Negative Emotionen verursachen stärkeren Appetit
Wer hat nicht schon mal zum Trost nach einer Schokolade oder einem Becher voller Eiscreme gegriffen? An dem Klischee des Frustfraßes ist laut einer aktuellen Studie etwas Wahres dran. Gerade bei Stress und Trauer neigen viele Menschen dazu, über den Punkt der Sättigung hinaus weiter zu essen.
Essen hat viele Funktionen – die wichtigste ist, das Überleben zu sichern. Daneben essen viele Personen aber auch aus emotionalen Gründen. Gerade die Menschen, die oft aus Vergnügen, Trost oder Stress essen, haben ein erhöhtes Risiko der Überernährung, wie ein Forschungsteam in dem renommierten Fachjournal „Frontiers in Behavioral Neuroscience“ zeigt.
Emotionale und restriktive Esser
„Sogar bei einem gesunden BMI kann emotionale Überernährung ein Problem sein“, berichtet Co-Studienautorin Rebekka Schnepper von der Universität Salzburg in Österreich. Die Studie untersuchte, inwieweit individuelle Essgewohnheiten und emotionale Zustände die Appetitreaktion vorhersagen können. Dabei wurden emotionale Esser, also Menschen, die Lebensmittel zur Regulierung von Emotionen verwenden, mit restriktiven Essern verglichen, also Personen, die ihre Ernährung besser kontrollieren können.
Negative Emotionen wirkten sich stark auf den Appetit aus
Die Gruppe der emotionalen Esser fanden das Essen besonders angenehm, wenn sie negative Emotionen verspürten. In einem neutralen Gemütszustand maßen sie dem Essen weniger Bedeutung zu. Restriktive Esser hingegen zeigten sich gegenüber Essen im negativen Zustand aufmerksamer, obwohl dies ihren Appetit nicht beeinflusste. In dieser Gruppe gab es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Appetit und dem Gefühlszustand.
Wichtig zur Behandlung von Essstörungen
Die Ergebnisse weisen auf mögliche Strategien zur Behandlung von Essstörungen hin. „Bei dem Versuch, das Essverhalten zu verbessern, scheint eine Konzentration auf Emotionsregulationsstrategien, die sich nicht auf das Essen als Heilmittel für negative Emotionen stützen, vielversprechend zu sein“, betont Schnepper.
Theorien bislang widersprüchlich
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sahen sich aufgrund des fehlenden Konsenses in der Literatur gezwungen, das Thema näher zu untersuchen. Dazu führten die Forschenden unter 80 Studentinnen an der Universität Salzburg eine Untersuchung durch. Alle Teilnehmerinnen hatten einen durchschnittlichen Body-Mass-Index (BMI). Während der Laborsitzungen wurden den Probandinnen Texte vorgelesen, die entweder einen neutralen oder negativen Gemütszustand erzeugen sollten. Die negativen Texte bezogen sich auf kürzliche Ereignisse aus dem persönlichen Leben der Teilnehmerinnen, bei denen sie herausfordernde Emotionen erlebten, während die neutralen Skripte sich auf Themen wie das Zähneputzen bezogen.
Anschließend wurden den Probandinnen Bilder von Essen und neutralen Gegenständen gezeigt. Die Forschenden zeichneten die Gesichtsausdrücke der Teilnehmerinnen mittels Elektromyographie auf. Zudem wurde die Hirnreaktivität mittels Elektroenzephalographie (EEG) dokumentiert.
Schlussfolgerung
Die Teilnehmenden der Studie waren allesamt weiblich, da Frauen anfälliger für Essstörungen sind, erklärt das Forschungsteam. „Wir können keine Schlussfolgerungen für Männer oder für langfristiges Essverhalten im täglichen Leben ziehen“, gibt Schnepper zu bedenken. Nichtsdestotrotz fördere die Studie das Verständnis von emotionaler Überernährung, und die Ergebnisse könnten bei der Früherkennung und Behandlung von Essstörungen helfen. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Rebekka Schnepper, Claudio Georgii, Katharina Eichin, u.a.: Fight, Flight, – Or Grab a Bite! Trait Emotional and Restrained Eating Style Predicts Food Cue Responding Under Negative Emotions; in: Frontiers in Behavioral Neuroscience, 2020, frontiersin.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.