Wie viel Fleisch kann nachhaltig produziert werden?
Wir essen zu viel Fleisch und schädigen damit unsere Gesundheit und die Umwelt. Darüber hinaus nehmen wir für den Konsum Tierleid in Kauf. Doch wie viel Fleisch ist zu viel und welche Menge könnte nachhaltig produziert werden? Eine neue Studie gibt Antworten.
Forschende der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn haben verschiedene Aspekte des Fleischkonsums ausgewertet, um zu untersuchen, wie viel Fleisch auf unserem Planet nachhaltig produziert werden könnte. Die Ergebnisse werden in dem Fachjournal „Annual Review of Resource Economics“ vorgestellt.
Der wahre Preis des Fleisches
Im Durchschnitt konsumiert jede Person in der Europäischen Union rund 80 Kilogramm Fleisch pro Jahr. Der wahre Preis des Fleisches wird jedoch nicht im Supermarkt bezahlt, sondern in Form von Folgen auf die Gesundheit, die Umwelt sowie auf die Wirtschaft und die Art, wie Tiere gehalten werden.
Müssen wir nun alle auf Fleisch verzichten? Die kurze Antwort lautet: Nein. Laut einer aktuellen Studie könnte eine gewisse Menge Fleisch durchaus nachhaltig produziert werden. Hierzu müsste im Idealfall die Fleischproduktion jedoch um mindestens 75 Prozent gesenkt werden.
Folgen der Massenfleischproduktion
Fleisch zählt zu den aufwändigsten Lebensmitteln, die produziert werden. Die verfütterten Kalorien werden von den Nutztieren nur teilweise umgesetzt, wodurch unverhältnismäßig viel Fläche für die Fleischproduktion benötigt wird.
Zudem erzeugen Wiederkäuer beachtliche Mengen von Methan, welches die Erderwärmung beschleunigt. Nicht zuletzt gilt der vorherrschende Fleischkonsum laut aktuellen Ernährungsstudien als ungesund und fördert zahlreiche chronische Krankheiten wie Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen.
Europa und Nordamerika führend beim Fleischkonsum
Unterm Strich bezahlen wir das Fleisch mit schweren Folgen für das Ökosystem. „Würden alle Menschen so viel Fleisch verzehren wie die Europäer oder die Nordamerikaner, würden wir die Klimaziele weit verfehlen, und viele Ökosysteme würden kollabieren“, warnt Studienautor Professor Dr. Matin Qaim.
„Der Krieg in der Ukraine und die dadurch entstehenden Engpässe für Getreide auf dem Weltmarkt zeigen zudem sehr deutlich, dass weniger Getreide an Tiere verfüttert werden sollte, um die globale Ernährung sicherzustellen“, fügt der Professor hinzu. Rund die Hälfte der weltweiten Getreideproduktion landet derzeit in den Futtertrögen der Nutztiere.
„Wir müssen unseren Konsum daher deutlich senken, idealerweise auf 20 Kilogramm oder weniger jährlich“, folgert Dr. Martin Parlasca aus dem Studienteam. Fleischkonsum muss ihm zufolge nicht pauschal verteufelt werden. Es gebe durchaus Konzepte, mit denen Fleisch nachhaltig und sinnvoll produziert werden kann.
„Wir können uns nicht von Gras ernähren“
Beispielsweise sind hierzu Graslandschaften geeignet, auf denen nichts anderes wächst. „Wir können uns nicht von Gras ernähren, Wiederkäuer aber sehr wohl“, hebt Dr. Parlasca hervor. Solche Flächen könnten sinnvoll für die Fleischproduktion genutzt werden.
Gegen eine schonende Weidehaltung mit wenigen Tieren ist nach Angaben der Arbeitsgruppe aus Umweltsicht nichts einzuwenden. „Wenn sich Grasland nicht anders nutzen lässt, ist es daher durchaus sinnvoll, darauf Vieh zu halten“, so Parlasca.
Fleisch kann Teil einer gesunden Ernährung sein
Einige arme Regionen seien zudem auf hochwertiges Protein von Tieren angewiesen, da sich dort keine pflanzlichen Proteinquellen wie Hülsenfrüchte ganzjährig anbauen lassen. „In solchen Fällen sind Tiere oft ein zentrales Element für eine gesunde Ernährung“, verdeutlicht Parlasca.
Doch selbst in solchen Regionen stehe Fleisch seltener auf dem Speiseplan, als es in den westlichen Industrienationen der Fall ist. Nach Angaben des Forschungsteams sind es vor allem die reichen Länder, die den Fleischkonsum drastisch reduzieren müssten.
Fleischkonsum hat sich kaum reduziert
In den Supermärkten ist von dieser Entwicklung bislang wenig zu spüren. Der Fleischkonsum hat sich in Europa in den letzten Jahren trotz einer höheren Anzahl von Vegetarierinnen und Vegetariern nicht nennenswert reduziert.
Wer trägt die versteckten Kosten bei der Fleischproduktion?
Hinzu kommt, dass die Fleischproduktion immer mehr verdeckte Kosten nach sich zieht, die nicht durch die Konsumentinnen und Konsumenten abgedeckt werden.
Würden die Kosten für die Beseitigung der Schäden, die der Fleischkonsum an Ökosystemen verursacht, mit eingerechnet werden, würden die Preise für Fleisch schlagartig in die Höhe schnellen.
„Wir müssen sensibler werden“
Die Forschenden schlagen vor, die Problematik des Fleischkonsums mehr als Thema in den Schulen mit einzubeziehen und Lehrkräfte dahingehend besser auszubilden. „Wir müssen sensibler für die globalen Auswirkungen unserer Entscheidungen werden“, gibt Qaim abschließend zu bedenken. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn: Fleischkonsum muss um mindestens 75 Prozent sinken (veröffentlicht: 25.04.2022), uni-bonn.de
- Martin C. Parlasca, Matin Qaim: Meat consumption and sustainability; in: Annual Review of Resource Economics (2022), annualreviews.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.