So kann die Faszientherapie nach dem FDM-Modell akute und chronische Schmerzen lindern
02.10.2014
Tief geht der Daumen in die Haut. Erst schwillt der Schmerz an, um sich im nächsten Moment zu lösen. Im nächsten Schritt arbeitet sich der speziell hierfür ausgebildete Therapeut mit Hilfe von Zug und flächigen Bewegungen entlang der Beine, den Armen und am Rücken. Im Gegensatz zu anderen Behandlungsmethoden werden nicht die Muskeln, sondern eine sogenannte Faszien behandelt. Immer mehr Patienten vertrauen der Faszientherapie, um Schmerzzustände und Bewegungseinschränkungen behandeln zu lassen.
„Unter Faszien versteht man alle kollagenen, faserigen Bindegewebe als Teil eines körperweiten Netzwerks“, sagt Robert Schleip. Der Diplom-Psychologe und Humanbiologe ist Direktor der „Fascia Research Group,“ Division of Neurophysiology an der Universität Ulm gegenüber der dpa. „Faszien umgeben jeden Muskel, jedes Organ und jede Bandstruktur und vernetzen so unseren ganzen Körper.“ Als Faszie (von lateinisch „Fascia“ für „Band“, „Bündel“, „Verbund“) wird eine dünne, sehnenartige Hüllschicht aus Bindegewebe bezeichnet, die Muskeln oder Muskelgruppen, aber auch ganze Körperabschnitte umgeben kann. Faszien bestehen in erster Linie aus straffen, gekreuzten Kollagenfasern und Elastin, wodurch die Muskulatur Festigkeit und Elastizität erhält. Darüber hinaus geben Faszien dem Muskel seine Form und fungieren im Sinne eines „Stoßdämpfers“ als Unterstützung und Schutz des Körpers bei Bewegungen.
Anwendungsindikationen sind beispielsweise Sportverletzungen wie Bänderzerrungen, Prellungen oder Muskelfaserrisse, aber auch Rückenschmerzen, Schulter- oder Nackenschmerzen sowie Taubheitsgefühle, Kribbeln, Schwäche oder Instabilität.
Die fasziale Hülle ist von vielen Dehnungsrezeptoren verbunden, die auch für die Körperwahrnehmung wichtig ist. Sie ist auch ein Kommunikationssystem, wie der Vorstand des Bundesverbandes Osteopathie, Norbert Neumann, in Weiden erklärt. Schwillt beispielsweise ein Organ durch eine Verletzung an, werde ein SOS-Alarm an das Gehirn weitergeleitet.
Beschwerden durch Fehlbelastungen und Bewegungsmangel
Zu Beschwerden kann es kommen, wenn sich Fehl- oder Überlastet. Darüber hinaus ist „Bewegungsmangel ein häufiger Grund für Behandlungen“. Die Faszien verkleben, verdrehen oder verfilzen. Die Patienten leiden in Folge dann an Gelenkschmerzen, Rückenbeschwerden, fehlende Belance-Fähigkeiten, Taubheitsgefühl oder Kribbeln in den Beinen. Zusätzlich belastet Stress und bewirkt ein Zusammenziehen der Faszien. Die Betroffenen leiden an Steifheit und Verspannungen. Weil die Faszien im gesamten Körper miteinander verbunden sind, verteilt sich die Spannung auch im ganzen Körper.
Eine relativ neue Methode ist die Faszientherapie des Fasziendistorsionsmodells (FDM). Diese Behandlungsmethode wurde durch den bereits verstorbenen US-amerikanischen Arzt und Osteopathen Stephen Typaldos entwickelt. Gezielte Griffe können verdrehte oder verklebte Fasern lösen. Den Erfolg sollen Patienten bereits kurz nach einer Sitzung spüren. Die Schmerzen sind weniger und die Bewegungseinschränkungen nicht selten vollständig beseitigt. Behandlungsgebiete sind akute wie auch chronische Leiden.
Ein Patientenbeispiel wird auf der Seite des FDM-Dachverbandes erläutert: „Eine Patientin kommt in die ärztliche Praxis und berichtet, dass sie beim Sport mit dem Fuß umgeknickt sei. Der rechte Knöchel ist deutlich geschwollen und druckschmerzhaft. Die Patientin berichtet über ziehende, brennende Schmerzen. Dabei streicht sie mit den Fingern entlang des rechten Außenknöchels. Weiters macht ihr ein stechender Schmerz an der Vorderseite des Knöchels zu schaffen. Auf diese Stellen zeigt sie mit dem Finger. Die Beweglichkeit ist eingeschränkt, deshalb kann sie nur hinkend gehen. Die konventionelle Medizin: Der Arzt diagnostiziert eine Verstauchung des Sprunggelenks und verordnet Ruhigstellung, Eisanwendung, Kompressionsverband und Hochlagerung. Zusätzlich verschreibt er eine Salbe mit schmerzlindernden und entzündungs hemmenden Komponenten. Die Patientin kann nach einigen Wochen beginnen, ihren Sport wieder auszuüben. Und die FDM-Sichtweise: Der Arzt führt die Beschwerden auf zwei verschiedene Faszienverformungen zurück. Diese Fasziendistorsionen korrigiert er durch manuelle Handgriffe, teils mit großem Krafteinsatz. Nach der Behandlung kann die Patientin wieder normal gehen, nach der zweiten Behandlung – einige Tage später – ihren Sport wieder uneingeschränkt ausüben. (Quelle: EFDMA-Europa).
Patienten können neben der Behandlung selbst aktiv werden. Das Netz der Faszien wird ständig auf- und abgebaut. Aktive Bewegung aktiviert diesen Auf- und Abbau. Um das Prinzip zu verstehen, eignet sich die Vorstellung von einem Spinnennetz. Wenn der Sturm kommt, werden kleine Löcher in das Netz gerissen. Damit das Gesamtnetz erhalten bleibt, sprintet die Spinne zu der „verletzten“ Stelle, um es wieder zu reparieren. Im menschlichen Körper sind Fibroblasten, körpereigene Bindegewebszellen, die Spinnen.
Die Forschung ist jedoch noch am Anfang. Einige wissenschaftliche Arbeiten und eine randomisierte Studie von Dr. med. Stein aus Hannover existieren zu diesem Thema. Dominierend sind eher die Erfahrungen und Meinungen der Therapeuten. Weil aber die Methode Erfolg hat, werden mittlerweile auch Spitzensportler der Fußballnationalmannschaft entsprechend behandelt. Weitere Informationen sind auf der "fdm-europe.com" zu lesen. (af)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.