaren Preisen in den Entwicklungsländern sicherzustellen. Nun haben sich einige Pharmagroßhändler dies offenbar zu Nutze gemacht und die subventionierten HIV-Medikamente von Südafrika aus wieder nach Deutschland eingeführt, umverpackt und mit hohen Millionengewinnen verkauft.
Schaden in Millionenhöhe durch Betrug mit HIV-Medikamente
Nach Schätzungen der AOK-Niedersachsen ist allein in ihrem Zuständigkeitsbereich durch den Betrug mit subventionierten HIV-Medikamenten ein Schaden in zweistelliger Millionenhöhe entstanden. Die Pharmagroßhändler sollen nach Angaben der Staatsanwaltschaft, subventionierte HIV-Präparate in Südafrika angekauft und als lose Tabletten – in Kisten und Säcken ohne Verpackung oder Beipackzettel – illegal über die Schweiz und Belgien nach Deutschland importiert und hier mit neuer Verpackung zu normalen Preisen weiter verkauft haben. Ein Millionengewinnen für die Betrüger, ein Schlag ins Gesicht für alle Bedürftigen in Südafrika und für die Pharmahersteller, die sich von Anfang an nur widerwillig zur subventionierten Abgabe der Präparate überreden ließen. Neben den Staatsanwaltschaften Trier, Flensburg und Lübeck ist auch das Bundeskriminalamt (BKA) in die Ermittlungen eingeschaltet. Bei einer Verurteilung drohen den Beschuldigten bis zu 10 Jahre Haft wegen Betruges.
Finanzieller und gesundheitlicher Schaden durch HIV-Medikamente-Betrug
Neben den Experten wie Professor Dr. Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik – Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung – der Universität Bremen kritisierten auch Vertreter der Politik den vermeintlichen Betrug massiv. Denn der Schaden beschränkt sich nicht nur auf die Millionenbeträge, die in den Taschen der Pharmagroßhändler verschwunden sind, sondern den bedürftigen Patienten in Südafrika fehlen die dringend benötigten HIV-Medikamente. „Hier bereichern sich nicht nur Großhändler mit krimineller Energie, sondern hier werden auch Menschen geschädigt, denen diese Medikamente vorenthalten werden,“ betonte Prof. Dr. Gerd Glaeske im Gespräch mit "NDR info". Auch der SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach zeigte sich angesichts der Dreistigkeit der mutmaßlichen Betrüger schockiert. „Das ist schon ein besonders gravierender Fall. Die Medikamente fehlen in den Ländern der Dritten Welt, es sind Subventionen bezahlt worden. Hier werden Menschen Medikamente gestohlen, sie werden dann mit Gewinn (…) ungesetzlich weiterverkauft und die Subvention wird auch noch mitgenommen“, empörte sich Lauterbach.
Kriminelle Organisation im Hintergrund des Millionenbetruges?
Dabei können die Staatsanwaltschaften bisher nicht sagen, ob die Pharmagroßhändler als Einzeltäter gehandelt haben oder ob zwischen den verschiedenen beschuldigten Pharmagroßhändlern möglicherweise Verbindungen bestehen. Im Zweifelsfall könne sogar eine kriminelle Organisation hinter dem jetzigen Millionenbetrug mit HIV-Medikamenten stecken, erklärte der Lübecker Oberstaatsanwalt, Günter Möller. „Es kann sein, dass es ein Spinnennetz gibt und wir nur am Rand sitzen“, so die Formulierung des Oberstaatsanwaltes. Entdeckt wurde der Betrug bereits Mitte 2009 als ein Kunde in einer Delmenhorster Apotheke einen leeren Blister (Sichtverpackung) erstanden hatte und sich daraufhin beschwerte. Die anschließende Untersuchung durch den Münchener Hersteller GlaxoSmithKline ergab, dass sowohl die Verpackung, als auch der Blister und Beipackzettel gefälscht waren. GlaxoSmithKline hatte daher sicherheitshalber die betreffende Charge des HIV-Medikamentes zurückgerufen. So ging auch der Hersteller Boehringer-Ingelheim vor und nahm 2009 und 2010 bei einem ähnlichen Fall mehrere Chargen seines HIV-Medikaments aus dem Handel.
Pharmagroßhändler bestreiten Betrug mit HIV-Medikamenten
Wie sich das Verfahren um den Vorwurf des Millionenbetruges mit HIV-Medikamenten weiter entwickeln wird, ist bislang kaum absehbar. Gegen die Pharmagroßhändler wird weiterhin wegen des Verdachtes auf Betrug, Markenverletzung und Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz ermittelt. Zur Zeit weisen die Beschuldigten wie ein ehemaliger Sylter Pharmahändler jedoch sämtliche Betrugsvorwürfe von sich. Der verdächtigte Unternehmer aus Sylt betonte am Freitag gegenüber der „Deutschen Presse-Agentur“, seine Firma („EWS Trading“) habe nicht gefälscht, sondern ordnungsgemäß gehandelt. Außerdem sei er nicht mehr als Pharmagroßhändler tätig und „EWS Trading“ habe die entsprechenden Lizenzen bereits zurückgegeben. (fp)
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Bild: segovax / pixelio.de
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