Tag der Epilepsie soll über Erkrankung aufklären
05.10.2012
Am 5. Oktober findet der Tag der Epilepsie mit zahlreichen Informationsveranstaltungen statt. Themenschwerpunkt ist in diesen Jahr „Epilepsien im frühen Kindesalter”, denn diese werden häufig erst spät erkannt. Obwohl Epilepsie genauso häufig wie Gelenkrheuma auftritt, wissen nur wenige, wie es zu den teilweise bizarren Krampfanfällen kommt und was in einer solchen Situation zu tun ist.
Rund ein Prozent der Bevölkerung leidet an Epilepsie
Thomas Porschen, Vorsitzender des Landesverbands für Epilepsie-Selbsthilfe Nordrhein-Westfalen, litt selbst etwa 15 Jahre an den wiederkehrenden Krampfanfällen. Er berichtet von einem Kribbeln, dass vom Magen bis zur linken Wade reicht. „Und dann setzt sich eine Angstspirale in Gang, denn man weiß genau: der nächste Anfall steht kurz bevor.“ Porschen weiß, dass Menschen, die zum ersten mal einen epileptischen Anfall beobachten, häufig völlig überfordert und verängstigt sind „Die wussten einfach nicht, was sie tun sollten“, berichtet er gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“ über Fremde, die bei seinen Anfällen plötzlich um ihn herumstanden und sich ängstigten. Er habe aber eigentlich jemanden gebraucht, „der mit ruhiger Stimme fragt: Geht es dir gut, ist alles in Ordnung?“.
Auch Inge Wertheim berichtet von schockierten Menschen, denen sie ins Gesicht blickte, nachdem sie bei einem Anfall kurze Zeit bewusst war. „Das versteht einfach niemand, der es nicht selbst schon einmal erlebt hat.“ Die 67-Jährige schämt sich für ihre Krampfanfälle, „weil ich dann die Kontrolle verliere und mich sogar schon dabei nassgemacht habe. Das ist ist einfach peinlich.“ Doch Inge Wertheim gibt nicht auf. Inzwischen hat sie gemeinsam mit ihrer Neurologin Medikamente gefunden, die die Anfälle verhindern. Seit über 14 Monaten ist sie beschwerdefrei. „Jetzt traue ich mich endlich, eine Reise ins Ausland zu unternehmen. Früher hatte ich Angst davor, bei einem Krampfanfall in ein Krankenhaus zu kommen, in dem mich niemand aufgrund der fremden Sprache versteht“, berichtet die Rentnerin.
Viele glauben immer noch, dass Epilepsie eine geistige Behinderung ist oder die Intelligenz einschränkt. Dabei beruht Epilepsie auf einer Funktionsstörung des Gehirns. „Das kann etwa eine genetische Störung, ein Tumor, eine Schädelhirnverletzung durch einen Unfall oder ein Schlaganfall sein, und im Rahmen dessen kann es zu Anfällen kommen“, erklärt Thomas Mayer, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie gegenüber der „dpa“.„Epilepsie ist nicht als isolierte Erkrankung zu verstehen, sondern als Miterkrankung“.
„Viele Patienten sind in leistungsreichen Positionen tätig“, ergänzt Professor Christian Elger von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie in Berlin. „Wenn die Ursache der epileptischen Anfälle aber die Gesamtleistungsfähigkeit des Gehirns einschränkt, kann es neben den Anfällen auch zu einer intellektuellen Beeinträchtigung kommen.“
Epilepsie zeigt sich in unterschiedlichen Anfallsformen
Mediziner sprechen erst dann von einer Epilepsie, wenn mehrere Krampfanfälle innerhalb eines gewissen Zeitraumes aufgetreten sind. „Aber bereits nach einem ersten Anfall würde man mit einer Therapie anfangen, wenn man ein hohes Risiko einer beginnenden Epilepsie feststellt“, berichtet Mayer. Ein Krampfanfall ist wie ein Gewitter der Nervenzellen im Gehirn, die sich unkontrolliert entladen. „Das kann in einem kleinen Areal beginnen und sich über das ganze Gehirn ausbreiten“, sagt der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie. Es gibt Krampfanfälle, die nur Sekunden andauern, in denen der Betroffene abwesend wirkt. Andere Epilepsie-Patienten haben Wahrnehmungsstörungen während des Anfalls und zeigen merkwürdige Verhaltensweisen wie das plötzliche Hervorbringen eigenartiger Laute. Die Krampfanfälle können aber auch wesentlich stärker auftreten und minutenlang andauern. „Da werden die Patienten ganz steif und entwickeln enorme Kräfte, sie zucken rhythmisch, werden bewusstlos und stürzen zu Boden, wobei sie sich teilweise Knochenbrüche zuziehen können“, berichtet Elger gegenüber der „dpa“. „Das dauert aber maximal nur eineinhalb Minuten. Bis sich die Betroffenen reorganisiert haben, vergeht manchmal eine halbe Stunde oder mehr.“ Vergehen fünf Minuten oder länger, in denen der Betroffene krampft, rät Mayer dazu, unbedingt den Notarzt zu rufen, da es sich dann um eine möglicherweise lebensbedrohliche Anfallsserie handeln könne.
Epilepsie ist meistens gut mit Medikamenten zu behandeln
Wie der Landesverband für Epilepsie-Selbsthilfe Nordrhein-Westfalen informiert, ist das Risiko für Epilepsie in den ersten Lebensjahren und ab dem 60. Lebensjahr besonders hoch. Betroffene leiden nicht zwangsläufig ein Leben lang unter der Erkrankung. Häufig betrifft sie nur eine Lebensphase.
Zur Diagnose von Epilepsie wird die Krankengeschichte erhoben sowie mittels Elektroenzephalogramm (EEG) eine Messung der Hirnströme durchgeführt. Hinzu kommen häufig bildgebende Untersuchungen. In der Regel erhalten Epilepsie-Patienten krampfunterdrückenden Medikamenten, sogenannte Antikonvulsiva, die die Erkrankung zwar nicht heilen, aber die Krampfanfälle verhindern können. „Bei etwa zwei Drittel aller Patienten führen sie erwiesenermaßen zur Anfallsfreiheit“, berichtet Elger. Die Ursache bleibe jedoch bestehen, so dass es „nach einer möglichen Absetzung der Medikamente mit hoher Wahrscheinlichkeit zu neuen Anfällen, oftmals mit Verzögerungen von bis zu einem Jahr und mehr“ komme. In seltenen besonders schweren Fällen werden auch chirurgische Eingriffe durchgeführt.
Betroffene empfinden besonders die Unvorhersehbarkeit der Anfälle als besonders einschränkend für ihr Leben. Ein sogenannter Epilepsie-Notfallausweis, den die Patienten immer bei sich tragen, hilft vielen dabei, ihre Ängste etwas zu lindern. „Wenn ihn Menschen mit schwerer Epilepsie bei sich tragen, fühlen sie sich sicherer und trauen sich wieder auf die Straße“, berichtet Porschen.
Epilepsie-Patienten werden häufig auch mit den Sorgen und gutgemeinten Ratschlägen von Angehörigen und Bekannten konfrontiert, obwohl sich die meisten wünschen, ganz normal behandelt zu werden. „Dafür müssen sie ihrem Umfeld deutlich machen: Schränkt mich bitte nicht ein, ich weiß ganz genau selbst, wo meine Grenzen liegen“, erklärt Porschen. (ag)
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