Forscher erwarten ein erneutes Amselsterben
19.04.2012
Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) konnte in überwinternden Stechmücken das Usutu-Virus nachweisen, welches im vergangenen Jahr zu einem massenhaften Amselsterben geführt hatte. In einer gemeinsamen Pressemitteilung warnen das BNI, der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und die Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) daher vor einer erneuten Ausbreitung der Erreger.
„Wir haben bewiesen, dass das Usutu-Virus in einheimischen Stechmückenarten überwintert hat und somit im Frühsommer wieder Amseln in Deutschland infiziert werden können“, erklärt der wissenschaftlicher Leiter der KABS, Dr. Norbert Becker, in der aktuellen Mitteilung. Im vergangenen Jahr hatte das Usutu-Virus den Tod tausender Amseln ausgelöst, wobei die Singvögel in einigen Regionen der Rheinebene nahezu gänzlich ausgelöscht wurden. Die Erreger können beim Menschen das sogenannte Usutu-Fieber verursachen. Allerdings sind entsprechende Infektionen bisher äußerst selten und treffen vor allem immungeschwächte Personen.
Experten warnen vor erneutem Amsel-Massensterben
Das BNI in Hamburg, der NABU und die KABS warnen angesichts des Nachweises der Usutu-Viren in überwinternden Stechmücken vor einem erneuten Amselsterben. Zwar seien in den bisher dieses Jahr untersuchten toten Vögeln keine entsprechenden Erreger nachgewiesen worden, doch die Mücken-Saison hat auch noch nicht begonnen. Im letzten Jahr konnten Wissenschaftler des BNI das afrikanische Virus erstmals in toten Amseln aus dem hessischen Birkenau nachweisen und damit einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem rätselhaften Massenvogelsterben und dem Erreger herstellen. Vor allem Südhessen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz waren betroffen. So ging zum Beispiel in Rheinland-Pfalz die Amselpopulation gegenüber dem Jahr 2010 um knapp 50 Prozent zurück, berichten die Experten. In der nördlichen Oberrhein-Ebene sind laut Angaben des NABU die Singvögel fast vollständig verschwunden. Der Norddeutsche Raum blieb indes bisher von dem Tropenvirus verschont.
Usutu-Viren in überwinternden Stechmücken nachgewiesen
Der aktuellen Pressemitteilung zufolge, hatte das BNI „bereits im Frühjahr erneut tote Amseln aus Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz zur Untersuchung auf das tropische Usutu-Virus erhalten.“ Dabei fielen bisher alle Testergebnisse negativ aus. „Unsere Schnelltestergebnisse auf Usutu-Viren waren bei den 25 eingesendeten toten Vögeln alle negativ“, betonte der Leiter der virologischen Diagnostik am BNI, Dr. Jonas Schmidt-Chanasit. Doch dies ist kein Grund zur Entwarnung, da die Erreger in überwinternden Stechmücken nachgewiesen wurden. In den Sommermonaten rechnen die Experten daher mit einem erneuten Amselsterben. „Ein Ausbruch ist abhängig von der Witterung im Spätfrühjahr oder Sommer zu erwarten“, erklärte der Mediziner und Ornithologe Dr. Stefan Bosch vom Naturschutzbund Deutschland. Dabei könnte das Usutu-Virus „je nach Stechmückenbestand auch auf Vögel weiterer benachbarter Gebiete übertragen werden“, so die Aussage von Dr. Bosch in der Pressemitteilung „Erneutes Amselsterben durch tropisches Virus im Sommer erwartet“.
Usutu-Virus kann auch Menschen infizieren
Seinen Ursprung hat das Usutu-Virus in Afrika, wo der Erreger 1959 entdeckt wurde. Außerhalb von Afrika traten Usutu-Viren erstmals im Jahr 2001 in Wien auf. Vermutlich wurden die Viren von Zugvögeln eingeschleppt. Der Erreger kann unter Umständen auch für Menschen gefährlich werden, wie die Infektion von zwei immungeschwächte Patienten in Italien im Jahr 2009 belegt. Die betroffenen erlitten neben den gewöhnlichen Symptomen des Usutu-Fiebers, wie Kopfschmerzen, Hautausschlag und Fieber, eine potenziell lebensbedrohliche Hirnhautentzündung. Im Jahr 2010 wiesen die Experten des BNI die Erreger erstmals hierzulande in Stechmücken nach, im Jahr 2011 gelang der Nachweis bei toten Amseln. Die Singvögel waren offenbar besonders anfällig für die Erreger, wobei infizierte Amseln häufig Symptome wie ein „struppiges Gefieder im Hals- und Kopfbereich“ begleitet von „heller Färbung, apathischem Verhalten und Bewegungsstörungen“ zeigten, erklärte der NABU-Referent, Markus Nipkow.
Bevölkerung zur Mithilfe aufgefordert
Laut gemeinsamer Mitteilung des BNI, NABU und der KABS gilt es „zunächst, die vom Ausbruch betroffenen Gebiete geografisch einzugrenzen und die Überträgermücke dort zu bekämpfen, auch um die Gefahr menschlicher Infektionen zu minimieren.“ Damit die Ausbreitung der Usutu-Viren überprüft werden kann, müssen laut Aussage der Experten möglichst viele Tiere virologisch untersucht werden. Aus diesem Grund sollten „tot aufgefundene Amseln und andere Vögel möglichst früh an das BNI, die KABS oder ein örtliches Veterinäramt geschickt werden“, erklären die Mediziner und Umweltschützer. Auch bei der Bekämpfung der Überträgermücke könne jede/r Einzelne helfen, indem „alle unnötigen Wasseransammlungen beseitigt werden“, da sich hier „viele hundert Hausmücken als Larven zu Puppen bis zum Fluginsekt entwickeln“, so die Mitteilung des BNI, NABU und der KABS. Des weiteren raten die Experten „häufige Brutplätze (z. B. Regenfässer, Gullys, Jauchegruben) mit Culinex-Bti-Tabletten“ zu behandeln. Diese Tabletten basieren auf einem Eiweißstoff des Bacillus thuringiensis israelensis, der ausschließlich die Mückenlarven abtötet, anderen Tieren und dem Mensch jedoch nicht schadet. „Ein bis zwei Tabletten töten die Mücken für zwei bis vier Wochen im Regenfass ab“, so die Aussage in der aktuellen Mitteilung. (fp)
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Bild: Jens Bredehorn / pixelio.de
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