Alle Fakten zur neuen elektronischen Gesundheitskarte
29.09.2011
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen hat den Startschuss für die neuen elektronischen Gesundheitskarten gesetzt. Bis zum Jahresende sollen bereits sieben Millionen Versicherte mit der neuen Hightech-Krankenkassenkarten ausgestattet sein. Gemessen an den fast 70 Millionen Kassenpatienten in Deutschland, werden rund 10 Prozent der Versicherten bis zum Jahresende eine neuen Karte in den Händen halten. Wir haben alle wichtigen Fragen und Antworten zusammengetragen.
Welcher Unterschied besteht zwischen der alten und neuen Krankenkassenkarte?
Die neue elektronischen Gesundheitskarte (eGk) wird im Gegensatz zur alten Krankenkassenkarte (KK) mit einem aktuellen Passbild des Versicherten verziert. Nur Kinder unter 15 Jahren benötigen noch kein Bild, schließlich verändert sich das Aussehen der Kinder durchs Wachstum schnell. Das Passfoto auf der Gesundheitskarte soll verhindern, dass andere die Karte zur eigenen Gesundheitsversorgung missbräuchlich verwenden. In der Vergangenheit hatten beispielsweise Privatversicherte die Karte eines Freundes „geliehen“, um Kosten zu sparen.
Auf der Rückseite wird das Logo der Europäischen Krankenversicherungskarte (KVK) bedruckt. Auch auf der neuen Karte werden die allgemeinen Verwaltungsdaten wie Versicherungsnummer und Status vermerkt. Neu sind die Angaben zum Geschlecht. Diese Angaben werden künftig für alle Versicherten verpflichtend sein.
Warum werden überhaupt neue Karten ausgeteilt?
Wie erwähnt soll der Missbrauch der Karten eingeschränkt werden. Im ersten Schritt werden auf dem elektronischen Chip zwar nur grundsätzliche Eckdaten des Versicherten gespeichert, jedoch sollen bald sehr viel mehr Daten hinzukommen. So ist geplant Arztbriefe, Impfnachweise, Patientenakten, Organspende-Daten, Patientenverfügungen, Laborbefunde, Blutgruppen, Krankheitsverlauf und mögliche Allergien mit aufzunehmen. Der Gesetzgeber und die Krankenkassen erhoffen sich zum einen eine bessere Gesundheitsversorgung der Patienten und zum anderen Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen. Durch den besseren Einblick in die Vorgeschichte des Patienten können unnötige und doppelte Untersuchungen eingespart werden. Einige Ärzte kritisieren, dass so die Arbeit des Mediziners eingeschränkt werden könnte, weil Untersuchungen in bestimmten Zeitabständen möglicherweise nicht mehr durch die Kassen übernommen werden. Alle sensiblen Patienten-bezogenen Daten sollen aber freiwillig sein.
Geplant war, die Arzneimittel und Heilmittel Verordnungen ebenfalls auf der Karte abzuspeichern. Das elektronische Rezept ist nicht vom Tisch, muss aber noch evaluiert und entwickelt werden. Demnach sind viele weitere Anwendungen denkbar, „die wir uns heute überhaupt noch nicht vorstellen können“, wie Doris Pfeiffer, Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes in Berlin sagte. Pfeiffer machte aber deutlich: Gegen den ausdrücklichen Willen des Versicherten werden keine Daten auf der Karte gespeichert.
Wie teuer wird die Gesundheitskarte sein?
Die Karte wird für die Versicherten – abgesehen von den regulären Versicherungsbeiträgen – kostenlos sein. Den Krankenkassen kosten die neuen Lesegeräte und Karten bislang 306 Millionen Euro. Die Betreibergesellschaft „Gematik“, deren Kosten von der Ärzteschaft, Krankenkassen und Kliniken getragen werden, betragen bis jetzt rund 300 Millionen Euro. Ob die geplanten Einsparungen durch die Vermeidung der Doppeluntersuchungen die Kosten wieder wett machen, ist bis jetzt noch unklar. Darüber gibt es keine Bewertungen oder Studien.
Wie soll die Einführung von statten gehen?
