Feinstaubbelastung weckt inaktive Viren
Erhöhte Feinstaubbelastungen werden mit einer Vielzahl gesundheitlicher Beeinträchtigungen in Zusammenhang gebracht. Nun haben Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München herausgefunden, dass durch die Feinstaubpartikel offenbar auch „schlafende Viren“ in der Lunge aktiviert werden. Die Ergebnisse ihre Untersuchung veröffentlichten die Forscher in dem Fachmagazin „Particle and Fibre Toxicology“.
Den Angaben der Forscherteams um Dr. Tobias Stöger und Professor Dr. Heiko Adler vom Helmholtz Zentrum München zufolge weckt Feinstaub schlafende Viren in der Lunge. Durch die Nanopartikel aus Verbrennungsmotoren würden Viren aktiviert, die in Lungengewebszellen ruhen. Möglicherweise könnte dies zu einer erhöhten Anfälligkeit für chronische Entzündungen und Umbauprozessen in der Lunge führen.
Feinstaub eine massive Belastung der Gesundheit
Die hohen Feinstaubkonzentrationen – insbesondere in Städten und entlang vielbefahrener Straßen – haben weitreichende gesundheitliche Folgen. So ist aus früheren Untersuchungen bekannt, dass Feinstaub Asthma, Raucherhusten und Co. begünstigt. Auch steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle und Lungenerkrankungen bei hoher Feinstaubkonzentration. Im vergangenen Jahr haben Studien gezeigt, dass Nanopartikel zudem eine schädliche Wirkung im Gehirn haben und dass der Feinstaub das Krebsrisiko massiv erhöht. Die hohe Feinstaubbelastung in vielen deutschen Innenstädten ist daher extrem kritisch zu bewerten.
Schlafende Viren ein langfristiges Risiko
Die nun festgestellte Wirkung auf „schlafende Viren“ ist ein weiterer kritischer Aspekt der Feinstaubbelastung. Als „schlafende Viren“ werden Viren bezeichnet, die sich in einem inaktiven Zustand in den Zellen des Wirtes verbergen, erläutern die Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München. Im Fachjargon werde dieser Zustand als latente Infektion bezeichnet. Tritt eine Schwächung des Immunsystems ein oder ändern sich bestimmte Bedingungen, werden die Viren wieder aktiv, beginnen sich zu vermehren und zerstören die Wirtszelle, berichten die Experten weiter.
Einatmen von Feinstaub mit entzündlicher Wirkung
Das Forscherteam um Dr. Stöger vom Institut für Lungenbiologie und Professor Dr. Adler von der Abteilung Lung Repair and Regeneration am Helmholtz Zentrum München hat nun untersucht, ob Feinstaub mit der Reaktivierung einer latenten Infektion in Zusammenhang stehen könnte. Denn „aus vorangegangenen Modellstudien wussten wir bereits, dass das Einatmen von Nanopartikeln eine entzündliche Wirkung hat und das Immunsystem verändert“, berichtet Studienleiter Stöger.
Hinweise auf eine Reaktivierung der Viren
In ihrer aktuellen Studie haben die Wissenschaftler nun „den Einfluss von Nanopartikeln, wie sie typischerweise bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern entstehen, in einem Versuchsmodell für eine bestimmte Herpesvirusinfektion“ getestet. Sie beobachteten einen deutlichen Anstieg viraler Proteine, die nur bei aktiver Virusvermehrung produziert werden. „Auch Stoffwechsel- und Genexpressionsanalysen ergaben Muster wie bei einer akuten Infektion“, ergänzt Philippe Schmitt-Kopplin, Leiter der Abteilung für Analytische BioGeoChemie am Helmholtz Zentrum München, der ebenfalls an der Studie beteiligt war.
Molekularer Ablauf noch unklar
Eine Exposition mit Nanopartikeln in der Lunge kann den Ergebnissen der Forscher zufolge latente Herpesviren reaktivieren – zumindest im Versuchsmodell. Nun sei in weiteren Studien zu untersuchen, ob sich die Ergebnisse auch auf den Menschen übertragen lassen. Dies wäre von weitreichender Bedeutung. Denn: „viele Menschen tragen Herpesviren in sich und Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose sind dabei besonders betroffen“, erläutert Prof. Adler. Sollten sich die Ergebnisse beim Menschen bestätigen, stehe im nächsten Schritt die Ergründung des molekularen Ablaufs der Reaktivierung von latenten Herpesviren durch die Partikelinhalation an.
Hoffnung auf neue therapeutische Optionen
Versuche an speziellen Zellkulturmodellen sollen laut Aussage der Forscher dabei helfen, den genauen Mechanismus der Virus-Reaktivierung durch Nanopartikel aufzuklären. Dies würde gegebenenfalls die Möglichkeit bieten, den Wirkungsweg auch therapeutisch zu beeinflussen. Zudem planen die Wissenschaftler in Langzeitstudien zu prüfen, „inwieweit eine wiederholte Partikelexposition mit entsprechender Virus-Reaktivierung zu chronischen Entzündungs- und Umbauprozessen in der Lunge führen kann“, erläutert Dr. Stöger. (fp)
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