Seltener COVID-19-Fall: Kaiserschnitt und Lungentransplantation
Ärztinnen und Ärzte aus Hannover berichten von einem schweren Fall, bei dem eine junge und schwangere Frau kritisch an COVID-19 erkrankte. Nachdem selbst eine künstliche Beatmung nicht half, holte das Team das Kind per Kaiserschnitt und transplantierte der Patientin eine Lunge.
Medizinerinnen und Mediziner der Medizinische Hochschule Hannover (MHH) veröffentlichten kürzlich einen selten Fall, bei dem eine junge Frau als letzten Ausweg eine Lungentransplantation erhielt, nachdem im Zuge einer SARS-CoV-2-Infektion ein komplettes Lungenversagen drohte. Die 34-Jährige war zudem Schwanger, während sie schwer an COVID-19 erkrankte.
Extremer COVID-19-Fall
Wie das MHH-Team berichtet, wurde Anfang März 2021 eine schwangere Patientin eingeliefert, die sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert hatte. Ihr zunächst stabiler Zustand verschlechterte sich im Laufe einer Woche zunehmend. Zunächst erhielt sie eine einwöchige nicht-invasive-Maskenbeatmung (NIV). Wegen eines drohenden Lungenversagens musste sie schließlich intubiert und künstlich beatmet werden.
Kaiserschnitt während künstlicher Beatmung
Da sich der Zustand der jungen Frau, die in der 34. Schwangerschaftswoche war, weiter verschlechterte, entschieden die behandelnden Ärztinnen und Ärzte, einen Kaiserschnitt durchzuführen, um das Leben des Kindes zu retten. Für das Kind prognostizierte das Team außerhalb der Gebärmutter bessere Überlebenschancen. Zudem erwarteten die Medizinerinnen und Mediziner bessere Erfolgsaussichten für die künstliche Beatmung nach dem Kaiserschnitt.
Lunge war irreversibel beschädigt
Nur wenige Tage nach dem erfolgreichen Kaiserschnitt verschlechterte sich der Zustand der Patientin erneut rapide. „Die Lunge der Patientin war durch die Infektion sehr stark geschädigt“, bestätigt Professor Dr. Marius Höper, stellvertretender Direktor der Klinik für Pneumologie an der MHH. Eine Aussicht auf Erholung der Lungen habe trotz aller intensivmedizinischen Maßnahmen nicht mehr bestanden. Deshalb entschied sich das Team dazu, eine Lungentransplantation durchzuführen.
40 Tage künstlich beatmet
Um eine Transplantation evaluieren zu können, muss die betreffende Person jedoch zunächst ansprechbar sein. „Oft sind Patienten sediert, wenn sie künstlich beatmet werden“, ergänzt Professor Dr. Wolfgang Koppert, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Die Angestellten im Gesundheitsbereich der Station 44 konnten mit viel Einsatz erreichen, dass die Patientin trotz künstlicher Beatmung ansprechbar sein konnte. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Frau bereits 40 Tage von der künstlichen Lunge (ECMO) beatmet.
Lungentransplantation im Schnellverfahren
Wie die Fachleute berichten, kann eine Lungentransplantation nur durchgeführt werden, wenn keine relevanten Vorerkrankungen vorhanden sind, die den Erfolg der Transplantation gefährden können. Zudem dürfen Betroffene nicht mehr akut an COVID-19 erkrankt sein. „Unsere Kriterien für die Listung der Patientin waren, dass sie keine neurologischen Ausfälle, keine Schädigungen an anderen Organen hat und die mit der Transplantation einhergehende lebenslange Therapie einhalten kann“, erklärt Professor Dr. Axel Haverich, Direktor der MHH-Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie und Leiter des MHH-Transplantationszentrums.
Nachdem sichergestellt wurde, dass die Patientin alle Kriterien erfüllte, führte das MHH-Team die Lungentransplantation durch. „Die Situation war vollkommen anders als sonst bei einer Lungentransplantation, bei der die Patientinnen und Patienten in der Regel über einen Zeitraum von sechs Monaten evaluiert werden und sich während dieses Prozesses mental mit der Situation auseinandersetzen können“, erläutert Professor Höper.
Letzte Hoffnung
In extremen Fällen kann eine Lungentransplantation die letzte Hoffnung zur Rettung sein. Bisher gibt es weltweit nur rund 40 dokumentierte Fälle, bei denen versucht wurde, COVID-19-Betroffene mit kritischen Verläufen durch eine Transplantation zu retten. In Deutschland sind bislang nur drei solcher Fälle bekannt.
„Bei den bisher vorgenommenen Transplantationen nach COVID-19 wurde berichtet, dass die Schädigung der Lungen die Operation erschwert hatte“, erläutert Professor Dr. Haverich. Dies sei bei der Patientin aber nicht der Fall gewesen. „Die Operation verlief ohne weitere Komplikationen“, so der Chirurg. „Die Patientin musste nach der Operation auch nicht wieder künstlich mit der ECMO beatmet werden.”
Happy End
Nach Angaben der Medizinerinnen und Mediziner konnte die Patientin die Intensivstation bereits zwei Wochen nach der Transplantation verlassen. Die transplantierten Lungen seien voll funktionsfähig. Die Ärztinnen und Ärzte prognostizieren eine gute Chance auf vollständige Genesung. Auch das Kind ist wohlauf. „Der Fall verdeutlicht die Expertise der MHH in der Versorgung von schwer an COVID-19 erkrankten Patientinnen und Patienten in allen Stadien“, unterstreicht Professor Dr. Frank Lammert, aus dem MHH-Vorstand Krankenversorgung. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Medizinische Hochschule Hannover: Junge Frau an MHH nach COVID-19-Infektion erfolgreich lungentransplantiert (veröffentlicht: 27.05.2021), corona.mhh.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.