Stammzellen zur Heilung einer erblichen Stoffwechselerkrankung
13.10.2011
Britischen Forscher haben aus Hautzellen von Patienten mit einer Stoffwechselerkrankung sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) hergestellt und diese anschließend erfolgreich in gesunde Leberzellen umgewandelt. Die gesunden Zellen testeten die Forscher anschließend im Tierversuch an Mäusen, um die Erbkrankheit „Alpha-1-Antitrypsin-Mangel“ zu heilen.
Damit ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zum medizinischen Einsatz der iPS-Zellen getan, auch wenn das Verfahren bisher lediglich an Mäusen getestet wurde, schreiben Allan Bradley und Kollegen vom Sanger Institute in Hinxton, UK in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature“. Genetische Veränderungen, die in früheren Versuchen dazu geführt hatten, dass aus den Stammzellen Krebszellen entstanden, seien im Rahmen der aktuellen Versuche nicht aufgetreten, so die britischen Wissenschaftler weiter. Da die iPS-Zellen ethisch und moralisch weit weniger umstritten sind als sogenannte embryonale Stammzellen, setzt die Forschung große Hoffnung auf den medizinischen Einsatz der künstlich hergestellten induzierten pluripotenten Stammzellen.
Lebererkrankung mit induzierten pluripotenten Stammzellen geheilt
Die Wissenschaftler des Sanger Institute, das sich als gemeinnütziges Genomforschungszentrum in Hinxton neun Meilen südlich von Cambridge auf die Erarbeitung der „genetischen Grundlagen von Gesundheit und Krankheit konzentriert“, haben einen deutlichen Erfolg bei der Entwicklung induzierter pluripotenter Stammzellen erzielt. Nachdem bereits im Juli Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und des Max-Planck-Instituts für molekulare Biomedizin in Münster über den erfolgreichen Einsatz der iPS-Zellen zur Behandlung einer Lebererkrankung bei Mäusen berichteten, konnten die britischen Forscher diese Ergebnisse nun bestätigen. Allan Bradley und Kollegen stellten aus Hautzellen von Patienten mit einer Stoffwechselerkrankung iPS-Zellen her, behoben mit Hilfe zweier bekannter Verfahren die genetischen Fehler, die für das Auftreten der Erbkrankheit verantwortlich waren und implantierten die Zellen anschließend bei Mäusen, die unter der gleichen Stoffwechselerkrankung litten. Auf diese Weise sei es gelungen die Erbkrankheit „Alpha-1-Antitrypsin-Mangel“ bei den Mäusen zu heilen, berichten Allan Bradley und sein Team.
Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
„Alpha-1-Antitrypsin-Mangel“ ist eine Erbkrankheit, die als sogenannte monogenetische Erkrankung zu schweren Beeinträchtigungen des Stoffwechsels führt. Verursacht wird die Krankheit durch die Mutation eines einzigen Gens, wobei der Ausbruch der Erkrankung Veränderungen in beiden Kopien des betreffenden Gens in den Chromosomen eines Patienten voraussetzt. Wie Allan Bradley und Kollegen berichten, erkrankt etwa einer von 2.000 Menschen nordeuropäischer Abstammung an „Alpha-1-Antitrypsin-Mangel“. Die Folgen der erblichen Stoffwechselerkrankung können bis hin zu Leberzirrhosen reichen, wodurch schlimmstenfalls eine Lebertransplantation erforderlich wird, so die Aussage der britischen Forscher. Um die Gendefekte in den aus Hautzellen von drei Patienten mit der Stoffwechselerkrankung gewonnenen iPS-Zellen zu beheben, nutzen Bradley und sein Team ein sogenanntes springendes Gen (Transposon) und spezielle Enzyme, die Zinkfingernukleasen. Anschließend setzten die Forscher die menschlichen Zellen in das Lebergewebe von Mäusen mit der gleichen Stoffwechselerkrankung ein. Dort übernahmen die iPS-Zellen die Funktion der defekten Leberzellen und halfen so, die Mäuse von ihrer Erbkrankheit zu befreien, schreiben die britischen Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“. Offenbar integrierten sich die menschlichen Zellen dabei relativ reibungslos in das Lebergewebe der Mäuse. Im Gegensatz zu früheren Untersuchungen haben sich bei dem aktuellen Eingriff aus den iPS-Zellen keine Tumorzellen gebildet, betonten die Forscher und ergänzten, dass die Methode daher in Zukunft bei der Behandlung monogenetischer Erkrankungen zum Einsatz kommen könnte. Es bedarf jedoch weiterer Untersuchungen, um die im Rahmen der Studie aufgetretenen Mutationen im Erbgut der iPS-Zellen genauer zu analysieren, auch wenn sich hieraus keine Tumorzellen entwickelt haben, erklärten Bradley und Kollegen.
Kritik an der Stammzellenforschung
Die induzierten Pluripotente Stammzellen werden als möglicher Ersatz für die äußerst umstrittenen embryonalen Stammzellen seit Jahren erforscht, wobei die Rückprogrammierung von Stammzellen aus anderen Zellen als ethisch unbedenkliche Alternative zu den embryonale Stammzellen gehandelt wird. Die moralischen und ethischen Bedenken haben den embryonalen Stammzellen einen äußerst schlechten Ruf beschwert und waren häufig Anlass zur Kritik. Denn zur Herstellung der Zellen müssen frühe menschliche Embryonen zerstört werden. Dabei hat nicht zuletzt die von Befürwortern der embryonalen Stammzellen ins Gespräch gebrachte Züchtung von Embryonen im Labor (Klonen) zur Gewinnung der Stammzellen, in der Öffentlichkeit massive Proteste ausgelöst. In Deutschland dreht sich der Streit zwischen Gegnern und Befürworter der embryonalen Stammzellenforschung auch darum, ab wann ein Embryo nach Art. 1 des Grundgesetzes als menschliches Leben zu schützen ist. Vergleichbare ethische Diskussionen sind bei den iPS-Zellen eher von untergeordneter Bedeutung, doch ist im Verlauf dieses Jahres eine Kontroverse über mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die pluripotenten Stammzellen (embryonale und induzierte) entbrannt. US-Wissenschaftler der University of California, der San Diego School of Medicine und des Scripps Research Institute haben schwere genetische Veränderungen in pluripotenten Stammzelllinien nachgewiesen, die schlimmstenfalls zur Bildung von Tumoren führen können. (fp)
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