Europäischer Gerichtshof soll Brustimplantate-Skandal bearbeiten
10.04.2015
Nach dem Skandal um minderwertige Brustimplantate des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) ist die Frage der Verantwortlichkeit und damit die Zahlung entsprechender Entschädigungen bis heute nicht abschließend geklärt. Dem TÜV Rheinland wird in diesem Zusammenhang von einer Klägerin die Verletzung seiner Prüf- und Überwachungspflichten vorgeworfen, da die Verarbeitung des nicht zugelassenen Industriesilikons in den Brustimplantate diesem nicht aufgefallen war.
Nachdem die Klage der Frau auf Schadensersatz in Höhe von 40.000 Euro gegen den TÜV Rheinland von dem zuständigen Landesgericht Frankenthal abgewiesen wurde und die Berufung vor dem Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken scheiterte, ging die Klägerin in Revision am Bundesgerichtshof (BGH), der sich nun mit möglichen Verletzung der Prüfpflichten durch den TÜV befasst. Am BGH wurde das Verfahren (Az.: VII ZR 36/14) jetzt allerdings vorübergehend ausgesetzt und einen Fragenkatalog an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg übermittelt, um die Auslegung des europäischen Rechts in Bezug auf die Pflichten des TÜV zu klären. Die Entscheidung in dem Verfahren wird mit Spannung erwartet, da hier auch von einer Signalwirkung für andere ausstehende Prozesse auszugehen ist.
Klägerin erhielt im Jahr 2008 zwei Brustimplantate
Im Jahr 2008 ließ sich die Klägerin laut Mitteilung des BGH in Deutschland zwei Silikonbrustimplantate des mittlerweile insolventen französischen Unternehmens PIP einsetzen. Als Medizinprodukte dürfen Silikonbrustimplantate nur in den Verkehr gebracht werden, wenn u.a. ein Konformitätsbewertungsverfahren nach dem Medizinproduktegesetz (MPG) und der Medizinprodukte-Verordnung (MPV) in Verbindung mit Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte durchgeführt worden ist., berichtet der BGH. Ein wesentlicher Bestandteil der Bewertung sei die „Überprüfung (Audit) des Qualitätssicherungssystems, die Prüfung der Produktauslegung und die Überwachung.“ Die Prüfung erfolge durch eine vom Hersteller benannte Stelle.
TÜV Rheinland auf 40.000 Euro Schadensersatz verklagt
Der französische Hersteller hatte den TÜV Rheinland als benannte Stelle zur Prüfung der Silikonbrustimplantate beauftragt. Dass bei der Herstellung der Brustimplantate entgegen den Qualitätsstandards minderwertiges Industriesilikon verwendet wurde, fiel dem TÜV nicht auf. Im Jahr 2010 hatten französische Behörden schließlich den Skandal aufgedeckt und auf ärztlichen Ratschlag ließen sich viele betroffene Frauen – wie auch die Klägerin im Jahr 2012 – die Implantate wieder entfernen. Die Klägerin ist hier der Auffassung, dass der TÜV Rheinland seinen Pflichten als benannter Stelle nicht hinreichend nachgekommen sei. So hätte die Herstellung mittels Industriesilikon ihrer Ansicht nach bei Sichtung der Geschäftsunterlagen und einer Produktprüfung auffallen müssen, so dass eine Verwendung der Silikonbrustimplantate zu verhindern gewesen wäre. Die Frau fordert daher „ein Schmerzensgeld von 40.000 € und die Feststellung der Ersatzpflicht für künftig entstehende materielle Schäden“, so die Mitteilung des BGH.
Fragen an den Europäischen Gerichtshof
Der TÜV Rheinland vertritt hingegen die Position, dass die Überprüfung des Produktes nicht Teil der Prüfpflichten gewesen sei, sondern vielmehr die Qualitätssicherungssysteme des Herstellers überprüft wurden. So muss der BGH nun klären, wie der Prüfauftrag tatsächlich auszulegen ist. Hierzu hat sich der BGH an den Europäische Gerichtshof mit drei wesentlichen Fragen zur Auslegung der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte gewandt. Bis der EuGH diese beantwortet und mitteilt, wie weit die Prüfpflicht der „benannten Stelle“ reicht und inwiefern aus Pflichtverletzungen ein Schadensersatzanspruch abzuleiten ist, wird das aktuelle Verfahren ausgesetzt.
Hunderttausende Frauen vom Brustimplantate-Skandal betroffen
Von dem PIP-Brustimplantate-Skandal waren hunderttausende Frauen weltweit betroffenen, wobei die Verwendung des minderwertigen Silikons nicht selten schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen mit sich brachte, wenn die Implantate rissen und das Silikon austreten konnte. Ähnlich wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) haben daher die Gesundheitsbehörden in zahlreichen anderen Staaten zu einer Entfernung der Implantate geraden. Das Unternehmen PIP musste relativ kurz nach Aufdeckung des Skandals Insolvenz anmelden, so dass die Betroffenen Frauen hier auf keine Entschädigung hoffen können. Der Gründer des Unternehmens wurde Ende des Jahres 2013 aufgrund der Verwendung des minderwertigen Silikons und der hiermit verbundenen bewussten Täuschung von Prüfstellen, Medizinern und Patientinnen zu vier Jahren Haft verurteilt. (fp)
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