Höhere Nährstoffaufnahme dank Fruktose
Die Aufnahme von Fruktose scheint die Zellen im Verdauungstrakt so zu verändern, dass sie in der Lage sind, mehr Nährstoffe aufzunehmen. Diese Veränderungen könnten den bekannten Zusammenhang zwischen dem weltweit steigenden Fruktosekonsum und der Zunahme von Fettleibigkeit und bestimmten Krebsarten erklären.
In einer neuen Untersuchung unter Beteiligung von Forschenden der Icahn School of Medicine at Mount Sinai wurden die Auswirkungen einer fructosereichen Ernährung untersucht. Die Ergebnisse der Studie wurden in dem englischsprachigen Fachblatt „Nature“ publiziert.
Wie wirkt sich Fructose auf die Darmzotten aus?
Die Fachleute wollten herausfinden, wie eine fructosereiche Ernährung sich auf die Darmzotten auswirkt, die dünnen, haarähnlichen Strukturen, welche das Innere des Dünndarms auskleiden. Diese Zotten vergrößern die Oberfläche des Darms und helfen dem Körper bei der Aufnahme von Nährstoffen aus der verzehrten Nahrung, wenn diese den Verdauungstrakt passiert, so das Team.
Erhöhte Nährstoffaufnahme durch längere Zotten
Die Fachleute stellten fest, dass die Zotten von Mäusen, die mit fructosehaltiger Nahrung gefüttert wurden, 25 bis 40 Prozent länger waren als die von Mäusen, welche keine Fructose zu sich nahmen. Zusätzlich war die Zunahme der Länge der Zotten mit einer erhöhten Nährstoffaufnahme, Gewichtszunahme und Fettansammlung bei den Tieren verbunden, berichten die Forschenden.
Fructose kann Darmtumore begünstigen
„Fructose unterscheidet sich strukturell von anderen Zuckern wie Glukose und wird anders verstoffwechselt. Unsere Forschung hat ergeben, dass der Hauptmetabolit der Fructose die Ausdehnung der Darmzotten fördert und das Wachstum von Darmtumoren unterstützt“, erläutert Studienautor Dr. Marcus D. Goncalves.
Frühere Forschungsarbeiten des Teams, welche bereits im Jahr 2019 veröffentlicht wurden, ergaben, dass Fructose in der Nahrung die Tumorgröße in Mausmodellen für Darmkrebs erhöhen kann, und dass die Blockierung des Fructosestoffwechsels dies verhindern könnte.
In der Annahme, dass Fructose auch eine Hyperplasie oder ein beschleunigtes Wachstum des Dünndarms fördern könnte, untersuchte das Team das Gewebe von Mäusen unter dem Mikroskop, welche mit Fructose oder einer kontrollierten Form der Ernährung gefüttert wurden.
Nachdem die Forschenden festgestellt hatten, dass die Zotten der Fructose zu sich nehmenden Tiere länger waren, wollten sie herausfinden, ob diese Zotten anders funktionieren. Also teilten sie die Mäuse in drei Gruppen ein: Eine Gruppe nahm eine normale fettarme Ernährung zu sich, die zweite Gruppe nahm eine fettreiche Ernährung zu sich und die dritte Gruppe verzehrte fettreiche Nahrung mit Fructosezusatz.
Tiere mit längeren Zotten nahmen mehr an Gewicht zu
Die Mäuse der dritten Gruppe entwickelten nicht nur längere Zotten, sondern sie wurden auch fettleibiger als die Mäuse, welche eine fettreiche Ernährung ohne Fructose zu sich nahmen.
Welche Rolle spielt das Fructose-1-Phosphat?
Die Forschenden untersuchten die Veränderungen im Stoffwechsel genauer und stellten so fest, dass sich ein bestimmter Fructosemetabolit, das sogenannte Fructose-1-Phosphat, in großen Mengen anreicherte. Dieser Metabolit interagierte mit einem Glukose verstoffwechselnden Enzym mit der Bezeichnung Pyruvatkinase, um den Zellstoffwechsel zu verändern und das Überleben und die Ausdehnung der Zotten zu fördern.
Wurde die Pyruvatkinase oder das Enzym, welches Fructose-1-Phospat herstellt, entfernt, hatte Fructose keine Auswirkungen auf die Zottenlänge. Frühere Untersuchungen an Tieren hatten bereits gezeigt, dass dieser Fructosemetabolit auch das Tumorwachstum fördert, so das Team.
Fruktose vorteilhaft für Winterschlaf
Nach Aussage von Studienautor Samuel R. Taylor machen die Beobachtungen bei Mäusen aus einer evolutionären Perspektive Sinn. „Bei Säugetieren, insbesondere bei winterschlafenden Säugetieren in gemäßigten Klimazonen, ist Fructose in den Herbstmonaten, wenn die Früchte reif sind, sehr gut verfügbar. Der Verzehr von viel Fruchtzucker kann diesen Tieren helfen, mehr Nährstoffe zu absorbieren und in Fett umzuwandeln, welches sie brauchen, um den Winter zu überstehen“, erklärt der Experte.
Fruktose in der menschlichen Ernährung
„Fructose ist in der modernen Ernährung nahezu allgegenwärtig, ob sie nun aus Maissirup mit hohem Fructosegehalt, Haushaltszucker oder aus natürlichen Lebensmitteln wie Obst stammt. Fructose selbst ist nicht schädlich. Es ist ein Problem des übermäßigen Konsums. Unser Körper ist nicht darauf ausgelegt, so viel davon zu essen, wie wir es tun“, fügt Studienautor Dr. Goncalves in einer Pressemitteilung hinzu.
Medikament soll Zotten schrumpfen lassen
„Es gibt bereits Medikamente in klinischen Versuchen für andere Zwecke, die auf das Enzym abzielen, welches für die Produktion von Fruktose-1-Phosphat verantwortlich ist. Wir hoffen, dass wir einen Weg finden, sie umzuwidmen, um die Zotten zu schrumpfen, die Fettaufnahme zu verringern und möglicherweise das Tumorwachstum zu verlangsamen“, berichtet Studienautor Dr. Goncalves. Zunächst müsse jedoch überprüft werden, inwiefern die bei Mäusen gewonnenen Erkenntnisse auf den Menschen übertragbar sind. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Weill Cornell Medicine: Research Uncovers How Fructose in the Diet Contributes to Obesity (veröffentlicht 18.08.2021), Weill Cornell Medicine
- Samuel R. Taylor, Shakti Ramsamooj, Roger J. Liang, Alyna Katti, Rita Pozovskiy, et al. : Dietary fructose improves intestinal cell survival and nutrient absorption; in: Nature (veröffentlicht 18.08.2021), Nature
Wichtiger Hinweis:
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