Keine große OP bei defekter rechter Herzklappe?
25.09.2014
Erstmals ist es Ärzten gelungen, die defekte rechte Herzklappe einer Patienten mittels Katheter zu reparieren, wie das Albertinen-Krankenhaus mitteilt. Der 89-jährigen Frau habe den Eingriff gut überstanden und sich an den Folgetagen schnell erholt. Bisher ist eine Operation am offenen Herzen notwendig, um die sogenannte Trikuspidalklappe zu reparieren. Insbesondere bei sehr kranken und älteren Patienten ist ein solcher Eingriff aber mit hohen Risiken verbunden.
Rechte Herzklappe kann mittels Katheter ohne belastende OP repariert werden
Der Katheter-Eingriff wurde weltweit erstmals am 18. September 2014 von Prof. Joachim Schofer, Leiter des Departments perkutane Behandlung von Herzklappenerkrankungen am Herz- und Gefäßzentrum des Albertinen-Krankenhauses, mit seinem Team erfolgreich durchgeführt. Bei der Patientin wurde die Trikuspidalklappe zwischen rechten Herzvorhof und rechter Herzkammer rekonstruiert. Bereits am Donnerstag konnte die 89-Jährige die Klinik wieder verlassen, wie die Online-Ausgabe des „Hamburger Abendblatt“ berichtet. „Mir geht es sehr gut, ich kann jetzt gut schlafen und mich gut bewegen, ich bin glücklich, dass der Professor das geschafft hat", erklärte Gerda Freytag gegenüber der Zeitung. „Die Patientin hat den Eingriff gut überstanden und sich in den Folgetagen schnell davon erholt“, bestätigt auch das Albertinen-Krankenhaus.
Die Patientin litt bereits an erheblichen Herzproblemen, so dass eine Operation am offenen Herzen für sie zu belastend gewesen wäre. Die Ärzte um Prof. Schofer berieten sich deshalb ausführlich über den Fall, um eine sicherere alternative Behandlungsmethode zu finden, und entschieden sich für das Verfahren mit dem Katheter, das bereits bei der Rekonstruktion der Mitralklappe zwischen linkem Herzvorhof und linker Herzkammer erfolgreich eingesetzt wird. „Die 89-jährige Patientin litt an einer schweren, anders nicht mehr behandelbaren Herzschwäche“, informiert die Klinik.
Häufig liegen andere Herzleiden defekter rechter Herzklappe zugrunde
Bei der sogenannten Trikuspidalinsuffizienz, an der Gerda Freytag erkrankt war, ist die rechte Herzklappe undicht, so dass bei jedem Herzschlag Blut in den Herzvorhof zurückfließt und sich in den Körper zurückstaut. Die Patientin litt deshalb an Wassereinlagerungen in den Beinen sowie an Leber- und Nierenschäden. Nicht selten ist die Erkrankung die Folge eines anderen Herzleidens. „Eine Einengung der Aortenklappe zwischen linker Herzkammer und Hauptschlagader oder eine Undichtigkeit der Mitralklappe zwischen linkem Herzvorhof und linker Herzkammer führt zu einer Stauung, die sich bis in die rechte Herzkammer fortsetzen kann und dort dann zur Erweiterung des Herzens führt", erläutert Prof. Friedrich-Christian Rieß, Chefarzt der Herzchirurgie und Chairman des Herz- und Gefäßzentrums am Albertinen-Krankenhaus, gegenüber dem Blatt. Diese Erweiterung verursacht auch eine Erweiterung des Ringes der Trikuspidalklappe, so dass die Klappe nicht mehr vollständig schließen kann.
Während des Eingriffs wandten die Ärzte eine Technik an, die auch bei Operationen am offenen Herzen eingesetzt wird. Die Klappe, die sich aus drei Segeln zusammensetzt, wird so stark durch Raffung verkleinert, dass sie nach dem Eingriff nur noch über zwei Segeln verfügt. Im Fall des neuen Katheter-Verfahrens wurde die Rekonstruktion der Herzklappe bei schlagendem Herzen ohne Unterbrechung des Kreislaufs durchgeführt. „Über die Halsvene wird ein Katheter bis in die rechte Herzkammer geschoben. Dort wird an jeder Seite des hinteren Klappensegels ein Anker befestigt. Mit Fäden und der Hilfe eines Katheters werden diese Anker zusammengezogen", erläutert Prof. Schofer gegenüber der Zeitung. Der Klappenring wird dadurch verkleinert, so dass die Klappen wieder schließen. „Dadurch eröffnet sich für viele Patienten, denen bisher nicht ursächlich geholfen werden konnte, eine Behandlungsperspektive." Denn für sehr kranke und geschwächte Patienten stellt eine offene Operation ein hohes Risiko dar. Experten gehen von einer Sterblichkeit von 20 Prozent bei fortgeschrittner Erkrankung aus.
Das neue Verfahren mit Katheter muss zunächst in Studien getestet werden
Bis das Katheter-Verfahren zum Einsatz kommen konnte, vergingen zwei Jahre. „Man wird das Verfahren weiter modifizieren und vereinfachen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass in Europa eine Studie mit 30 bis 50 Patienten durchgeführt wird", erklärt Schofer. Auch in den USA hätten Kliniken bereits ihr Interesse bekundet. „Man muss noch mit zwei Jahren rechnen, bis das Verfahren auf den Markt kommt.“ Bei der 89-Jährigen benötigten die Ärzte vier Stunden für den Eingriff. „Denn wir befanden uns auf einem bisher unbekannten Gebiet. Ich bin sicher, der nächste Eingriff wird zwei Stunden kürzer", so Schofer weiter.
Noch werden die Kosten des Verfahrens nicht von den Krankenkassen übernommen. „Ein solcher Eingriff wird in den Fallpauschalen des DRG-Abrechnungssystems noch nicht abgebildet", erläutert Cord Meyer, Hauptgeschäftsführer des Albertinen-Diakoniewerks, gegenüber der Zeitung. Die Mehrkosten müssen deshalb derzeit vom Krankenhaus getragen werden.
Rekonstruktion der rechten Herzklappe mittel Katheter vor allem für sehr kranke Patienten
Der Katheter-Eingriff kann für viele Patienten mit schwerer Trikuspidalinsuffizienz die einzige Möglichkeit einer ursächlichen Behandlung sein. „Viele Patienten haben bereits eine Herzoperation (Aorten- oder Mitralklappen-OP oder Bypass-OP) hinter sich oder sind im fortgeschrittenen Lebensalter, so dass eine erneute Operation mit einem hohen Risiko verbunden ist. Aus diesem Grund blieb für diese Patienten nur die medikamentöse Therapie, die aber die Ursache nicht beseitigt und den Krankheitsverlauf nicht wesentlich beeinflussen kann“, informiert das Krankenhaus. In Europa und den USA seien etwa vier Millionen Menschen von einer relevanten Trikuspidalinsuffizienz betroffen. Jährlich kämen rund 500.000 neue Patienten hinzu. (ag)
Bild: Dieter Schütz / pixelio.de
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