Familientherapie: Kosten sparen durch Einbeziehung Angehöriger
09.03.2014
Daten aus den USA zeigen, dass familientherapeutische Maßnahmen bei manchen Menschen die Zahl der Arztbesuche verringern können und somit Kosten sparen. Bei einer Tagung zu systemischer Forschung in Therapie, Pädagogik und Organisationsentwicklung diskutierten mehrere Hundert Teilnehmer über die Systemische Therapie. Dennoch werden die Kosten durch die gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen.
Gesetzliche Kassen übernehmen Kosten nicht
Die Systemische Therapie, bei der systemische Zusammenhänge und interpersonelle Beziehungen in einer Gruppe als Grundlage für Diagnose und Therapie von psychischen Leiden und interpersonellen Konflikten betrachtet werden, ist weltweit verbreitet und wissenschaftlich anerkannt. In Deutschland wird sie jedoch in der ambulanten Versorgung nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Das Fazit einer Tagung zu systemischer Forschung in Therapie, Pädagogik und Organisationsentwicklung, die gestern in Heidelberg zu Ende ging, lautete daher, dass in diesem Punkt entschiedener Handlungsbedarf bestehe.
Teilnehmer diskutierten wie soziale System funktionieren
Drei Tage lang diskutierten rund 300 Teilnehmer aus 23 europäischen Ländern und den USA, wie soziale Systeme, beispielsweise Familien, Nachbarschaften, Schulen oder Unternehmen, funktionieren oder eben nicht funktionieren. Themen des Symposiums waren auch, wie diese Systeme in Krisensituationen beraten werden können und wie diese komplexen Interaktionen wissenschaftlich untersucht werden können. Der Ehe- und Familientherapeut an der Universität Utah/USA, Professor Russell Crane, berichtetet über seine Forschungen zu Wirksamkeit und Kosten von Familientherapie. Der Experte hatte die Daten von fast 4.000 Jugendlichen, die als verhaltensgestört diagnostiziert waren, ausgewertet. Dafür standen ihm die Krankenkosten für Medikamente und Psychotherapie zweieinhalb Jahre nach Abschluss der Behandlung zur Verfügung.
Familientherapien verringern Arztbesuche
Die Familientherapie erwies sich dabei als kostengünstig. So betrugen die Kosten für eine psychotherapeutische Behandlung mit Einzeltherapie durchschnittlich rund 16.000 US-Dollar und für eine Familientherapie in den Räumen des Therapeuten rund 11.000 US-Dollar. Für eine aufsuchende Familientherapie, bei der der Therapeut zur Familie nach Hause kam, fielen rund 1.600 US-Dollar an. Eine Studie mit schizophrenen Erwachsenen brachte ähnliche Ergebnisse. Außerdem würden Daten amerikanischer Versicherungsgesellschaften und aus dem staatlichen Gesundheitsdienst laut medizin-aspekte.de belegen, dass familientherapeutische Maßnahmen zum Beispiel die Zahl der Arztbesuche verringern, insbesondere bei Menschen mit sehr häufiger Arztnutzung.
Ergebnisse auf Deutschland übertragbar
Laut der "Rhein-Neckar-Zeitung" äußerte sich Tagungsleiter Professor Matthias Ochs zum Fazit des Symposiums: „Die Einbeziehung von Familienmitgliedern in die Behandlung wirkt nachhaltig, ist kostengünstig, erhöht die Akzeptanz des Klienten und wir erreichen auch die Stiefkinder der therapeutischen Versorgung.“ Also würden auch Migranten, Alte, chronisch Kranke sowie sozial schwache Menschen, für die die Hemmschwelle, einen Psychotherapeuten aufzusuchen, sehr hoch ist, von dem systemischen Ansatz profitieren. Laut Ochs spreche vieles dafür, dass Cranes Forschungsergebnisse aus dem US-amerikanischen Gesundheitssystem auch auf Deutschland übertragen werden könnten.
Systemische Therapie wirkt und spart
Für die Tagungsteilnehmer sei es schwer verständlich gewesen, dass Deutschland im europäischen Vergleich die Psychotherapie zwar am großzügigsten öffentlich finanziert, gleichzeitig aber am höchsten staatlich reguliert, so dass bisher systemische Familientherapie als ambulante Leistung nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt wird. „Deutschland ist das einzige Land von 36 Staaten in Europa, in dem die Systemische Therapie den anderen wissenschaftlich anerkannten Therapieverfahren bei der Finanzierung im Gesundheitswesen nicht gleichgestellt ist“, so der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) Dr. Björn Enno Hermans. „Das spricht für sich – Systemische Therapie wirkt und spart und muss auch in Deutschland der Bevölkerung endlich als Kassenleistung zur Verfügung stehen.“ Doch wie der DGSF-Geschäftsführer Bernhard Schorn meinte, könne es noch Jahre dauern, bis über die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen eine Entscheidung fällt. (ad)
Bild: S. Hofschlaeger / pixelio.de
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