Erdnussallergie: Erste orale Immuntherapie in Europa zugelassen
Laut Fachleuten leiden in den industrialisierten Ländern etwa ein bis zwei Prozent aller Kinder an einer Erdnussallergie. Während die meisten Nahrungsmittel erst ab einer bestimmten Menge allergische Reaktionen auslösen, können bei der Erdnuss bereits Mikrogramm-Mengen ausreichen, um lebensbedrohliche Symptome hervorzurufen, erklärt der Deutsche Allergie- und Asthmabund e.V. (DAAB). Eine neue Immuntherapie gibt nun Anlass zur Hoffnung.
Wie das Universitätsklinikum Münster (UKM) in einer aktuellen Mitteilung schreibt, gehört die Erdnuss zu den häufigsten Allergenen bei Kindern und Jugendlichen. Anders als bei Allergien gegen Kuhmilch oder Hühnerei verschwindet diese Allergie nicht, die meisten Betroffenen haben sie ihr Leben lang. Bis vor kurzem war das Meiden von Nahrungsmitteln mit Erdnüssen die einzige Möglichkeit, einer allergischen, in schweren Fällen lebensbedrohlichen Reaktion vorzubeugen. Jetzt ist die erste orale Immuntherapie in Europa zugelassen und seit kurzem auch in der UKM Hautklinik verfügbar.
Schon kleine Menge kann starke Reaktionen auslösen
In der Adventszeit wird traditionell viel gebacken. Aber schon ein Biss in einen Zimtstern oder einen Lebkuchen kann für manche Menschen unangenehme Folgen haben. Kribbeln im Mund, Anschwellen der Schleimhäute, Magenbeschwerden, Rötung oder Juckreiz an der Haut sind noch eher harmlosere Beschwerden, die bei einer Erdnussallergie auftreten können.
„Häufig versteckt sich das Allergen hinter dem Hinweis ‚kann Spuren von Nüssen enthalten‘. Doch bereits eine kleine Menge an Erdnüssen kann starke Reaktionen bis hin zum lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock auslösen“, erklärt Prof. Randolf Brehler, Leiter des Bereichs Allergologie, Berufsdermatologie und Umweltmedizin an der Hautklinik des UKM. „Vor allem Kinder und Jugendliche, die sich primär gegen Erdnüsse sensibilisieren, können schwere allergische Reaktionen bekommen.“
Eine strikte Diät, extreme Vorsicht und ein Notfallset mit Adrenalin zur Selbstinjektion waren bisher die einzige Hilfe für Betroffene. Gerade für die meisten Eltern eine oftmals belastende Situation, kommen Kinder doch außerhalb der eigenen Wände an vielen Stellen nahezu unausweichlich mit Keksen oder Schokolade in Kontakt.
Toleranz gegenüber Erdnüssen bei Betroffenen erhöhen
Abhilfe kann nun erstmalig eine neue Behandlungsoption für Erdnussallergikerinnen und -allergiker schaffen, die auch an der UKM Hautklinik zur Verfügung steht: Eine spezifische orale Immuntherapie soll die Toleranz gegenüber Erdnüssen bei Betroffenen erhöhen.
Den Angaben zufolge enthält das Medikament entfettetes Erdnussproteinpulver und wird Kindern und Jugendlichen im Alter von vier bis 17 Jahren mit diagnostizierter Erdnussallergie verabreicht. Bei Erwachsenen hingegen wurde bislang noch keine ausreichende Wirkung belegt.
„Das Prinzip der Behandlung ist eine Desensibilisierung“, so Brehler. „Der Körper muss sich daran gewöhnen, auf das Allergen nicht zu reagieren, indem es dem Körper nach und nach zugeführt wird.“ Die Behandlung erfolgt anfangs in der Klinik, wird die Dosis toleriert, kann die Patientin oder der Patient das Erdnussprotein selbständig zu Hause zu sich nehmen. Danach wird die Dosis dann alle zwei Wochen unter ärztlicher Aufsicht erhöht.
„Das ist eine sehr aufwendige Behandlung. Sie bedarf einer langfristigen Steigerung der Erdnussallergenmenge und es dauert ungefähr ein halbes Jahr, bis die Erhaltungsdosis erreicht ist“, erläutert Brehler.
Diät darf nicht aufgegeben werden
Studien zufolge verträgt die Hälfte der behandelten Kinder am Ende die Höchstdosis von 1.000 mg Erdnussprotein, was ungefähr vier Erdnusskernen entspricht. „Diese Therapie bringt allerdings keinen Freifahrtschein für Erdnussbutter und Erdnussflips. Man darf die Diät nicht aufgeben“, sagt Brehler.
Es werde keine komplette Unempfindlichkeit für das Allergen erreicht, sondern die Erdnussmenge, die vertragen wird, wird erhöht. „Vor allem Lebensmittel, die Spuren von Erdnüssen enthalten, können wieder toleriert werden und so können die unbeabsichtigten Erdnussallergiereaktionen, die teils lebensbedrohlich sein können, milder und weniger gefährlich sein“, erklärt Brehler. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsklinikum Münster: Neue Immuntherapie: Hoffnung für Kinder und Jugendliche mit Erdnussallergie, (Abruf: 04.12.2021), Universitätsklinikum Münster
- Deutscher Allergie- und Asthmabund: Erdnussallergie, (Abruf: 04.12.2021), Deutscher Allergie- und Asthmabund
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.