Studie: Reizbare, launische Frauen haben ein höheres Risiko für Alzheimer und Demenz
02.10.2014
Launische, leicht reizbare, neidische und auch im Allgemeinen unausgeglichene Frauen erkranken signifikant häufiger an Alzheimer oder anderen Demenzerkrankungen als nicht neurotische Frauen. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher der Universität Göteborg in der Online-Ausgabe des Fachmagazins „Neurology". Demnach haben Frauen, die an Neurotizismus leiden und introvertiert sind, das höchste Alzheimer-Risiko.
Studie untersucht den Zusammenhang zwischen Neurotizismus und dem Risiko für Alzheimer und Demenz
Lena Johansson und ihr Team untersuchten 800 Frauen während eines Zeitraum von 38 Jahren. Die erste Untersuchung fand 1968 statt, die Folgeuntersuchungen jeweils 1974, 1980, 1992, 2000, und 2005. Anhand von Befragungen ermittelten die Forscher bei jeder Studienteilnehmerin ihr Ausmaß an Neurotizismus. In der Psychologie wird Neurotizismus als Charaktermerkmal betrachtet, welches die emotionale Labilität eines Charakters bezeichnet. Dazu zählen unter anderem Charakterzüge wie Launenhaftigkeit, Reizbarkeit, Neid, die Neigung zu Nervosität sowie die Anfälligkeit für Stress. Folglich neigen neurotische Menschen häufiger zu Wutanfällen, Depressionen und Ängstlichkeit.
Die Forscher unter suchten darüber hinaus, ob die Frauen während des Studienzeitraums an Alzheimer oder einer anderen Form von Demenz erkrankten. Dafür mussten die Probanden an Befragungen und neuropsychiatrischen Untersuchungen teilnehmen. Darüber hinaus wurden Krankenhausakten und Registerdaten berücksichtigt.
Stark neurotische Frauen, die introvertiert sind, haben das höchste Alzheimer-Risiko
„Während des 38-jährigen Untersuchungszeitraumes entwickelten 153 Frauen eine Demenz; bei 104 von ihnen wurde Alzheimer diagnostiziert“, schreiben die Forscher im Fachmagazin. „Ein stärkeres Ausmaß an Neurotizismus in der Lebensmitte ist mit einem erhöhten Risiko von Demenz und Alzheimer und langanhaltendem Stress über 38 Jahre verbunden.“ Denn wie sich herausstellte, erkrankten neurotische Frauen doppelt so häufig an einer Form von Demenz wie Frauen mit niedrigen Neurotizismuswerten. Demnach spielt aber auch Stress eine wesentliche Rolle, während Intro- und Extrovertiertheit alleine das Demenz-Risiko nicht zu erhöhen scheint.
Die höchste Risiko für Alzheimer hatten stark neurotische Frauen, die introvertiert waren. Von den 800 Probandinnen traf diese Kombination von Persönlichkeitsmerkmalen auf 63 Frauen zu, 16 (25 Prozent) von ihnen erkrankten an Alzheimer. Im Vergleich dazu trat die Krankheit lediglich bei acht von 64 Studienteilnehmerinnen (13 Prozent) auf, die geringere Neurotizismuswerte hatten und extrovertiert waren.
„Unsere Studie legt nahe, dass Neurotizismus in der Lebensmitte mit einem erhöhten Risiko für Alzheimer verbunden ist und Stress diese Verbindung begünstigt“, schreiben Johansson und ihre Kollegen.
Veränderungen im Gehirn launischer Frauen könnten Alzheimer verursachen
Den Forschern zufolge könnte der Zusammenhang von Neurotizismus, Alzheimer und Stress darauf beruhen, dass die Persönlichkeit eines Menschen seine Gewohnheiten beeinflusst und diese wiederum Auswirkungen auf das Demenz-Risiko haben. So hätten weniger neurotische Menschen häufig einen gesünderen Lebensstil, berichten die Wissenschaftler.
Eine weitere Ursache könnte auf bestimmten physischen Veränderungen im Gehirn beruhen, die sowohl in Folge von Neurotizismus als auch von Stress auftreten. Dabei entstehen Schäden im Hippocampus, die das Lernen, Erkennen und die Gedächtnisleistung beeinflussen. Wie die Forscher weiter berichten, sei es auch möglich, dass die bei neurotischen Menschen vermehrt auftretenden sogenannten neurofibrillären Bündel – strukturellen Hirnveränderungen, die typisch für Alzheimer sind – eine Demenz verursachen.
Neurotizismus und Stress als Auslöser für Alzheimer und Demenz?
Professor Stefan Knecht, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN), stützt diese These. „Es gab schon vorher Hinweise darauf, dass emotional labile Menschen eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, eine Demenz zu entwickeln", erläutert der Neurologe gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. Stress könne dabei eine der Ursachen für Demenz sein. „Das Immunsystem ist bei Dauerstress immer leicht aktiviert. Und diese leichtgradige Entzündung kann die Arteriosklerose, die sogenannte Gefäßverkalkung, fördern. Dieses trägt auch zu kognitivem Abbau bei."
Professor Richard Dodel von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) weist gegenüber der Nachrichtenagentur daraufhin, dass die Studie lediglich psychologische Verhaltensmerkmale, aber keine Gefäßrisikofaktoren berücksichtige, die bei Alzheimer aber ebenfalls eine Rolle spielten. (ag)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.