Antiklumpmittel: Lebensmittelzusatz beeinflusst das Immunsystem des Darms
Das Antiklumpmittel Siliciumdioxid E551 wird seit Jahrzehnten in der Lebensmittelindustrie verwendet und galt bislang als unbedenklich. Schweizer Wissenschaftler haben nun jedoch entdeckt, dass diese winzigen Nanoteilchen das Immunsystem des Darms beeinflussen können.
Zusatzstoffe in verarbeiteten Lebensmitteln
Die Nahrungsmittelindustrie setzt auf immer mehr Zusatzstoffe in verarbeiteten Lebensmitteln. Selbst für Bio-Lebensmittel werden immer mehr solcher Substanzen zugelassen. Die jeweiligen Stoffe sollen unter anderem einer Verlängerung der Haltbarkeit, dem Schutz vor unerwünschten Farbveränderungen, der Verbesserung der Konsistenz, der Vermeidung von Zuckerzusatz oder der Standardisierung der Farbe des Produktes dienen. Ein viel verwendeter Zusatzstoff ist Siliciumdioxid E551. Dieser galt zwar lange als unbedenklich, doch nun haben Wissenschaftler festgestellt, dass er Auswirkungen auf das Immunsystem des Darms haben kann.
E551 galt lange als unbedenklich
Antiklumpmittel sorgen dafür, dass Trockennahrungsmittel wie etwa Fertigsuppen, Instant-Kaffee oder Würzpulver rieselfähig bleiben.
Ein solches Mittel ist Siliciumdioxid E551. Das aus Quarzsand gewonnene ultrafeine Pulver wird bereits seit 50 Jahren breit in der Nahrungsmittelindustrie verwendet und galt bisher als unbedenklich.
Doch nun haben Wissenschaftler des Schweizer Nationalen Forschungsprogramms „Chancen und Risiken von Nanomaterialien“ entdeckt, dass diese Nanoteilchen das Immunsystem des Darms beeinflussen können.
Entzündungsähnliche Reaktion in Gang gesetzt
„Bisher ging man davon aus, dass diese nanostrukturierten Partikel völlig inert sind“, sagte Hanspeter Nägeli vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Zürich in einer Mitteilung.
Doch nun haben er und seine Kolleginnen und Kollegen herausgefunden, dass diese Partikel in der Lage sind, bestimmte Immunzellen zu aktivieren.
„Wir haben gezeigt, dass ruhende dendritische Zellen im Kontakt mit Nanosilica stimuliert werden und eine entzündungsähnliche Reaktion in Gang setzen“, so Nägeli.
Die Ergebnisse, die im Fachblatt „Particle and Fibre Toxicology“ veröffentlicht wurden, lassen aufhorchen, denn im Immunsystem des Darms spielen die dendritischen Zellen eine entscheidende Rolle: Sie erhalten das dynamische Gleichgewicht aufrecht zwischen Abwehrreaktionen und Tolerierung.
Die dendritischen Zellen sind maßgeblich beteiligt am Kampf des Immunsystems gegen Erreger und Fremdkörper. Sie koordinieren aber auch die wohlwollende Antwort gegenüber Nahrungsbestandteilen oder Vertretern der normalen Darmflora.
Darmkrankheiten hängen von verschiedenen Faktoren ab
Wie sich in Versuchen mit Mäusezellkulturen gezeigt hat, nehmen die dendritischen Zellen die Nanosilica in ihr Zellinneres auf. Das weckt sie aus ihrem Schlaf. Sie beginnen, ein bestimmtes entzündungsaktives Signalmolekül auszuscheiden.
Ob solche Prozesse vielleicht auch das immunologische Gleichgewicht des menschlichen Darms in Richtung vermehrter Abwehr verschieben, wissen die Forschenden allerdings nicht.
Doch ihre Ergebnisse könnten die Beobachtung erklären, dass sich entzündliche Darmerkrankungen ausbreiten, wenn mehr Menschen Fertigprodukte zu sich nehmen.
„Es geht nicht darum, Angst zu schüren. Entzündliche Darmkrankheiten hängen von einer Vielzahl von Faktoren ab“, erklärte Nägeli. Und Nanosilica in der Nahrung machen höchstens einen kleinen Puzzlestein im Gesamtbild dieser komplexen Erkrankungen aus.
Trotzdem rät Nägeli aufgrund seiner Resultate zu größerer Vorsicht im Umgang mit diesen Partikeln in der Nahrung. „Ihr massiver Gebrauch muss überdacht werden“, schreiben die Forscher in ihrem Fachbeitrag.
Kritik an der aktuellen Sicherheitsbeurteilung
In einem weiteren Fachartikel im „Journal of Nanobiotechnology“ übt Nägeli Kritik an der aktuellen Sicherheitsbeurteilung von Nanosilica.
„In den toxikologischen Analysen werden keine immunologischen Kriterien erhoben“, so der Experte. Zudem seien in den Fütterungsversuchen mit Ratten auf der höchsten Dosis Leberschäden beobachtet – aber in der Risikoevaluation nicht berücksichtigt – worden.
Ein Zusammenhang mit Nanosilica sei zwar nicht erwiesen, könne aber beim derzeitigen Wissensstand auch nicht ausgeschlossen werden. „Wir plädieren hier deshalb für die Anwendung des Vorsorgeprinzips und für die Überprüfung des Grenzwerts in der Nahrung“, sagte Nägeli. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.