Französisches Gericht verurteilt Versicherung des PIP-Hersteller auf Schadensersatz
23.01.2012
In dem Skandal um die minderwertigen Brustimplantate des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) hat ein französisches Gericht nun ein erstes Urteil gegen die Versicherung des Herstellers gefällt. Die Versicherung ist demnach verpflichtet für die Schadensersatzansprüche gegen PIP aufzukommen.
Ob die Versicherung des Herstellers der Silikon-Brustimplantate für derartige Fälle gedacht war, mag dahingestellt sein. In jedem Fall muss die Allianz beziehungsweise deren französische Tochter als Versicherung von PIP für die Schadenersatzansprüche der Betroffenen Frauen aufkommen. Das Gericht im französischen Avignon hat die Versicherung des insolventen Herstellers PIP zur Zahlung von 4.000 Euro Schadensersatz an eine Patientin verurteilt. Zwar hatte die Allianz eine Kostenübernahme abgelehnt, da PIP bei Abschluss der Versicherung mutwillig falsche Angaben gemacht habe, doch vor Gericht konnte sich die Allianz mit dieser Position nicht durchsetzten. Obwohl unbestritten ist, dass PIP sowohl die Versicherung als auch die Mediziner und die Öffentlichkeit über die Verarbeitung minderwertigen Silikons in den Brustimplantaten im Dunkeln ließ, muss die Allianz für den entstandenen Schaden aufkommen.
Versicherung muss Schadenersatz für minderwertige Brustimplantate zahlen
Für die Täuschung der Patientinnen durch den französischen Hersteller PIP muss nach Ansicht der Richter des „référés du tribunal d’Avignon“ die Allianz-Versicherung beziehungsweise deren französischen Tochter eintreten. Eine 31-jährige Patientin, der ein PIP-Silikonkissen implantiert wurde, hatte vor Gericht auf Schadenersatz geklagt. Da PIP mittlerweile insolvent ist, richtete sich ihre Forderung gegen die Versicherung des Herstellers der minderwertigen Silikon-Brustimplantate. Die Richter gaben der Klägerin recht. Die Allianz muss zahlen, obwohl sie in einem gesonderten Verfahren PIP wegen vorsätzlicher Täuschung auf Nichtigkeit des Versicherungsvertrags verklagt. Das aktuelle Urteil wird von Juristen als richtungsweisend für kommende Verfahren gewertet, in denen betroffene Patientinnen mögliche Schadenersatzansprüche gegen PIP geltend machen wollen.
Schadenersatz als Entschädigung für die Gesundheitsrisiken
So erhalten die Frauen zumindest eine kleine Entschädigung für die erheblichen Gesundheitsrisiken, denen sie durch die minderwertigen Brustimplantate ausgesetzt waren beziehungsweise sind. Weit mehr als 300.000 Frauen weltweit wurden die PIP-Silikonkissen implantiert, was für die betroffenen Patientinnen schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben kann. Die Brustimplantate tendieren vermehrt zu Rissen und die Frauen sind einem deutlich erhöhten Risiko von Entzündungen ausgesetzt. Auch ein möglicherweise erhöhtes Krebsrisiko wird derzeit noch diskutiert. In zahlreichen Staaten haben die Gesundheitsbehörden den Patientinnen daher dazu geraten, sich die Kissen wieder entfernen zu lassen. Die Kosten für die Entfernung werden dabei in einigen Ländern – wie zum Beispiel in Frankreich – sogar von der Krankenkasse übernommen. Zudem können die Frauen auch einen Schadensersatz geltend machen, der zwar nicht von PIP bedient werden kann, da die Firma mittlerweile insolvent ist, doch für den die Versicherung von PIP aufkommen muss.
Versicherung hat PIP auf Nichtigkeit des Versicherungsvertrages verklagt
So haftet am Ende die Allianz für die minderwertigen PIP-Silikonkissen. Und dies, trotz der Klage, die von der Versicherung gegen PIP eingereicht wurde. Die Allianz-Versicherung hatte PIP wegen vorsätzlicher Täuschung durch die Verantwortlichen beim Versicherungsabschluss auf Nichtigkeit des im Juli 2010 abgeschlossenen Versicherungsvertrags verklagt. Die Entscheidung in dem entsprechenden Verfahren steht noch aus. Für die Richter in Avignon hat der Ausgang jedoch keine Auswirkung auf ihren aktuellen Urteilsspruch. Hier müsse die Versicherung für die Schadenersatzansprüche der Klägerin aufkommen. Von Seiten der Allianz-Versicherung in Paris wurde das Urteil zunächst weder bestätigt noch dementiert.
Erste Strafanzeige gegen Firmengründer von PIP
Neben dem Urteil gegen die Allianz-Versicherung ist aktuell auch eine erste Strafanzeige gegen den Firmengründer von PIP bekannt geworden. Auf vorsätzliche Lebensgefährdung lautet die in Toulon eingereichte Klage gegen den Firmengründer und Teile seiner Familie. Wie die Nachrichtenagentur „AFP“ berichtet, steht dabei nicht nur der Vorwurf vorsätzlicher Lebensgefährdung im Raum, sondern auch der Verdacht der illegalen Bereicherung. Wie die Anwältin Christine Ravaz gegenüber der Agentur mitteilte solle in dem Verfahren auch aufgedeckt werden, „wo das Vermögen des Unternehmens PIP geblieben ist.“ In der Tat scheint es äußerst kurios, dass PIP relativ zeitnah Insolvenz anmelden musste, obwohl die Geschäftskassen angesichts der Verwendung von Billig-Silikon für die Herstellung der Implantate gut gefüllt sein müssten. Denn das verarbeitete Silikon kostet nur einen Bruchteil des für medizinische Zwecke geeigneten Silikons und über Absatzschwierigkeiten konnte sich PIP in den Jahren vor Bekanntwerden des Skandals kaum beschweren. So stellt sich nicht nur für die Anwältin der Kläger die Frage nach dem Verbleib des eingenommenen Geldes. (fp)
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Bild: Henning Hraban Ramm / pixelio.de
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