OLG Hamm: Zahnarzt durfte sich von Patientin nicht drängen lassen
Hamm (jur). Ärzte und Zahnärzte dürfen selbst dann nicht entgegen dem medizinischen Standard behandeln, wenn Patienten dies ausdrücklich wünschen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem am Montag, 27. Juni 2016, bekanntgegebenen Urteil im Fall eines Zahnarztes entschieden (Az.: 26 U 116/14).
Im konkreten Fall war die Patientin mit einer von einem anderen Zahnarzt eingesetzten Krone im Seitenbereich unzufrieden und wünschte zudem eine Sanierung ihrer Frontzähne. Der Zahnarzt stellte allerdings Funktionsstörungen der Kiefergelenke und des gesamten Kauapparats fest.
Der Zahnarzt wollte zunächst diese Störungen mit einer „Aufbissschiene“ behandeln, einer individuell angefertigten Kunststoffauflage für das Gebiss. Danach wollte er sich den Seitenzähnen und erst zuletzt dann den Frontzähnen zuwenden.
Nach eigenen Angaben klärte der Zahnarzt die Patientin über den Sinn dieser Reihenfolge auf, begann auf Wunsch der Patientin aber dann doch vorzeitig mit der Sanierung der Frontzähne. Als Folge ergab sich eine unzureichende Bisshöhe, und an den Kiefergelenken traten neue Probleme hinzu.
Die Patientin führt dies auf eine fehlerhafte Behandlung zurück. Mit ihrer Klage verlangt sie 25.000 Euro Schmerzensgeld, 17.300 Euro Haushaltsführungsschäden sowie die Rückzahlung des zahnärztlichen Honorars in Höhe von 3.750 Euro.
Das Landgericht gab der Patientin recht. Es verurteilte den Zahnarzt zur Rückzahlung des Honorars und leitete ein sogenanntes Betragsverfahren ein, um die Höhe des weiteren Schadenersatzes zu ermitteln.
Das OLG Hamm hat dies nun bestätigt. Der Zahnarzt habe zwar richtig mit der Therapie der Störungen des Kauapparats begonnen. Von der Patientin habe er sich dann aber davon abbringen lassen und diese Therapie vorzeitig beendet. Stattdessen habe er dann „zu früh“ mit der Frontzahnsanierung begonnen. Dadurch sei die Bisshöhe falsch festgelegt worden, und es sei zu weiteren Problemen der Kiefergelenke gekommen, die später nicht mehr beseitigt werden konnten.
Der Zahnarzt könne sich nicht darauf berufen, dass die Patientin dies ausdrücklich verlangt habe, betont das OLG Hamm in seinem bereits rechtskräftigen Urteil vom 26. April 2016. Vielmehr hätte er die Behandlung gegen den medizinischen Standard ablehnen müssen. Daran könne auch eine eingehende Belehrung über die möglichen Folgen einer fehlerhaften Behandlung nichts ändern. Auch eine solche Beratung könne ein „behandlungsfehlerhaftes Vorgehen“ nicht rechtfertigen. mwo/fle
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