Erhöhtes Krebsrisiko durch Milchprodukte? Bislang größte Untersuchung
In der bislang größten Studie zu dem Thema mit über einer halben Millionen Teilnehmenden wurde der Verzehr von Milchprodukten mit einem gesteigerten Risiko für bestimmte Krebsarten in Verbindung gebracht, insbesondere für Leberkrebs und Brustkrebs.
Ein internationales Forschungsteam untersuchte den Zusammenhang zwischen dem Konsum von Milchprodukten und der Entstehung von Krebs anhand der Daten von über 510.000 chinesischen Probandinnen und Probanden. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „BMC Medicine“ vorgestellt.
Krebsrisiko durch Milchprodukte früher bereits nahegelegt
Frühere Studien haben bereits nahegelegt, dass der Verzehr von Milchprodukten das Krebsrisiko beeinflussen könnte. Bei westlichen Bevölkerungsgruppen wurde eine Verbindung mit einem höheren Risiko für Darmkrebs und Prostatakrebs vermutet.
Eine Arbeitsgruppe von Oxford Population Health, der Universität Peking und der Chinesischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften in Peking wertete nun große Datenmengen aus der sogenannten China Kadoorie Biobank Study aus, um ein klareres Bild über das mögliche Risiko für Krebs durch Milchprodukte zu erlangen.
Wer wurde untersucht?
Die Teilnehmenden wurden zwischen den Jahren 2004 und 2008 aus zehn unterschiedlichen Regionen Chinas rekrutiert. Die Probandinnen und Probanden waren im Alter von 30 bis 79 Jahren und hatten keine Vorgeschichte von Krebs. Alle Beteiligten füllten umfassende Fragebögen über ihre Ernährungsgewohnheiten aus. Im Anschluss wurde die Kohorte rund elf Jahre lang medizinisch beobachtet.
Gruppeneinteilung anhand des Konsums von Milchprodukten
Anhand des Konsums von Milchprodukten teilten die Forschenden die Teilnehmenden in drei Gruppen ein. In der ersten Gruppe (20 Prozent der Kohorte) wurdne regelmäßig Milchprodukte konsumiert, also mindestens einmal pro Woche. In der zweiten Gruppe (elf Prozent) wurden Milchprodukte einmal monatlich und in der dritten Gruppen (69 Prozent) selten bis nie konsumiert.
Krebsrisikofaktoren außer Milchprodukte
Die Forschenden konnten anhand von Krebs- und Sterberegistern sowie aus Unterlagen der Krankenversicherungen die Krankheitsgeschichte der Kohorte nachvollziehen. Zu den Faktoren, die das Krebsrisiko beeinflussten, gehörten
- Alter,
- Geschlecht,
- Wohnort,
- Krebsfälle in der Familie,
- Bildung und Einkommen,
- Lebensstilfaktoren wie Alkoholkonsum, Rauchen, körperliche Aktivität und Ernährung,
- Body-Mass-Index,
- chronische Hepatitis-B-Virusinfektion (bei Leberkrebs).
Knapp 30.000 Krebsfälle
Während des Studienzeitraumes wurden 29.277 neue Krebsfälle registriert, darunter 6.282 Fälle von Lungenkrebs, 3.577 Fälle von Magenkrebs, 3.350 Darmkrebs-Fälle, 3.191 Fälle von Leberkrebs und 2.582 Brustkrebs-Fälle.
Konsum von Milchprodukten mit erhöhtem Krebsrisiko verbunden
Unter Berücksichtigung bekannter Risikofaktoren hatten Personen, die regelmäßig Milchprodukte konsumierten (im Durchschnitt 81 Gramm pro Tag), ein signifikant höheres Risiko, an Leber- und Brustkrebs zu erkranken.
Pro 50 Gramm Milchprodukte am Tag stieg das Risiko für Leberkrebs um 12 Prozent und das Risiko für Brustkrebs um 17 Prozent an. Nach Angaben des Forschungsteams liegt der durchschnittliche Pro-Kopf-Konsum von Milchprodukten in Großbritannien bei rund 300 Gramm pro Tag.
Die Arbeitsgruppe konnte bei der chinesischen Kohorte jedoch kein erhöhtes Risiko für Darmkrebs, Prostatakrebs oder andere Krebsarten bei regelmäßigem Konsum von Milchprodukten feststellen.
Einschränkung der Ergebnisse
Die Forschenden geben zu Bedenken, dass viele asiatische Personen Milchprodukte anders verstoffwechseln als die westliche Bevölkerung, weil ihnen ein Schlüsselenzym für die Aufspaltung des Milchzuckers Laktose fehlt. Ob dies das Krebsrisiko beeinflusst, musst erst in weiteren Studien untersucht werden.
Mögliche Gründe für das gesteigerte Krebsrisiko
Auch wenn diese Studienergebnisse keinen Kausalzusammenhang beweisen, gibt es laut der Arbeitsgruppe mehrere plausible biologische Mechanismen, die den Zusammenhang erklären könnten.
Zum einen ist ein höherer Milchkonsum mit einem erhöhten Spiegel des insulinähnlichen Wachstumsfaktors I (IGF-I) verbunden. Dieser Wachstumsfaktor wurde bereits in anderen Studien mit einem erhöhten Krebsrisiko in Verbindung gebracht.
Darüber hinaus könnten in der Kuhmilch enthaltenen Sexualhormone wie Östrogen und Progesteron eine Rolle bei der Erhöhung des Brustkrebsrisikos spielen. Außerdem enthalten Milchprodukte gesättigte Fettsäuren und Transfette, die das Risiko für Leberkrebs beeinflussen könnten.
„Weitere Studien sind erforderlich, um diese aktuellen Ergebnisse zu validieren, um festzustellen, ob diese Zusammenhänge kausal sind, und um die möglichen zugrunde liegenden Mechanismen zu untersuchen“, resümiert Studienerstautorin Dr. Maria Kakkoura.
Beim Verzicht auf Milchprodukte auf Ausgleich achten
„Unsere Ergebnisse deuten zwar darauf hin, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen regelmäßigem Milchkonsum und bestimmten Krebsarten geben könnte, aber es ist wichtig zu wissen, dass Milchprodukte eine Quelle für Proteine, Vitamine und Mineralien sind“, fügt Studienmitautor Professor Huaidong Du hinzu.
Ihm zufolge wäre es nicht ratsam, den Milchkonsum allein auf der Grundlage der vorliegenden Ergebnisse zu reduzieren, ohne auf eine ausreichende Zufuhr von Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen aus anderen Quellen zu achten. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- University of Oxford: Dairy products linked to increased risk of cancer (veröffentlicht: 06.04.2022), ox.ac.uk
- Maria G. Kakkoura, Huaidong Du, Yu Guo, Canqing Yu, et al.: Dairy consumption and risks of total and site-specific cancers in Chinese adults: an 11-year prospective study of 0.5 million people; in: BMC Medicine (2022), bmcmedicine.biomedcentral.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.