Niedriger Fleischkonsum geht mit vielen Vorteilen einher
Immer mehr Menschen legen Wert auf eine ausgewogene Ernährung. Manche setzen eher darauf, ungesunde Lebensmittel möglichst zu vermeiden, andere integrieren in ihren Speiseplan möglichst viele als gesund geltende Nahrungsmittel. Dolch welche Kost ist wirklich die beste für die Gesundheit, die Umwelt und das Tierwohl? Mit dieser Frage hat sich eine aktuelle Studie beschäftigt. Schon mal vorweg: Vor allem eine fleischarme Ernährungsform hat viele Vorteile.
Ist es besser, den Fleischkonsum moderat zu reduzieren und mehr Obst, Gemüse und Vollkornprodukte zu essen, wie es die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) anrät, oder ist es vorteilhafter, es unseren südlichen Nachbarinnen und Nachbarn nachzutun und häufiger zu Fisch und Meeresfrüchten zu greifen? Oder sollte konsequent auf vegane Ernährung umgestellt werden? Mit diesen Frage haben sich Forschende der Universität Bonn beschäftigt. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Science of The Total Environment“ veröffentlicht.
Fast eine Tonne Essen und Getränke pro Jahr
Laut einer Mitteilung der Universität Bonn nehmen jede Bürgerin und jeder Bürger in der EU im Jahr 950 Kilogramm Lebensmittel und Getränke zu sich – eine Menge, so schwer wie ein Kleinwagen.
Die Ernährung ist weltweit für ein Viertel der menschlichen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Es ist bekannt, dass ein großer Teil davon auf das Konto der Nutztierhaltung geht: Tiere wandeln nur einen kleinen Teil der verfütterten Kalorien in Fleisch um. Zudem erzeugen Wiederkäuer Methan, das die Erderwärmung weiter beschleunigt.
Was wir verzehren, hat darüber hinaus auch Folgen für unsere Gesundheit und das Tierwohl. Wenn die Ernährungsformen miteinander verglichen werden sollen, sollten auch diese Aspekte in den Blick genommen werden. Die Fachwelt bezeichnet die optimale Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt auch als die sogenannte „One Health“-Perspektive.
„Studien, die diesen Blickwinkel auf Ernährungsfragen anwenden, sind aber noch rar“, sagt Juliana Paris vom Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn.
Ernährung nach DGE-Empfehlungen, mediterran oder vegan?
Die Wissenschaftlerin hat zusammen mit Kolleginnen und Kollegen eine Analyse durchgeführt, die diese Forschungslücke ein Stück weit schließen möchte. „Dazu haben wir uns exemplarisch angesehen, welche Produkte bei Menschen in Nordrhein-Westfalen auf dem Speiseplan stehen“, so die Forscherin.
„Diese Referenzkost haben wir dann mit drei verschiedenen Szenarien verglichen: einer Umstellung nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), dem Wechsel zu einer Mittelmeer-Diät mit mehr Fisch und Meeresfrüchten sowie der Änderung hin zu einer veganen Ernährung.“
Den Angaben zufolge wurden in jedem dieser drei Szenarien die Lebensmittel so gewählt, dass sie sich so wenig wie möglich von der Referenzernährung unterschieden. „Das heißt beispielsweise, dass wir in der Mittelmeer-Variante den Anteil von Fisch und Meeresfrüchten, Gemüse und Getreideprodukten erhöht haben“, erläutert Paris.
Die Produkt-Auswahl sollte zudem insgesamt dieselben Nährstoffe in ähnlichen Mengen enthalten wie bislang. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhielten so für jedes Szenario einen „Lebensmittel-Korb“, den sie dann weiter analysierten.
„Dazu haben wir uns auf verschiedene Datenbanken gestützt“, erklärt Dr. Neus Escobar vom Institut für Angewandte Systemanalyse in Österreich, die die Arbeit betreut hat. „Mit ihrer Hilfe konnten wir zum Beispiel den Effekt jeder Ernährung auf bestimmte Umweltaspekte abschätzen – etwa die bei ihrer Produktion entstehende Menge an Klimagasen oder den Wasserverbrauch. Ähnlich gingen wir vor, um die Auswirkung der jeweiligen Ernährung auf die Gesundheit zu bewerten.“
So ist zum Beispiel von rotem Fleisch bekannt, dass es das Risiko bestimmter Krebsarten sowie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht.
Die Konsequenzen für das Tierwohl schätzten die Forscherinnen und Forscher anhand mehrerer Indikatoren. Darin floss unter anderem ein, wie viele Tiere durch den Konsum der Nahrungsmittel ihr Leben verlieren und unter welchen Bedingungen sie gehalten werden.
„Wir haben aber auch anhand der Zahl von Neuronen oder der Größe des Gehirns im Verhältnis zum Körper abgeschätzt, inwiefern die jeweiligen Tiere unter ihrer Nutzung tatsächlich leiden“, so Juliana Paris.
Vegane Ernährung schnitt in vielen Bereichen am besten ab
Aus One-Health-Perspektive wäre jede der drei Ernährungsformen nachhaltig von Vorteil. Doch nicht unter jedem Aspekt: So schnitt die vegane Ernährung zwar in vielen Bereichen am besten ab, aber die Erzeugung veganer Lebensmittel ist laut den Forschenden mit einem erhöhten Wasserverbrauch verbunden.
„Außerdem müssen Veganerinnen und Veganer bestimmte Nährstoffe separat zuführen, etwa Vitamin B12, Vitamin D oder auch Kalzium“, sagt Paris. Aufgrund des hohen Anteils an Nüssen und Gemüse hat die mediterrane Diät (obwohl gesund) ebenfalls einen erhöhten Wasserbedarf zur Folge.
Wenn – wie in der Studie angenommen – das konsumierte Fleisch komplett durch Fisch ersetzt wird, sind zudem ihre Effekte auf das Tierwohl erstaunlich negativ: Weil Fische und Meeresfrüchte deutlich kleiner sind als etwa Kühe oder Schweine, leiden unter dieser Ernährungsform erheblich mehr Tiere.
Negativ wirkt sich auch der vermehrte Konsum von Honig aus, der eine intensive Bewirtschaftung von Bienenvölkern verlangt. „Es wäre also von Vorteil, den Proteinbedarf insgesamt weniger aus tierischen Quellen zu decken“, sagt Neus Escobar. „Zudem ernähren sich viele Menschen heute deutlich zu reichhaltig. Würden sie ihre Nahrungsmenge auf das reduzieren, was sie wirklich brauchen, hätte das möglicherweise zusätzliche positive Effekte.“
Der Studie zufolge gehen die Empfehlungen der DGE zwar in die richtige Richtung, mit Blick auf die menschliche Gesundheit seien die beiden anderen Optionen aber besser. Dennoch zeigen die Daten auch hier: Wer häufiger mal auf Fleisch verzichtet und sich stattdessen Vollkornprodukte, Gemüse und Obst auf den Teller lädt, tut nicht nur sich etwas Gutes, sondern auch den Tieren und der Umwelt. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Bonn: Fleischarme Kost hat viele Vorteile, (Abruf: 30.11.2021), Universität Bonn
- Juliana Minetto Gellert Paris, Timo Falkenberg, Ute Nöthlings, Christine Heinzel, Christian Borgemeister & Neus Escoba: Changing dietary patterns is necessary to improve the sustainability of Western diets from a One Health perspective; in: Science of The Total Environment, (veröffentlicht: 06.11.2021), Science of The Total Environment
Wichtiger Hinweis:
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