Langfristige Aspirin-Einnahme bedingt erhöhtes Risiko gastrointestinaler Blutungen
Aspirin (Wirkstoff Acetylsalicylsäure) ist eines der am häufigsten verwendeten Arzneimittel weltweit. Ursprünglich vor allem als Schmerzmittel angewandt, wird Aspirin wegen seiner gerinnungshemmenden Wirkung heute auch zur Nachsorge nach einem Schlaganfall oder Herzinfarkt eingesetzt. Langfristig kann die Aspirin-Einnahme jedoch das Risiko lebensbedrohlicher Blutungen erhöhen, so das Ergebnis einer aktuellen Studie. Patienten im Alter über 75 Jahren erleiden demnach bei regelmäßiger Aspirin-Einnahme vermehrt sogenannte gastrointestinale Blutungen.
Die niedrig-dosierte Aspirin-Einnahme wird oftmals zur Prävention von Schlaganfällen und Herzinfarkten praktiziert, da der Wirkstoff Acetylsalicylsäure die Blutgerinnung hemmt. Insbesondere bei älteren Menschen kann damit jedoch ein deutlich erhöhtes Risiko lebensbedrohlicher innerer Blutungen einhergehen, berichten Wissenschaftler der Universität Oxford von ihren aktuellen Studienergebnissen. Veröffentlicht wurden die Studienergebnisse in dem renommierten Fachmagazin „The Lancet“.
Aspirin häufig zur Herzinfarkt- und Schlaganfall-Prävention eingesetzt
In den USA und Europa nehmen rund 40 bis 60 Prozent der Erwachsenen im Alter von 75 Jahren oder älter täglich Aspirin oder andere Antithrombozyten-Medikamente ein, um Herzinfarkte oder Schlaganfälle zu verhindern, berichtet die Universität Oxford. Die lebenslange Behandlung mit Antithrombozyten-Medikamenten werde (sogenannte Sekundärprävention) für Patienten empfohlen, welche zuvor bereits einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatten. Die Arzneimittel zeigen allerdings auch unangenehme Nebenwirkungen. Hierzu zählt unter anderem das erhöhte Risiko gastrointestinaler Blutungen.
Risiko gastrointestinaler Blutungen bei älteren Patienten bislang unklar
Bisherige Studien hatten bereits gezeigt, dass es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Antithrombozyten-Behandlung und oberen gastrointestinalen Blutungen gibt, berichten die Wissenschaftler. Obwohl bekannt sei, das dieses Risiko mit dem Alter steigt, fielen die Schätzungen über die tatsächliche Größe des Risikos bislang sehr unterschiedlich aus. Inwiefern die Schwere der Blutung bei Patienten im Alter über 75 Jahren zunimmt, haben die Wissenschaftler nun in einer umfassenden Kohortenstudie untersucht.
Fast 3.200 Probanden untersucht
Insgesamt wurden im Rahmen der aktuellen Studie 3 166 Patienten, die zuvor einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erlitten hatten und danach Antithrombozyten-Medikamente (meist Aspirin) erhielten, über einen Zeitraum von zehn Jahren beobachtet. „Die Hälfte der Patienten war zu Beginn der Studie 75 Jahre oder älter“, berichten die Wissenschaftler. Im Studienzeitraum seien 314 Patienten wegen Blutungen ins Krankenhaus eingeliefert worden und das Risiko tödlicher Blutungen sei mit dem Alter deutlich gestiegen.
Steigendes Blutungsrisiko im Alter
Die Wissenschaftler stellten bei Patienten im Alter unter 65 Jahren, die täglich Aspirin erhielten, eine jährliche Wahrscheinlichkeit von rund 1,5 Prozent für Krankenhausbehandlungen wegen Blutungen fest. „Für Patienten im Alter von 75 bis 84 Jahre stieg die jährliche Erkrankungsrate auf etwa 3,5 Prozent“, berichten die Forscher. Bei Patienten im Alter über 85 Jahre habe sie ganze 5 Prozent erreicht. Parallel steigt das Risiko tödlicher gastrointestinaler Blutungen mit dem Alter. Während die Wahrscheinlichkeit bei Patienten im Alter bis 65 Jahre noch bei 0,5 Prozent pro Jahr lag, stieg die Rate im Alter von 75 bis 84 Jahren auf etwa 1,5 Prozent und bei Patienten im Alter ab 85 Jahren auf fast 2,5 Prozent, berichten die Wissenschaftler.
Risiko und Nutzen abwägen
„Wir wissen seit einiger Zeit, dass Aspirin das Risiko von Blutungen für ältere Patienten erhöht. Aber unsere neue Studie gibt uns ein viel klareres Verständnis der Größe des erhöhten Risikos und der Schwere und Konsequenzen der Blutungen“, betont Professor Peter Rothwell, führender Autor von der Universität Oxford. Zwar sei in früheren Studien ein klarer Vorteil der kurzfristigen Antithrombozyten-Behandlung nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall nachgewiesen worden. Doch angesichts der aktuellen Erkenntnisse stelle sich die Fragen über das Verhältnis von Risiko und Nutzen bei der langfristigen täglichen Aspirin Verwendung im Alter von 75 Jahren oder mehr.
Protonen-Pumpen-Inhibitoren senken das Risiko
Die Wissenschaftler konnten zudem feststellen, dass die Verschreibung sogenannter Protonen-Pumpen-Inhibitoren (PPI) dem Risiko der gastrointestinalen Blutungen entgegen wirkt. Bei Einnahme der PPI war das Risiko von oberen Magen-Darm-Blutungen bei Patienten, die eine langfristige Antithrombozyten-Behandlung erhielten, um 70 bis 90 Prozent reduziert, berichten die Forscher. Zwar bringe auch die PPI-Einnahme das Risiko von Nebenwirkungen mit sich, doch fallen dies laut Aussage der Wissenschaftler im Verhältnis zu den drohenden gastrointestinalen Blutungen eher moderat aus.
Auch PPI mit Nebenwirkungen
„Zwar gibt es einige Hinweise darauf, dass PPI langfristige Risiken haben könnten“, doch zeige die aktuelle Studie, „dass das Risiko von Blutungen ohne sie bei älteren Altersgruppen hoch ist und die Konsequenzen erheblich sind“, so Professor Rothwell. Eine Anwendung der PPI zur Reduzierung des Risikos innerer Blutungen bei älteren Patienten scheint demnach unter Nutzen-Risiko-Abwägung durchaus überlegenswert.
Konsequenzen für die Praxis
In einem Kommentar zu der aktuellen Studie betont Professor Hans-Christoph Diener von der Universität Duisburg-Essen, dass angesichts der neuen Erkenntnisse das Nutzen-Risiko-Verhältnis der langfristigen Antithrombozyten-Therapie bei Patienten im Alter über 75 Jahre alle 3 bis 5 Jahre neu ausgewertet werden sollte. Zudem sei die begleitende Behandlung mit PPI bei Patienten mit Antithrombozyten-Therapie im Alter über 75 Jahren und einer früheren Geschichte von Magen-Darm-Blutungen neu zu überdenken. (fp)
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