Die Ernährung kann ein wichtiger Schlüssel gegen Krebs sein
Eine falsche Ernährung fördert den Krebs. Allerdings kann richtige Ernährung die Krebszellen auch zurückdrängen. Nur: Was ist die richtige Ernährung im Kampf gegen den Krebs?
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Grillsaison, das Fleisch auf dem Grill brutzelt, manchmal verkohlt es an der ein oder anderen Stelle. Forscher warnen seit 15 Jahren vor der Krebsgefahr im verkohlten Fleisch, doch Grillliebhaber hält das nicht ab. Dabei würde es genügen, die schwarzen Stellen einfach wegzuschneiden.
Bei Fleisch scheint es generell schwerer zu sein, auf das Verhalten der Gefährdeten einzuwirken. Im Jahr 2015 stufte die Internationale Agentur für Krebsforschung, gewissermaßen die Krebsbehörde auf höchster Instanz, verarbeitetes rotes Fleisch als nachweislich krebserzeugend ein. Salami, Bratwurst, Schinken aus Schweine-, Rind- und Lammfleisch gerieten ins Zwielicht. Sie landeten in derselben Kategorie wie Zigaretten und Asbest.
Für nicht zu Wurst oder Schinken verarbeitetes rotes Fleisch war die Datenlage nicht ganz so eindeutig. Die Experten der Krebsbehörde nannten dies „wahrscheinlich krebserzeugend“. Der Entscheidung des Gremiums lag eine Analyse von mehr als 800 Studien zugrunde. „Es besteht kein Zweifel, dass ein Zusammenhang zwischen dem Verzehr von verarbeitetem rotem Fleisch und bestimmten Krebsarten, vor allem Darm-, aber auch Prostata- und Bauchspeicheldrüsenkrebs, besteht“, sagt der Hauptautor Bernard Stewart, zugleich Krebsforscher an der University of New South Wales in Sydney. Besonders für die Industrienationen sei das bedeutsam, weil dort viel Wurst gegessen wird. Global betrachtet erklärt der Verzehr dieser Produkte jährlich 34.000 Krebstodesfälle.
Das ist, verglichen mit einer Million Krebstoten infolge von Zigaretten, nicht gerade viel. Auch deshalb ergänzt Stewart sofort: „Das eine ist der klar belegte Zusammenhang. Das andere ist, welche Ernährungsempfehlung man daraus ableitet. Ich esse selbst gern Schinken und diesen auch weiterhin, aber ich habe meinen Konsum etwas gezügelt.“
Ungesunde Speisen gehören zur Kultur dazu
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) bleibt bei ihrem Rat, maximal 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche zu essen, obwohl bei diesen Mengen das Darmkrebsrisiko schon messbar erhöht wäre. Weißwurst und Lyoner sind aber einfach zu beliebt. Und nicht nur sie: „Bratwurst und Schinken haben eine jahrhundertealte Tradition und sind Bestandteil der Kultur“, erklärt Fleischkritiker Stewart. Mit einem Aufruf zum Verzicht würde man sich mit allen Liebhabern – und mit der Industrie – anlegen. Deshalb greift er zur sanften Ermunterung: Weniger Leberwurst, Aufschnitt und Corned Beef ist mehr.
Auch eine andere Krebsgefahr im Essen wird bislang kaum diskutiert: Der Heidelberger Nobelpreisträger Harald zur Hausen erkannte schon vor Jahren, dass insbesondere Darm- und Brustkrebs häufiger in Regionen auftreten, in denen Milchprodukte und Rindfleisch regelmäßig verzehrt werden. Allerdings nur, wenn diese von der hierzulande üblichen Rasse des europäisch-asiatischen Rindes stammen. Kulturen, die sich von den Nachfahren des Yaks ernähren, leiden seltener an solchen Krankheiten.
Zur Hausen und sein Team fanden nach jahrelanger Forschung eine Erklärung: Für die Krebshäufung sind Infektionserreger im europäisch-asiatischen Rind verantwortlich. Diese Erreger heißen „bovine meat and milk factors“, kurz BMMF. Nach Jahrzehnten der stummen Infektion führen sie offenbar bei einigen Menschen zu einer chronischen Entzündung und zu Krebs. Den Anteil an allen Krebsfällen infolge einer BMMF-Infektion kann zur Hausen noch nicht in Zahlen benennen.
Sollte man also am besten ganz auf Milch, Käse, Butter und Gulasch verzichten? „Auf keinen Fall“, betont zur Hausen. Milchprodukte seien in sonnenarmen Regionen eine wichtige Quelle für den Knochenbaustoff Calcium. Nur vor dem ersten Lebensjahr sollten Babys noch keine Milchprodukte bekommen, sondern Muttermilch, empfiehlt zur Hausen. Stillen schützt wahrscheinlich vor einer frühen Infektion.
