Italienisches Gericht führt Hirntumor auf Handystrahlen zurück
Können Handys Krebs auslösen? Zwar gibt es in der Tat wissenschaftliche Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass durch die Strahlung beim Mobilfunk das Risiko für die Entwicklung eines Hirntumors erhöht wird, doch längst nicht alle Experten sind sich sicher, ob es einen solchen Zusammenhang gibt. Italienische Richter haben nun aber einen Tumor als Berufskrankheit eines Vieltelefonierers anerkannt.
Handystrahlung als Risikofaktor für Hirntumore
Eine Studie der privaten „Jacobs University Bremen“ kam schon vor Jahren zu dem Ergebnis, dass Handystrahlen das Krebswachstum fördern können – zumindest bei Mäusen. Auch in anderen wissenschaftlichen Untersuchungen gab es Hinweise darauf, dass Handystrahlung als Risikofaktor für Hirntumore anzusehen ist. Viele Wissenschaftler bezweifeln jedoch, dass es einen solchen Zusammenhang gibt. Nichtsdestotrotz hat nun ein Gericht in Italien einen Tumor als Berufskrankheit eines Vieltelefonierers anerkannt.
Zusammenhang zwischen Handynutzung und Krebserkrankung bestätigt
In Italien haben Richter den Zusammenhang zwischen der Handynutzung und einer Krebserkrankung bestätigt. Laut einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa bekam Roberto Romeo, der früher als Manager für einen großen Telekommunikationskonzern arbeitete, Recht, als er gegen seinen Arbeitgeber vor Gericht zog.
Er hatte in seinem Job 15 Jahre lang mehrere Stunden am Tag mit dem Handy am Ohr telefoniert. Vor einigen Jahren wurde ein Tumor diagnostiziert. Seit einer Operation, bei dem der Hörnerv des rechten Ohres entfernt werden musste, ist der Italiener auf einem Ohr gehörlos.
Die Richter in Ivrea bestätigten nun einen Kausalzusammenhang zwischen seiner Handynutzung und der Krebserkrankung. Dadurch kann Romeo eine monatliche Invalidenrente erhalten. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig.
In den italienischen Medien wurde im Zusammenhang mit dem Prozess viel über die Gefahren durch elektromagnetische Wellen berichtet. Schlagzeilen wie „Das Handy provoziert Krebs“ tauchten auf.
Unter Fachleuten umstritten
Unter Fachleuten ist jedoch umstritten, ob Handystrahlung der Gesundheit schaden kann. Zwar hat selbst die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der Vergangenheit vor der hochfrequenten elektromagnetischen Strahlung, die beim Mobilfunk verwendet wird, gewarnt.
Die niederländische Gesundheitsrat berichtete jedoch über eine Studie, die kein solches Mobilfunk-Risiko sieht.
Laut den niederländischen Wissenschaftlern sei es nach Auswertung aller Studien insgesamt „höchst unwahrscheinlich“, dass die hochfrequenten elektromagnetischen Felder des Mobilfunks die Entstehung von Krebs auslösen oder fördern können.
Auch einer Untersuchung des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) zufolge gebe es innerhalb der gültigen Grenzwerte keine Hinweise auf eine schädigende Wirkung des Mobilfunks.
Eine Sprecherin des BfS erklärte laut dpa: „Aktuelle Studien geben derzeit keinen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Handystrahlung auf der einen und Tumorerkrankungen auf der anderen Seite.“
Sorgsamer Umgang mit Mobiltelefonen empfohlen
Der österreichische „Wissenschaftliche Beirat Funk“ (WBF), der in der Vergangenheit zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zum Thema ausgewertet hat, schreibt: „Aus epidemiologischer Sicht kann derzeit keine gesicherte und endgültige Aussage zur Mobilfunk-Technologie im Hinblick auf Risiko oder Nicht-Risiko für Krebserkrankungen getätigt werden.“
Und weiter: „Aufgrund der Unsicherheit der bisher vorliegenden Ergebnisse von Studien zum Zusammenhang von Mobilfunknutzung und Entstehung von Krebserkrankungen wird weiterhin ein sorgsamer Umgang mit der Mobiltelefonie empfohlen, bis eine entsprechend große Anzahl qualitativ hochwertiger Studien vorliegt und eine endgültige Einschätzung eines möglichen Risikos erlaubt.“
„Jeder Einzelne kann seine Strahlenexposition durch relativ einfache Verhaltensmaßnahmen verringern“, sagte auch die Sprecherin des BfS hat in der dpa-Meldung.
Mögliche Maßnahmen: Festnetz statt Mobiltelefon, SMS schreiben statt telefonieren – oder ein Headset benutzen, damit der Abstand des Geräts zum Kopf und Körper größer wird. „Um die Aufnahme der Strahlung zu reduzieren hilft jeder Zentimeter.“
Urteil auch in Deutschland denkbar
Obwohl also noch keine einheitlichen abschließenden Aussagen zu Langzeitwirkungen gemacht werden können, haben die Richter in Italien dennoch ihre eigenen Schlüsse gezogen. Die Nachrichtenagentur dpa stellt die Frage, ob so ein Urteil auch in Deutschland möglich wäre.
Der Vorsitzende des Oberlandesgerichts Hamm und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Joachim Lüblinghoff, meinte dazu: „Nichts ist undenkbar.“ Für ein Urteil sei entscheidend, dass der Schaden nachgewiesen wird.
„Bei einem Gehirntumor müssten wir einen Spezialisten dafür haben, einen Onkologen, einen Neurochirurgen oder einen anderen Facharzt, der uns die Kausalkette erklären kann“, so der Jurist.
Wenn der Facharzt zu der Ansicht komme, dass im spezifischen Fall mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit die Handynutzung ausschlaggebend für die Krebserkrankung war, wäre demnach der Vollbeweis erbracht.
Der Beweis könne allerdings auch im Ausschlussverfahren geführt werden. Dies ist jedoch problematisch, da bekannt ist, dass Krebs auch aus reinem Zufall entstehen kann.
Urteil soll keine Angst verbreiten
Im Fall Romeo war der Physiker und Mediziner Paolo Crosignani der Sachverständige, der die Richter beraten hat. In der italienischen Zeitung „La Stampa“ warnte er vor einfachen Verallgemeinerungen: „Oft hängt das Risiko, wie bei so vielen Dingen, von der Dosis ab.“
Im aktuellen Fall hätten zwei Faktoren das Risiko extrem erhöht. Den Angaben zufolge habe Romeo meistens ein altes Handy genutzt, das höhere Radiofrequenzen aussendete, als etwa Smartphones. Bei dem Tumor habe es sich außerdem um eine seltene Form gehandelt.
Romeo selbst meinte, er wolle nicht, dass das Urteil Angst verbreite. Er habe vielmehr auf einen verantwortungsbewussten Umgang mit dem Handy aufmerksam machen wollen. (ad)
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