Essstörungen: Gen mit ausgeprägtem Einfluss auf die Regulierung des Körpergewichts
Essstörungen gehören laut Fachleuten zu den häufigsten chronischen psychischen Störungen im Erwachsenenalter. Die Entwicklung einer solchen Erkrankung beginnt zumeist schon im Jugendalter oder jungen Erwachsenenalter. Am bekanntesten ist die Magersucht. Auf diese hat wohl ein bestimmtes Gen starken Einfluss, wie Forschende nun berichten.
In einer neuen Studie wurden Teilnehmende untersucht, die entweder von einer Magersucht oder Adipositas betroffen waren. Dabei fiel den Forschenden ein Gen auf, das vor allem bei Männern einen ausgeprägten Einfluss auf die Regulierung des Körpergewichts haben könnte. Die Studienergebnisse wurden vor kurzem in der Fachzeitschrift „Translational Psychiatry“ veröffentlicht.
Ausgeprägter Einfluss vor allem bei Männern
Von den drei Erkrankungsformen der Essstörung ist die Binge-Eating-Störung die häufigste, gefolgt von der Bulimie. Die bekannteste Form, die Magersucht, tritt am seltensten auf, erklärt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) auf dem Portal „Essstörungen“.
Neben verschiedenen Umweltfaktoren beeinflussen auch die Gene die Wahrscheinlichkeit, an einer Essstörung zu erkranken. Einer aktuellen Mitteilung zufolge haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen (UDE) jetzt jeweils fast 200 Probandinnen und Probanden untersucht, die entweder von einer Magersucht (Anorexia nervosa) oder extremem Übergewicht betroffen waren.
Beim Vergleich genetischer Marker fiel ihnen vor allem ein Gen auf, von dem gleich 25 Varianten identifiziert werden konnten: das Gen für PTBP2. Laut den Fachleuten könnte dieses Gen vor allem bei Männern einen ausgeprägten Einfluss auf die Regulierung des Körpergewichts haben.
Nicht nur ein einziges Gen entscheidet
„PTBP2 scheint das Körpergewicht und die Magersucht gleichermaßen zu beeinflussen“, erläutert Prof. Dr. Anke Hinney, Leiterin der Forschungsabteilung Molekulargenetik an der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters des LVR-Klinikums Essen.
Wie die Expertin erklärt, hat eine frühere Studie gezeigt, dass die Expression von PTBP2 bei Patientinnen und Patienten mit Adipositas (Fettleibigkeit) höher ist als bei normalgewichtigen Kontrollpersonen.
Die Forscherinnen und Forscher kommen zu dem Schluss, dass PTBP2 mit vielen weiteren Genen in Wechselwirkung steht, die entscheidend für die Regulierung des Körpergewichts sind. Bei Männern dürfte PTBP2 zudem eine größere Rolle spielen, vermuten die Autorinnen und Autoren, da bei ihnen eine größere Zahl an Varianten für die Gewichtsregulation relevant ist als bei Frauen.
Yiran Zheng, Doktorandin in der Molekulargenetik, hebt hervor, dass es keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den beschriebenen genetischen Veränderungen und der Entwicklung einer Essstörung gibt.
„Darüber entscheidet nicht nur ein einziges Gen. Aber wir wissen, dass sowohl Anorexia nervosa, also Magersucht, als auch ein hoher BMI in hohem Maße vererbbar sind. Deshalb ist PTBP2 für uns ein weiterer Ansatzpunkt, um die genetischen Faktoren genauer zu betrachten“, so die Wissenschaftlerin. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Duisburg-Essen: Studien zu Essstörungen: Gen beeinflusst Gewicht und Magersucht, (Abruf: 03.07.2022), Universität Duisburg-Essen
- Yiran Zheng, Luisa Sophie Rajcsanyi, Beate Herpertz-Dahlmann, Jochen Seitz, Martina de Zwaan, Wolfgang Herzog, Stefan Ehrlich, Stephan Zipfel, Katrin Giel, Karin Egberts, Roland Burghardt, Manuel Föcker, Saad Al-Lahham, Triinu Peters, Lars Libuda, Jochen Antel, Johannes Hebebrand, Anke Hinney: PTBP2 - a gene with relevance for both Anorexia nervosa and body weight regulation; in: Translational Psychiatry, (veröffentlicht: 09.06.2022), Translational Psychiatry
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Wie häufig sind Essstörungen?, (Abruf: 03.07.2022), Essstörungen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.