Ein anderer Keim aus der Nahrung kann ebenfalls Krebs auslösen: Das Bakterium Helicobacter pilory kann durch verunreinigte Speisen und Wasser übertragen werden und verursacht schätzungsweise 60 Prozent aller Magenkrebsfälle. Es sorgt für Magenschleimhautentzündungen und begünstigt so die Bildung eines Karzinoms.
Immerhin sind die Infektionen mit Helicobacter rückläufig, so zur Hausen, „wahrscheinlich, weil die Menschen Speisen tiefgekühlt aufbewahren“. Die Kälte überlebt das Bakterium nicht. Zudem wirken Antibiotika gegen den Erreger.
Aber es gibt andere Krebsauslöser, die sich nicht so leicht verbannen lassen. So sorgte im Jahr 2002 die Entdeckung des Nervengifts Acrylamid in Keksen, Knäckebrot und Pommes frites vor allem in Deutschland für Schlagzeilen: 10.000 Todesfälle pro Jahr würden dadurch verursacht, lauteten damals die Horrormeldungen.
Der Stoff entsteht, wenn Getreide oder Kartoffeln geröstet, frittiert, gebacken, oder auf anderem Wege auf mehr als 120 Grad erhitzt werden. Inzwischen enthalten Kartoffelchips, Pommes und Kekse aus Fabriken weniger Acrylamid als einst. Aber „ganz vermeiden lässt sich die Substanz nicht“, sagt Knut Franke vom Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik in Quakenbrück. Wer selbst Bratkartoffeln oder Pommes zubereitet, sollte sie nur goldbraun werden lassen und nicht zu häufig essen.
Auch vor Reis wird seit drei Jahren gewarnt. Damals verkündete das Berliner Bundesinstitut für Risikobewertung, dass in dem Getreide zu viel Arsen steckt. Arsen erhöht die Gefahr für Haut-, Lungen-, Leber-, und Nierenkrebs. Säuglinge und Kleinkinder sollten auf keinen Fall täglich reishaltige Lebensmittel essen.
Ende Januar 2016 warnte die Deutsche Gesellschaft für Toxikologie, dass gerade Kleinkinder zu viel Reis essen, da viele Babybreis und -cracker auf Reis oder Reismehl basieren. Kleinkinder bekommen so durchschnittlich zwischen 0,61 und 2,09 Mikrogramm je Kilogramm Körpergewicht an Arsen pro Tag ab. Aber schon ab 0,3 Mikrogramm je Kilogramm Arsen täglicher und lebenslanger Belastung steigt das Krebsrisiko um ein Prozent, mahnen die Experten.
Seither finden Konsumenten auf Reiscrackern die Warnung, Kinder sollten je nach Größe des Snacks nicht mehr als drei bis fünf Stück am Tag essen. „Das ist ein ernst zu nehmender Rat“, sagt die Potsdamer Toxikologin Tanja Schwerdtle, die seit Jahren in zahlreichen EU-Gremien zur Bewertung von Arsen in der Nahrungskette sitzt. „Wir haben um den Faktor zehn niedrigere Grenzwerte gefordert. Doch dann gäbe es zu wenig verkehrsfähigen Reis.“
Dabei ist es eigentlich ganz einfach, mit der richtigen Ernährung das Krebsrisiko zu senken. Denn es gibt Essen, das nachweislich gegen die Entstehung von Tumoren wirkt. Durch eine Studie des Ernährungsforschers Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke konnten einige dieser gesunden Lebensmittel identifiziert werden. Boeing und sein Team haben über 20 Jahre hinweg 27.548 Männer und Frauen zu ihren Ernährungsgewohnheiten befragt und ihren Speiseplan mit der Häufigkeit von Krebserkrankungen verglichen.
Durch diese EPIC-Potsdam-Studie, die 2014 endete, ermittelten die Forscher, dass das Risiko für Darmkrebs schon ab 100 Gramm Schwein, Rind oder Lamm am Tag um 49 Prozent stieg. Bei Wurst lag der Anstieg bei 70 Prozent. Wer stattdessen dieselbe Menge Fisch täglich zu sich nahm, halbierte die Gefahr. Ein recht simpler Ernährungstipp lautet also: Fisch statt Bratwurst.
In der EPIC-Studie wurde bereits 2003 die Schutzwirkung durch Ballaststoffe bewiesen. Nur 15 Gramm täglich verminderten das Risiko für Darmkrebs um 40 Prozent. Müsli, Vollkornbrot, Linsen und Bohnen dürfen also jeden Tag im Essen sein, weil sie reich an Ballaststoffen sind.
