Arzttermine: Kassenpatienten warten deutlich länger als Privatpatienten
Seit Jahren wird immer wieder berichtet, dass es für Kassenpatienten eine Benachteiligung bei Arzt-Terminen gibt. Eine aktuelle Erhebung bestätigt dies erneut. Demnach wartet ein Kassenpatient in Bayern im Schnitt 23 Tage länger auf einen Termin beim Facharzt als ein Privatpatient. Der Ruf nach der sogenannten Bürgerversicherung wird wieder lauter.
Kassenpatienten warten 23 Tage länger
Dass man auf einen Termin beim Facharzt meist viel zu lange warten muss, hat wohl jeder, der darauf angewiesen war, schon mal erfahren. Für Mitglieder der Gesetzlichen Krankenkassen trifft dies besonders zu. Aus Bayern liegen nun neue Daten vor. Im Freistaat müssen Kassenpatienten im Schnitte 23 Tage länger auf einen Arzttermin warten, als Privatversicherte. Das geht aus einer Umfrage der Grünen hervor. Den Angaben zufolge schneiden das Allgäu sowie Bayreuth, Bamberg und Hof besonders schlecht ab. Dort bekommen Kassenpatienten ihren Arzttermin durchschnittlich 27 Tage später als Patienten, die privat versichert sind. Wie es heißt, sei die Wartezeit in München am kürzesten, doch selbst dort müssten gesetzlich Versicherte im Schnitt 19 Tage länger auf einen Termin warten als Privatpatienten.
Wartezeiten unterscheiden sich um über 100 Tage
Durchgeführt worden war die telefonische Befragung im November und Dezember. Untersucht wurden dabei sieben Fachrichtungen, darunter Augen-, Haut- und Hals-Nasen-Ohrenärzte sowie Radiologen, Kardiologen, Neurologen und Orthopäden. Die Demografie-Expertin der Grünen im Bundestag, Doris Wagner ließ 350 Facharztpraxen in Bayern anrufen. Dabei baten die Anrufer zweimal hintereinander in kurzen Abständen um einen Termin – einmal gaben sie sich als Kassenpatienten und einmal als Privatpatienten aus. Es stellte sich heraus, dass es nur bei jeder dritten Praxis „keinen oder kaum einen Unterschied“ gemacht habe, „ob man als Kassenpatient oder privat versichert war“, heißt es in der Studie. Teilweise hätten sich die Wartezeiten sogar um mehr als hundert Tage unterschieden.
„Spitzenreiter war hier ein Augenarzt aus Kaufbeuren: Als Kassenpatient wurde uns ein Termin nach 260 Tagen angeboten, als privat Versicherte nach sieben“, berichteten die Autoren. Auch bei anderen Facharztgebieten zeigten sich deutliche Unterschiede. Bei Hautärzten kommen Kassenpatienten der Untersuchung zufolge am schlechtesten weg: Dort müssen sie im Schnitt 31 Tage länger auf einen Termin warten als Privatversicherte. Bei Orthopädie-Praxen beträgt der Unterschied jedoch nur elf Tage. Wagner sagte gegenüber der SZ: „Es ist nicht hinnehmbar, dass es solche Unterschiede gibt. Gerade für Kassenpatienten mit ernsthaften Problemen.“
Besserer Verdienst mit Privatpatienten
Dass man in Deutschland oft enorm lange auf einen Termin bei Medizinern warten muss, zeigten bereits frühere Untersuchungen. So hatte etwa die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ im vergangenen Jahr einen Test durchgeführt, der ergab, dass man im Schnitt mit fünf Wochen Wartezeit auf einen Termin beim Arzt rechnen muss. Einen Grund für die längere Wartezeit von Kassenpatienten sieht die Grünen-Politikerin darin, dass Ärzte bei Privatpatienten eine bessere Bezahlung der Leistungen erhalten. „Wenn Ärzte für einen Privatpatienten mehr als das Doppelte an Honorar bekommen, ist eine Bevorzugung bei der Terminvergabe nachvollziehbar“, so Wagner.
Künftig schneller Termine
Manche Menschen meinen, man könne das Problem des langen Wartens mit einem kleinen Trick umgehen und fragen sich: Darf ich mich als Privatpatient am Telefon ausgeben? Verbraucherschützer raten davon ab, da der Arzt gegebenenfalls das Recht hat, den Kassenpatienten wieder nach Hause zu schicken und auf andere Sprechzeiten zu verweisen. Im kommenden Jahr wird die Vergabe von Facharztterminen für Kassenpatienten mit Hilfe eines Gesetzes ohnehin beschleunigt. Ab Januar sollen Kassenpatienten innerhalb von vier Wochen einen Termin beim Facharzt bekommen.
Grüne plädieren für Bürgerversicherung
Um die Ungleichbehandlung von privat und gesetzlich Versicherten zu beenden, fordern Experten seit Jahren immer wieder die Abschaffung der PKV und die Einführung einer sogenannten Bürgerversicherung. Auch die Grünen plädierten für das Modell. „Hier zahlen alle nach ihrer Leistungsfähigkeit in einen gemeinsamen Topf und der Arzt hat keine Gründe, bestimmte Personen zu bevorzugen“, meinte Wagner. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns hingegen warf den Grünen „politischen Aktionismus“ vor. Und auch Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) hält dem Bericht zufolge die Arztwartezeiten in Bayern für unproblematisch. Gegenüber der SZ sagte sie: „Bei über zehn Million gesetzlich Versicherten in Bayern sind konkrete Beschwerden über zu lange Wartezeiten sehr selten.“ (ad)
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