Erbgut-Mutation bei Autismus durch Spermien verursacht
05.04.2012
Laut jüngster Studienergebnisse sind die genetischen Ursachen für Autismus weitaus vielschichtiger als bisher angenommen. Es gibt zahlreiche unterschiedliche Formen von Autismus, deren Ursachen nur zum Teil bekannt sind. Wissenschaftler fanden heraus, dass häufig Spermien des Vaters maßgeblich an der Autismus-Mutation beteiligt sind.
Autismus tritt in unterschiedlichen Formen auf
Autismus ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die als unheilbar gilt. Durch die Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsstörung des Gehirns sind Autisten je nach Schweregrad und Ausprägung nicht oder nur teilweise in der Lage, sozial zu agieren. Das wird besonders im Kontakt mit ihren Mitmenschen deutlich, da sie Einschränkungen im Bereich nonverbaler Kommunikation haben sowie nicht oder nur in geringem Maße über die Fähigkeit verfügen, zwanglose Beziehungen aufzubauen. Darüber hinaus fallen Betroffene häufig durch stereotype Verhaltensweisen auf. Kinder, die bereits im frühen Alter an Autismus leiden, entwickeln häufig keine Lautsprache oder fallen durch Verzögerungen in der Sprachentwicklung auf.
Wissenschaftler fanden jüngst heraus, dass die Ursache für Autismus deutlich komplexer sind als bisher gedacht. Statt weniger Gene, die die Entwicklungsstörung auslösen, wirken viele kleine Veränderungen des Erbguts eines Kindes im Zusammenspiel.
Besonders interessant ist dabei, dass die meisten Mutationen nicht über Generationen weitergegeben werden, sondern sich erst in den Spermien und Eizellen der Eltern oder im Genom des Kindes entwickeln. Im Fachmagazin „Nature" wurden zu diesem Thema gleich drei Studien veröffentlicht. Die Wissenschaftler berichten, dass Autismus deshalb als „Regenschirm-Störung“ zu beschreiben sei. Es gebe nicht nur einen Autismus auf molekularer Ebene sondern zahlreiche unterschiedliche Formen, deren Ursachen stark voneinander abweichen. „Wie viele genetisch bedingte Krankheiten beruht auch der Autismus auf der Aktivität vieler Gene", erläutert Mark Daly vom Broad Institute des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, der Leiter einer der Studien war. Beim Vergleich der Studienergebnisse lassen sich nur drei Mutationen identifizieren, die für sich genommen Auslöser der Entwicklungsstörung sein könnten. Die Forscher fanden diese Gene jedoch nur bei weniger als einem Prozent der autistischen Kinder.
Viele kleine Erbgutveränderungen führen im Zusammenspiel zu Autismus
Während der Untersuchungen konnten die Wissenschaftler mehr als 200 neue Punktmutationen identifizieren. Diese könnten aber für sich genommen keine derartig starken Entwicklungsstörungen auslösen, berichten sie. 49 der mutierten Gene seien jedoch über ein Netzwerk aus Proteinen, das sie produzieren, miteinander verflochten. Dieses Netzwerk ist zum einen an der Bildung von Gehirnzellen und ihren Verknüpfungen beteiligt, zum anderen besteht seine Aufgabe in der Regulation der Verpackung und Form des Erbgutmoleküls DNA. Die Forscher fanden heraus, dass bei autistischen Kindern häufig Gene aus diesem Netzwerk gestört seien. Ein gemeinsamer Mechanismus lasse sich aber bisher nicht ableiten. „Bisher haben wir erst die Oberfläche angekratzt", berichtet Daly.
Die Untersuchungen ergaben zudem, dass das väterliche Erbgut eine wesentliche Rolle spielt. Bei den mehr als 200 untersuchten autistischen Kindern konnte festgestellt werden, dass sie drei Viertel der Mutationen über die Spermien der Väter bekommen hatten. Dabei ist das Alter des Vaters entscheidend, denn je älter der Vater, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass er ein Kind mit Autismus zeuge, so die Forscher.
Im Rahmen der drei Studien untersuchten die Forscher Familien, in denen zum ersten Mal ein Kind an der Entwicklungsstörung litt. Diese Form von Autismus wird als sporadisch bezeichnet und ist die häufigste Form der Entwicklungsstörung. Sowohl bei den gesunden Eltern und Geschwistern als auch beim autistischen Kind wurde ein Teil des Erbguts analysiert, der die Baupläne für Proteine beinhaltet. Bei der Auswertung der entschlüsselten DNA-Sequenzen der Familienmitglieder wurde deutlich, an welchen Stellen das Erbgut der autistischen Kinder gestört war.
Zahl der Autisten nimmt zu
Da die Ursache von Autismus noch weitgehend unbekannt ist, gibt es bisher auch kein Medikament mit dieser Indikation. Begleiterscheinungen der Entwicklungsstörungen, zu denen Angstzustände, Depressionen und Aggressivität gehören, können unter anderem mit Antidepressiva oder atypischen Neuroleptika behandelt werden. Weitere Maßnahmen, wie Ergotherapie, Verhaltenstherapie, Training zur Entwicklung der sozialen Kompetenz und Logopädie, können darüber hinaus helfen.
Bereits im Jahr 2010 wies das „Center for Disease Control“ (CDC) darauf hin, dass die Zahl der Autisten deutlich zunimmt. Zwischen 2002 und 2006 soll es zu einem Anstieg von 57 Prozent gekommen sein. Einige Experten sehen einen Zusammenhang zwischen Umweltgiften oder Impfstoffzusätzen und der Krankheit, jedoch gibt es bisher keinen fundierten wissenschaftlichen Beweis für diese Annahme. (ag)
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Bild: Martin Gapa / pixelio.de
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