„Auch der Verzehr von Obst und Gemüse senkt das Krebsrisiko ein wenig“, sagt Boeing, warnt aber vor übertriebenen Erwartungen. Wer viel Frisches isst, nimmt eben meist auch weniger Fleisch zu sich. Die positive Wirkung könnte auch auf diesen Verdrängungseffekt zurückzuführen sein. Dafür spricht, dass zwar Männer, die viel Obst und Gemüse essen, geringfügig seltener einen Mund-, Rachen-, Kehlkopf- oder Speiseröhrenkrebs erleiden. Doch bei Frauen, die das Gleiche essen, ist das nicht der Fall.
Obst schützt nicht vor jedem Krebs
Die einst massiv beworbene Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, fünfmal am Tag Obst und Gemüse zu essen, um damit Krebs vorzubeugen, hat sich in dieser Deutlichkeit nicht bestätigt. Etwa offenbarte die EPIC-Studie, dass der häufige Verzehr von Obst und Gemüse auf die Häufigkeit von Eierstockkrebs bei Frauen überhaupt keinen positiven Effekt hat.
Die Zusammenhänge sind komplex. Das lässt sich gut am Beispiel Brustkrebs bei Frauen veranschaulichen. Alkohol lässt das Risiko sehr stark steigen. Schon mehr als 0,1 Liter Wein täglich steigert die Gefahr. Auch eine große Menge tierischer Fette, also viel Wurst, Butter, Käse und Margarine, schaden. Wenn außerdem wenig Brot und Fruchtsäfte verzehrt wurden, verdoppelte sich das Risiko für Brustkrebs laut der EPIC-Studie im Verlauf von sechs Jahren im Vergleich zu Frauen, die viel Brot verzehrten, häufig Fruchtsäfte tranken aber wenig tierisches Fett aßen.
Die Erforschung von Ernährungseffekten auf die Krebsgefahr ist alles andere als trivial. Denn meist geht eine bestimmte Ernährung mit einem bestimmten Lebensstil einher. So achten viele Vegetarier stärker auf ihre Gesundheit als Allesesser. Sie treiben regelmäßig Sport und gehen auch eher zum Arzt. Herauszufinden, was genau bei einem Menschen die Krebsgefahr gemindert oder erhöht hat, ist durch Befragungen und Langzeitbeobachtungen nicht wirklich möglich. Denn dazu wäre eine lückenlose Überwachung im Labor nötig – und diese wiederum wäre für das normale Leben nur bedingt aussagekräftig.
Die gesunde Kraft des Kohls
Doch es gibt auch Nahrungsmittel mit eindeutig positiven Auswirkungen: Im Labor zeigt sich, dass einzelne Lebensmittel Krebszellen zurückdrängen können. Besonders gut belegt ist das für Gemüse aus der Familie der Kreuzblütler: Dazu gehören Brokkoli, Blumenkohl, Rettich, Kohl und Rucola.
Die Heidelberger Krebsforscherin Ingrid Herr konnte nachweisen, dass es vor allem der schwefelhaltige Inhaltsstoff Sulforaphan ist, der direkt die Entstehung von Krebszellen unterdrückt. Kanadische Kollegen konnten Prostatakrebspatienten mit drei Portionen Brokkoli oder Blumenkohl pro Woche helfen. Ihr Krebs streute seltener oder schwächer als bei Patienten, die keinen Kohl aßen.
Ingrid Herr betont, dass niemand teure Brokkolisprossenprodukte kaufen müsse. Es reiche völlig, regelmäßig mehr Brokkoli, Blumenkohl, Kohl und Rucola zu essen.
Fazit
So intensiv Onkologen die schlechten und guten Effekte von Lebensmitteln erforschen: Eine Anti-Krebs-Diät wird es wohl nie geben. Denn jeder muss für sich selbst die richtige Balance aus gesunder Ernährung und erfüllendem Lebensstil finden. Grillen im Sommer gehört da für viele dazu.
Bernard Stewart von der Internationalen Krebsagentur gibt deshalb als Grilltipp, dass Fleisch und Bratwurst nur am Anfang der geballten Hitze in der Mitte des Rostes ausgesetzt sein sollten. Danach garen sie gesünder am kühleren Rand zu Ende. Grillfleisch hat gegenüber anderen Nahrungsmitteln übrigens einen entscheidenden Vorteil: Kaum jemand verzehrt es das ganze Jahr über. Im Schnitt grillen Deutsche im Jahr zwölf Mal – die Dosis, die das Gift macht, ist zum Glück also eher gering. (fs)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.