Eisenmangel: Unterschätzter Risikofaktor für Thromboseneigung
Österreichische Wissenschaftler haben den Zusammenhang von Eisenmangel und Blutgerinnsel erforscht. Weil Eisenmangel auch bei jungen, gesunden Menschen auftreten kann und Thrombosen potenziell lebensgefährlich sind, kommt diesem Risikofaktor eine erhöhte Bedeutung zu.
Etwa acht Prozent aller Deutschen leiden an Eisenmangel. Gesundheitsexperten zufolge ist es weltweit die am weitesten verbreitete Mangelerkrankung. Forschende der Medizinischen Universität (MedUni) Wien haben neben den klassischen Komplikationen wie Sehproblemen, Benommenheit oder Atemnot nun noch ein weiteres Risiko ausgemacht: Personen mit Eisenmangel haben offenbar ein erhöhtes Thromboserisiko.
Begleitende Eisen-Therapie bei Darmerkrankungen
Wie in einem Beitrag von „scilog“, dem Magazin des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) erklärt wird, hat für den Gastroenterologen Christoph Gasche alles mit den Blutbildern einer Risikogruppe angefangen: Patientinnen und Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa.
Sie verlieren krankheitsbedingt Blut über den Darm und damit auch den Sauerstofftransporter Hämoglobin, dessen zentrales Element Eisen ist. Den Angaben zufolge zeigte die genaue Analyse der Blutwerte als Nebeneffekt eine Thrombozytose, also eine krankhaft gesteigerte Menge von Blutplättchen (Thrombozyten) im Blut. In einer ersten Studie ist der Nachweis gelungen, dass Eisenmangel die Plättchenproduktion ankurbelt und Eiseninfusionen das Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten mit den Darmerkrankungen verbessert. Die begleitende Eisen-Therapie ist heutzutage ein Behandlungsstandard.
„Dass die Blutplättchen sich bei Eisenmangel vermehren war insofern überraschend, als alle anderen Zellsysteme stillgelegt werden. Jede Zelle braucht Eisen, also hören sie bei einem Mangel auf zu wachsen“, erklärte Projektleiter Christoph Gasche die Ausgangssituation für ein vom Wissenschaftsfonds FWF unterstütztes Forschungsprojekt zum Thema Eisenmangel und Thromboseneigung.
Thrombozyten sind an der Blutgerinnung federführend beteiligt
Weil Thrombozyten an der Blutgerinnung federführend beteiligt sind, lag für das Team an der MedUni Wien der Schluss nahe, dass Eisenmangel und Gerinnselbildung zusammenhängen. Thrombosen, also die Bildung von Blutpfropfen in venösen oder arteriellen Gefäßen, sind aus der klinischen Praxis als gefürchtete Begleiterscheinung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen bekannt.
„Thrombosen haben verschiedene Ursachen, aber Eisenmangel kommt relativ häufig vor. Wir sind also einem bisher unbeachteten, aber wichtigen Mitspieler bei der Sterblichkeit auf der Spur, der weit über das Krankheitsbild Darmentzündung hinaus reicht.“
Bei Operationen fließt ebenfalls meist Blut, bei Frauen im gebärfähigen Alter sogar jeden Monat. Thrombosen sind postoperativ ein hohes Risiko und 20 Prozent der Frauen unter 50 mangelt es an Eisen – ihr Thromboserisiko ist daher deutlich höher als das von Männern. Eisen mit der Ernährung aufzunehmen ist möglich, aber schwierig beziehungsweise streng limitiert.
„Eine gute Quelle für Eisen ist Fleisch. Fleisch enthält ebenfalls roten Blutfarbstoff (Hämoglobin). Das darin gebundene Eisen kann der Körper besonders gut aufnehmen. Eisen aus pflanzlichen Lebensmitteln ist im Allgemeinen schlechter verwertbar“, schreibt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) auf dem Portal „gesundheitsinformation.de“.
Zu viele Blutplättchen sind kurzfristig sinnvoll
Laut „scilog“ lag die Hypothese nahe, dass die Produktion von Blutplättchen für mehr Blutgerinnung systemisch sinnvoll ist, um ein Verbluten zu stoppen. Zu viele Blutplättchen im Blut sind also kurzfristig sinnvoll, dauerhaft steigert eine Thrombozytose jedoch das Risiko für Gerinnselbildung. Im FWF-Projekt wurde der Einfluss des Eisenmangels auf die venöse und arterielle Blutgerinnung im Rattenmodell untersucht.
Die PhD-Studentin Kristine Jimenez verglich dazu drei Gruppen von gesunden Ratten. Die erste Gruppe wurde mangelernährt in Bezug auf Eisen, die zweite ebenfalls, aber mit begleitender Eiseninfusion und die Kontrollgruppe bekam normales Futter. Um das venöse System zu untersuchen, wurde bei allen drei Gruppen die untere Hohlvene abgebunden, um den Querschnitt zu verengen, und die Entstehung der Thrombose mit Ultraschall beobachtet. Die Thromben wurden im Anschluss histopathologisch untersucht. Alle Gruppen bildeten Thromben, aber bei den anämischen Ratten bildeten sich größere Pfropfen mit hohem Thrombozytenanteil in kürzerer Zeit.
Die Kontrollgruppe und die Ratten mit Eisensubstitution verhielten sich in Bezug auf die Gerinnselbildung gleich. Für das arterielle System wurde in allen drei Gruppen die Halsschlagader präpariert und das Gefäß gereizt, was die Blutgerinnung innen zuverlässig aktiviert. Obwohl der Blutdruck viel höher als in der Hohlvene ist, bildete sich dort ebenfalls ein Verschluss.
Bei den mangelernährten Ratten wiederum schneller und größer. Parallel suchte Kristina Jimenez nach biologischen Aktivierungsmarkern auf den Megakaryozyten, also jenen Zellen, die Blutplättchen bilden, konnte aber noch keine festmachen. Mit solchen Tests könnten weniger offenkundige Risikogruppen schnell identifiziert werden.
Jede Gerinnselbildung ist potenziell lebensgefährlich
„Wir konnten zeigen, dass arterielle und venöse Thromben ähnliche Entstehungswege haben, in denen Eisenmangel eine wichtige Einflussgröße ist. Von außen gesehen haben ein Herzinfarkt und geschwollene Beine kaum etwas miteinander zu tun, aber die eisenmangelinduzierte Thrombose ist für beide relevant und durch die weite Verbreitung von Eisenmangel von Bedeutung“, fasst der Internist Christoph Gasche die Ergebnisse zusammen.
Der Arzt von der MedUni Wien würde sich wünschen, dass bei jeder OP-Freigabe auf den Eisenspiegel geachtet wird, um das Risiko einer Thrombozytose zu minimieren und sich nicht nur auf Blutkonserven zu verlassen – denn jede Gerinnselbildung ist potenziell lebensgefährlich.
Als nächstes will das Forscherteam chronisch entzündliche Darmerkrankungen bei Mäusen untersuchen. Es gilt herauszufinden, ob die eisenmangelbedingten Plättchenveränderungen einen Einfluss bei Thrombosebildung und Darmentzündung haben und ob es gelingen kann, durch Eisengabe die Entzündung zu behandeln. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Wissenschaftsfonds FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung): Unterschätzer Risikofaktor für Thromboseneigung, (Abruf: 27.08.2019), scilog
- Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): Wie kann ich meinen Eisenbedarf decken?, (Abruf: 27.08.2019), gesundheitsinformation.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.