Bis Jahresbeginn 2012 sollen etwa 10 Prozent der gesetzlich Versicherten eine elektronische Gesundheitskarte erhalten. Ein Teil der Versicherten bekamen durch ihre Krankenkasse bereits ein Anschreiben zugesandt. Die Betroffenen müssen das beigefügte Formular ausfüllen und ein Passbild mit in den Brief packen. Manche Krankenkassen bieten statt dem normalen Postweg auch eine Online-Rückmeldung oder die Zusendung per MMS per Handy an. Im Internet können Versicherte den Bogen ausfüllen und ihr Bild hochladen. Wer auf das Schreiben nicht reagiert, wird nochmals angeschrieben. Wurde das erledigt, wird die neue Karte per Post zugeschickt. Ob Sanktionen drohen, wenn jemand sich partout weigert, ist nicht bestätigt.
Welche Krankenkassen beginnen mit der Einführung?
Alle Krankenkassen sind von der Bundesregierung verpflichtet worden, wenigstens bis zum Jahresende 2011 mit Umsetzung begonnen zu haben. Kassen, die diesen Zeitplan aus welchen Gründen auch immer nicht einhalten können, müssen empfindliche Geldstrafen bezahlen. Hier eine Übersicht der großen Kassen.
Die Techniker Krankenkasse (TK) will insgesamt 780.000 Gesundheitskarten ausgeben. Das Passbild kann entweder mit der Post oder online übermittelt werden. Wer den Internetdienst verwenden will, muss sich auf der Homepage der TK unter „Meine TK“ registrieren. Im Anschluss wird ein Passwort zur Übermittlung des Bildes per Mail zugesandt.
Bei der Barmer GEK ist die erste Testphase bereits abgelaufen. Bis 2012 will die Krankenkasse rund 800.000 Gesundheitskarten verteilt haben. Wer sein Bild nicht per Post senden will, kann auch hier den Onlineservice der Barmer verwenden. Eigens dafür hat die Kasse eine Sonderseite unter „www.lichtbild.barmer-gek.de“ geschaltet. Möglich ist auch die Zusendung per MMS via Handy.
Bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen AOK laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Bis zum Jahresende will zum Beispiel die AOK Rheinland/Hamburg 260.000 Kassenkarten verschickt haben. Die AOK Nord-West hat angekündigt mindestens 210.000 Karten bis Ende 2011 zu versenden. Ein Online-Versand des Kartenbildes ist möglich. Die Adresse lautet: „www.aokbild.de“. Ein besonderer Service ist das kostenlose Ablichten in einigen AOK Geschäftsstellen. Wer dieses Angebot in Anspruch nehmen will, sollte sich im Vorfeld bei seiner zuständigen Servicestelle informieren.
Die KKH- Allianz hat bereits zahlreiche alte Karten ausgetauscht und neue Gesundheitskarten den Kunden zugestellt. Das Passbild kann per Post oder online hochgeladen werden.
Sind die Daten auf der Karte sicher?
Das Projekt wird seit 2006 geplant und sollte eigentlich schon längst umgesetzt sein. Ein Grund für diese zeitliche Verzögerung waren auch die Datenschutzrechtlichen Bedenken einiger Kritiker. So wurde beispielsweise befürchtet, dass die Patientendaten auch dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden könnten. Die Daten sind allerdings verschlüsselt und nur Zugangsberechtigte in den Arztpraxen haben den digitalen Schlüssel. So soll sichergestellt werden, dass keine Unbefugten sich Datenzugang verschaffen. In der digitalisierten Welt sind vertrauliche Daten leider nie sicher. Es besteht demnach ein Restrisiko, dass auch Dritte Einblick erhalten. In der ersten Phase werden jedoch nur Eckdaten des Versicherten gespeichert. Alle weiteren Daten wie Arztberichte oder Laborbefunde werden nur auf freiwilliger Basis abgespeichert. Wer also nicht möchte, dass sich sensible Informationen auf der elektronischen Gesundheitskarte befinden, kann dagegen Einspruch erheben.
Müssen nun zwei Kassenkarten bei sich getragen werden?
Wurde eine neue Karte zugestellt, muss die alte Krankenkassenkarte dem Versicherer zurückgeschickt oder selbst vernichtet werden. Das Vorgängermodell ist damit überflüssig. Da die Karten nach und nach erst verteilt werden, sind in einer Übergangsphase beide Kartenmodelle gültig.
Was ist, wenn der Arzt noch keine funktionierendes Lesegerät hat?
Der Arzt muss den Patienten dennoch behandeln und sich die Daten anderweitig beschaffen. Keine Arztpraxis wird Versicherte aus diesem Grund zurückweisen. Sehr bald werden aber alle Hausärzte, Kliniken und ambulante Fachärzte mit einem Lesegerät ausgestattet. (sb)
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