Zuckergehalt in Lebensmitteln wird oft unterschätzt
Viele Kinder konsumieren viel zu viel Zucker. Problematisch ist, dass sich in sehr vielen Lebensmittelprodukten versteckter Zucker befindet. Ein Großteil der Eltern unterschätzt, wie viel des Süßungsmittels wirklich in Nahrungsmitteln steckt. Das hat Auswirkungen auf die Gesundheit ihres Nachwuchses.
Hoher Zuckerkonsum gefährdet die Gesundheit
Zu viel Zucker macht dick und krank – das konnte auch schon in zahlreichen Studien belegt werden. So ist seit langem bekannt, dass ein hoher Zuckerkonsum unter anderem Übergewicht beziehungsweise Adipositas, Zahnkrankheiten oder Diabetes zur Folge haben kann. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt maximal 50 Gramm freien Zucker am Tag. Im Schnitt nehmen die Deutschen aber fast die doppelte Menge zu sich. Das hat auch mit dem versteckten Zucker in Lebensmitteln zu tun.
Versteckter Zucker in Fertiglebensmitteln
Gesundheitsexperten sprechen sich immer wieder für eine geringere Zuckeraufnahme aus. Viele Bundesbürger gehen davon aus, dass sie sich bei dem Süßungsmittel ohnehin zurückhalten.
So zeigte eine Forsa-Studie der AOK Baden-Württemberg, dass zwei Drittel der Menschen hierzulande glaubt, dass sie nicht mehr als 50 Gramm Zucker am Tag zu sich nehmen, heißt es in einem Audiobeitrag.
31 Prozent meinten sogar, dass es noch weniger ist. In Wirklichkeit nehmen die Bundesbürger aber 90 Gramm täglich zu sich.
Das Problem ist häufig der versteckte Zucker in fertigen Lebensmitteln. Viele sind sich nicht darüber bewusst, wie viel davon jeweils in den unterschiedlichen Produkten enthalten ist.
Potenzieller Risikofaktor für die Entstehung von Übergewicht
Wie die Krankenkasse AOK in einer Mitteilung berichtet, unterschätzen 92 Prozent der Eltern den Zuckergehalt in einem handelsüblichen 250-Gramm-Fruchtjoghurt.
Durchschnittlich gehen sie von nur vier statt der tatsächlichen elf Zuckerwürfel in einem solchen Joghurtbecher aus. Diese Fehleinschätzung macht sich im Gesundheitszustand der Kinder bemerkbar.
Denn je stärker die Eltern den Zuckergehalt unterschätzen, umso höher ist der Body-Maß-Index (BMI) der Kinder. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Zusammenarbeit mit der Universität Mannheim.
„Als bedeutsamen Befund im Kontext des Bemühens um Zuckerreduktion“, sieht Prof. Dr. Ralph Hertwig, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, die Tatsache, „dass Eltern dazu neigen, häufig den Zucker in diversen Lebensmitteln zu unterschätzen“.
Prof. Dr. Jutta Mata, Gesundheitspsychologin an der Universität Mannheim betonte, „dass Eltern maßgeblichen Einfluss auf die Essensauswahl ihrer Kinder haben und deshalb die häufige Zuckerunterschätzung ein potenzieller Risikofaktor für die Entstehung von Übergewicht der Kinder darstellt“.
Immer mehr dicke Kinder
Übergewicht bei Kindern hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. 18 Prozent der Elf- bis 17-Jährigen sind übergewichtig oder gar adipös.
Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, fordert daher von Politik und Lebensmittelindustrie deutlich mehr Anstrengungen zur wirksamen Zuckerreduktion:
„Wir brauchen einfach mehr Transparenz über versteckten Zucker. Um angemessene Ernährungsentscheidungen treffen zu können, müssen Eltern abschätzen können, wie viel Zucker in Essen und Getränken enthalten ist. Aber die Lebensmittelindustrie sträubt sich seit Jahren gegen eine laienverständliche Lebensmittelkennzeichnung.“
Unterdessen verarbeite sie weiter unnötig viel Zucker in den Produkten und werbe flächendeckend mit gezieltem Kindermarketing.
AOK startet Kampagne zur Zuckerreduktion
Die AOK startet deshalb unter dem Motto „süß war gestern“ eine nationale Kampagne zur Zuckerreduktion: „Wir liegen im europäischen Zuckerranking weit vorne, und das kann zu einem Riesenproblem werden, wenn wir jetzt nicht gegensteuern.“
Mit dieser Meinung stehe die Gesundheitskasse nicht alleine da, betonte Litsch, deswegen werde sie mit anderen Partnern eine Allianz zur Zuckerreduktion ins Leben rufen, um nach dem Vorbild Großbritanniens endlich zu verbindlichen Abmachungen und wirksamen Maßnahmen zu kommen.
Auch Dr. Dietrich Garlichs, Geschäftsführer der Deutschen Diabetes Gesellschaft, die sich ebenfalls für das Aktionsbündnis engagieren will, sieht den Zuckerkonsum hierzulande kritisch:
„Die Strategie der Politik, an den Einzelnen zu appellieren, sich gesund zu ernähren und Übergewicht zu vermeiden, ist wirkungslos geblieben“, so der Experte.
„Zu massiv hat sich unsere Umwelt verändert: Fastfood und Snacks gibt es rund um die Uhr an jeder Ecke. Die Industrie gibt für Süßwaren hundertmal mehr Werbegeld aus als für Obst und Gemüse.“
Und: „Für Information und Aufklärung steht nicht einmal ein Prozent allein der Süßwarenwerbung zur Verfügung. Doch während wir im Straßenverkehr Gurt- und Helmpflicht problemlos akzeptieren, fallen uns Regeln zur Gefahrenabwehr bei Volkskrankheiten wie Adipositas und Diabetes immer noch schwer.“
Ungesunden Lebensmitteln den Kampf ansagen
AOK-Vorstand Litsch sieht neben den Lebensmittelherstellern vor allem die Politik in der Pflicht. Den kürzlich vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vorgelegten Entwurf einer „Nationalen Strategie für die Reduktion von Zucker, Fetten und Salz in Fertigprodukten“ bewertet er skeptisch:
„Es ist zwar erfreulich, dass unser Ernährungsminister mit einer nationalen Strategie nun endlich ungesunden Lebensmitteln den Kampf ansagen will. Aber kurz vor Ende der Legislatur kommt diese Ansage reichlich spät und bleibt in wesentlichen Teilen unverbindlich.“
Auf freiwillige Selbstverpflichtungen der Lebensmittelindustrie könne man sich jedenfalls nicht verlassen.
„Das haben wir erst kürzlich auf EU-Ebene feststellen müssen. Hier blieb das Bekenntnis der Lebensmittelkonzerne, freiwillig auf Kindermarketingmaßnahmen zu verzichten, völlig wirkungslos. Von daher wäre es fahrlässig, diese Erfahrungen in der nationalen Strategie zu ignorieren und wieder nur auf Vertrauen zu setzen.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.