Erste umfassende Kartierung von Blutstammzellen gelungen
Durchschnittlich sechs Liter Blut fließen durch den menschlichen Körper. Trotz intensiver Forschung war bislang nicht im Detail bekannt, wie die lebenswichtige Flüssigkeit entsteht. Einem deutsch-amerikanischen Forschungsteam ist hierzu nun ein Durchbruch gelungen. Sie entdeckten nach eigenen Angaben das „Rezept des Lebens“.
Eine Arbeitsgruppe des Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Instituts in Reutlingen, der Universität Tübingen und der University of California in Los Angeles konnte erstmals umfassend kartieren, wie Blutstammzellen entstehen. Die Erkenntnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Nature“ präsentiert.
Eine Revolution in der Hämatologie
Die Forschenden konnten jeden Schritt bei der Entwicklung von Blutstammzellen im menschlichen Embryo dokumentieren. „Durch diesen Fahrplan könnte die Hämatologie revolutioniert werden“, unterstreicht Professorin Dr. Katja Schenke-Layland von der Universität Tübingen
Mangel an gespendeten Blutstammzellen
Unter anderem könnten die Ergebnisse dazu beitragen, die Behandlungsmöglichkeiten für Leukämie und erbliche Blutkrankheiten zu verbessern oder den Mangel an geeigneten Spenderinnen und Spendern bei Transplantationen auszugleichen.
Züchtung von Blutstammzellen war bisher nicht möglich
Seit Jahrzehnten versuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Blutstammzellen mit Hilfe von pluripotenten Stammzellen zu erzeugen. Stammzellen von diesem Typ können jeden Zelltyp des menschlichen Körpers hervorbringen. Der große Durchbruch auf diesem Gebiet blieb jedoch aus.
Stattdessen verwenden Ärztinnen und Ärzte Blutstammzellen aus dem Knochenmark oder aus der Nabelschnur von Neugeborenen für lebensrettende Transplantationsbehandlungen. Die Verfügbarkeit solcher Therapien wird jedoch durch den Mangel an passenden Spenderinnen und Spendern begrenzt.
Über die Entstehung von Blutstammzellen war wenig bekannt
Forschenden ist es bisher nur gelungen, kurzlebige Blutvorläuferzellen zu züchten. „Niemand hat es bislang geschafft funktionelle Blutstammzellen aus menschlichen pluripotenten Stammzellen herzustellen, da wir einfach nicht genug über die Zelle wussten“, betont Studienleiterin Professorin Dr. Hanna Mikkola von der University of California.
Erste Bauanleitung für Blutstammzellen
Diese Wissenslücke konnte die Arbeitsgruppe nun schließen. Mithilfe modernster Technik konnte das Team die Entstehung von Blutstammzellen im Detail kartieren. Gleichzeitig liefern die Erkenntnisse eine Art Bauanleitung für die Herstellung solcher Zellen.
Die Reise der Blutstammzelle
Der Studie zufolge beginnt die Entwicklungsreise der unreifen Blutstammzellen im sogenannten hämogenen Endothel – der Blutgefäßwand. Vergleichbar mit einem Lehrling auf Wanderschaft reist die Stammzelle zu mehreren Orten im Körper und bildet sich dort weiter.
Vom Endothel reist sie über die Aorta bis in das Knochenmark. Wie die Forschenden herausgefunden haben, durchläuft die Blutstammzelle in der Leber einen besonderen Meilenstein in der Ausbildung. Hier erlangt sie die Fähigkeit zur Zellteilung.
Das Forschungsteam konnte viele fehlende Puzzleteile zum Verständnis der Entstehung von Blutstammzellen liefern. Unter anderem war bislang völlig unbekannt, wo der Entstehungsort der Stammzellen liegt.
„Rezept“ für Blutstammzellen aus dem Labor
Fügt man alle Teile richtig zusammen, entsteht laut der Arbeitsgruppe ein „Rezept für die Herstellung transplantierbarer Blutstammzellen im Labor“. Die Kartierung könne zudem dazu beitragen, die Entstehung bestimmter Krankheitsbilder wie beispielsweise Blutkrebs besser zu verstehen. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Calvanese et al.: Mapping human haematopoietic stem cells from haemogenic endothelium to birth; in: NATURE (2022), nature.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.