In Deutschland essen die Menschen lieber "lecker als gesund"
23.02.2013
Fast 50 Prozent der jungen Menschen in Deutschland legen kaum Wert auf ein gesundes und bewusstes Essen. Stattdessen seien Schnelligkeit in der Zubereitung und Durchführung wichtig. Viele essen nur nebenbei, als eine Erledigung, die getan werden muss. Das ergab zumindest eine repräsentative Umfragestudie des Forschungs- Meinungsforschungsinstituts „Forsa“ im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK).
Viel Fastfood kaum Zeit
Die schnelllebige Gesellschaft fordert anscheinend ihren Tribun. Im Rahmen der Studie „Iss was, Deutschland?“ zeigte sich, dass vor allem junge Menschen dem Essen keinen großen Wert beimessen. Zum Beispiel essen „vier von zehn junge Erwachsene mit der Gabel in der einen Hand und in der anderen tippen sie in das Smartphone“. Ganz selbstverständlich läuft nebenbei auch der Fernseher. Unterwegs in der S-Bahn essen Viele eine Pizza auf die Hand und später am Abend wird im Fastfood-Restaurant noch eine Portion Pommes und einen Hamburger verschlungen. „Bei jedem dritten Erwachsenen unter 25 Jahre sieht dieser Ernährungstag mindestens drei mal pro Woche so aus“.
Eine zweite Gesellschaftsgruppe, die den Ernährungsmedizinern zunehmend Sorge bereitet, sind Arbeitnehmer, die kaum mehr Zeit finden, um eine ausreichende Mittagspause zu unternehmen. Vielen Arbeitnehmern falle es schwer, eine gesunde Ernährung mit ihrer Arbeit zu vereinbaren. „Nur jeder Zweite kann in seinen Arbeitspausen tatsächlich in Ruhe essen“, heißt es in der Studie.
Keine Zeit für gesundes Essen in der Mittagspause
Etwa ein Drittel der Berufstätigen klagt darüber, dass eine gesundheitsbewusste Ernährung bei der Arbeit nicht mehr möglich ist, berichtet Professor Manfred Güllner, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Seine Forschungseinrichtung hat für die TK repräsentativ genau 1.000 Erwachsene zu ihrem täglichen Essverhalten befragt. „Alles muss schnell gehen, da bleibt keine Zeit für den Genuss“.
Dr. Jens Baas von der TK warnt davor, unsere Ernährung aus dem Blickfeld zu verlieren. "Ernährung muss in unserem Alltag wieder mehr Raum bekommen. Dabei geht es nicht um stundenlange Zeitfenster, sondern darum, dass man in dem Moment bei der Sache ist", so des Experte bei Vorstellung der Studienergebnisse in Berlin. Etwa die Hälfte der Befragten gaben an, dass das Essen „in der Hauptsache lecker sein soll“. Was im „leckeren Essen“ drinsteckt, war vielen eher zweitrangig.
Pferdefleischskandal könnte Umdenken bewirken
Die Ernährungsexpertin Ute Gola findet den „Pferdefleischskandal gerade wunderbar, weil er zum Umdenken bewegt“. Viele, vor allem junge Menschen glauben, dass günstiges Essen nur mit Hilfe von Fertigprodukten zu realisieren sei. „Billig essen kann auch, wer frisch einkauft.“ Deshalb sollten Schüler in den Schulen neben Computerkursen auch wieder Kochkurse verbindlich besuchen, um die Zubereitung von frischen Lebensmitteln zu erlernen. Die Ernährungsmedizinerin fordert daher ein Umdenken in Schulen und Familien. Nicht von ungefähr erleiden immer mehr Menschen das Schicksal Diabetes oder sind stark übergewichtig.
Die vermeintlich fehlende Zeit ist der größte Feind des gesunden Essens. Bei der Arbeit gibt es nur eine begrenzte Auswahl an Speisen und die Zeit drängt zum nächsten Termin. Statt "Fünf am Tag" ist der Ausweg für viele: "Vier von zehn befragten Berufstätigen geben an, dass sie bei der Arbeit nicht viel essen, dafür dann aber abends zu Hause reichlich", so Güllner.
Essen hat keinen hohen Stellenwert
Nur jeder zweite Umfrageteilnehmer gab an, dass das Essen einen hohen Stellenwert einnimmt. Nur 25 Prozent sagten, dass sie sich konsequent gesund ernähren würden. Daraus folgt, dass nur jeder Zweite sich täglich zuhause etwas selbst zubereitet. Dafür kaufen viele Konsumenten Fertiggerichte und Tütensuppe ein, die voller künstlicher Stoffe sind. Vier von zehn Menschen essen mindestens ein- bis zweimal in der Woche eine Suppe aus der Tüte oder eine Pizza aus dem Tiefkühlregal.
Weder im Beruf noch in der Freizeit spüren viele die tickende Zeit. Denn über 50 Prozent sagten, sie hätten keine Zeit zum gesunden Kochen. Diese These vertraten sogar knapp 75 Prozent der unter 25-Jährigen. Auch der „innere Schweinehund“ spielt eine große Rolle. „Gute Vorsätze sind schnell über Bord geworfen“. Bei Hartz IV Beziehern bzw. Geringverdienern wird auch das fehlende Geld als Grund mit angegeben.
Schwere Entwicklungs- und Gesundheitsfolgen
Die Folgen einer ungesunden Ernährung sind längst durch zahlreiche Forschungsarbeiten belegt. So ergab eine groß angelegte US-Amerikanische Studie, dass ungesundes Essverhalten Entzündliche Prozesse auslöst. Diese Prozesse sind wiederum für eine Reihe von Folgeschäden verantwortlich. So ermittelten beispielsweise Forscher des Instituts für Psychiatrieforschung in New York, dass dauerhafter Verzehr von Fastfood das Gehirn schrumpfen lässt. In MRT-Untersuchungen „konnten erhebliche Strukturschäden vor allem durch die Verkleinerung des Appetit- und Belohnungszentrum ausgemacht werden.“ Zudem steht die ungesunde Ernährung in einem direkten Zusammenhang mit den steigenden Patientenzahlen bei den Stoffwechselerkrankungen und Herz-Kreislauf-Leiden.
TK Vorstandsvorsitzender Baas mahnt daher: "Wenn wir eine Gesellschaft wollen, die länger und gesünder lebt, müssen wir uns stärker darum kümmern, was wir essen und wie wir essen. An beiden Punkten können und müssen wir ansetzen." Es seien alle gefragt, die Politik, die Arbeitgeber, Länder, Ärzte und Schulen, einfach alle. „Doch Bewusstsein kann man vermitteln, nicht verordnen.“ Daher sei zum Umdenken jeder Einzelne gefragt. (sb)
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Bild: Benjamin Thorn / pixelio.de
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