Zirkadiane Rhythmus spielt Schlüsselrolle beim Wachstum von Fettzellen
Im Jahr 2017 wurde der Nobelpreis für Medizin für die Forschung zur Funktionsweise der Inneren Uhr verliehen, die den Biorhythmus von Lebewesen steuert. Die Erkenntnisse über den zirkadianen Rhythmus von Lebewesen haben viele biologische Prozesse wie den Stoffwechsel in ein neues Licht gerückt. Zwei aktuelle Studie zeigen nun, dass dieser Rhythmus auch eine entscheidende Rolle bei Gewichtszunahmen spielt.
Forschende der Weill Cornell Medicine in New York (USA) haben im Rahmen von zwei aktuellen Studien belegt, dass durch Stress verursachte Störungen der zirkadianen Uhr eine entscheidende Rolle bei Gewichtszunahmen spielen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournalen „Proceedings of the National Academies of Sciences (PNAS)“ und „Cell Reports“ veröffentlicht.
Was ist der zirkadiane Rhythmus?
Die Fähigkeit von Organismen, physiologische Vorgänge auf eine Periodenlänge von etwa 24 Stunden zu synchronisieren, wird als zirkadianer Rhythmus bezeichnet. Einer der wichtigsten Kreisläufe in diesem Zusammenhang ist der Schlaf-Wach-Rhythmus.
Alle Zellen des Körpers sind auf den 24-Stunden-Tag-Nacht-Zyklus eingestellt. Wie zwei aktuelle Studien nun zeigen, spielen Störungen in dieser Rhythmik eine entscheidende Rolle bei dem Wachstum von Fettzellen und somit bei Gewichtszunahmen.
Chronischer Stress führt zu Gewichtszunahmen
Die erste der beiden Studien wurde bereits im Juni 2022 in dem renommierten Fachjournal „Cell Reports“ publiziert. Die Forschenden fanden heraus, dass chronischer Stress, der durch Glukokortikoid-Stresshormone verursacht wird, den normalen Tageszyklus von Mäusen störte und mit einem Wachstum von Fettzellen sowie mit einer erhöhten Insulinproduktion einhergeht.
Störungen der inneren Uhr begünstigen Entstehung von Fettzellen
In der zweiten nun veröffentlichten Studie zeigte die Arbeitsgruppe, dass sich Vorläuferzellen von Fettzellen während Ruhephasen zu Fettzellen entwickeln. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Störungen der inneren Uhr mehr zu Gewichtszunahmen beitragen, als bislang angenommen. Die Erkenntnisse eröffnen neue Behandlungsansätze bei Übergewicht und Adipositas.
„Viele Kräfte wirken gegen einen gesunden Stoffwechsel, wenn wir aus dem zirkadianen Rhythmus geraten sind“, bestätigt Professorin Dr. Mary Teruel, die Hauptautorin beider Studien.
Mäuse in Dauerstress
Bei der ersten Studie haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einer Gruppe von Mäusen über 21 Tage hinweg Glukokortikoide verabreicht. Die Tiere lagerten daraufhin innerhalb von drei Wochen doppelt so viel Fett an, wie eine Vergleichsgruppe von Mäusen, denen keine Stresshormone verabreicht wurden. Alle Mäuse erhielten während der Studie die gleiche Ernährung.
Stress kann dramatische Auswirkungen auf den Stoffwechsel haben
„Wenn man die Tiere zum falschen Zeitpunkt stresst, hat das dramatische Auswirkungen“, bestätigt Dr. Teruel. Ihr zufolge fressen die Mäuse nicht anders, aber dennoch findet eine große Veränderung im Stoffwechsel statt, der zu einer Gewichtszunahme führt.
Ohne Stress normalisierte sich der Stoffwechsel
Nachdem die Gabe der Stresshormone beendet wurde, normalisierte sich der Stoffwechsel der Tiere schnell wieder. „Das zeigt, dass die Tiere eine Zeit lang mit chronischem Stress fertig werden können“, betont die Wissenschaftlerin.
Stoffwechselprozesse im Detail nachvollzogen
In der Folgestudie konnten die Forschenden wichtige Stoffwechselprozesse mithilfe von fluoreszierenden Proteinen verfolgen. Dabei offenbarten sich vom Tagesrhythmus abhängige Schwankungen bei der Proteinausschüttung.
Während Ruhephasen kam es zu einem schnellen Anstieg eines Proteins, dass Fettzellen-Vorläuferzellen zu Fettzellen werden lässt. „Die Entscheidung, eine Fettzelle zu werden, wird innerhalb von vier Stunden getroffen“, erklärt Dr. Teruel. Ihr zufolge passiert dies jedoch nur zu einer bestimmten Tageszeit.
Insgesamt legen die Ergebnisse nahe, dass die Ausschüttung der Proteine, die Fettzellen entstehen lassen, durch die zirkadiane Uhr gesteuert werden und dass Stress dieses natürliche Gleichgewicht stören kann.
Störung des zirkadianen Rhythmus als Ursache für Übergewicht
Der Körper besitzt zwar Schutzmechanismen, mit denen Stress-Zustände über einen kurzen Zeitraum hinweg abgefangen werden können. Eine dauerhafte Störung des zirkadianen Rhythmus könnte jedoch die Ursache für starke Gewichtszunahmen sein.
„Jede Zelle in unserem Körper hat eine eigene Zelluhr, genau wie die Fettzellen, und wir haben eine Hauptuhr in unserem Gehirn, die die Hormonsekretion steuert“, resümiert die Studienautorin. In weiteren Arbeiten will die Arbeitsgruppe nun herausfinden, wie die einzelnen Uhren der Zellen mit der Hauptuhr des Körpers synchronisiert werden können. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Weill Cornell Medicine: Circadian Clocks Play a Key Role in Fat Cell Growth (veröffentlicht: 08.08.2022), news.weill.cornell.edu
- Zhi-Bo Zhang, Zahra Bahrami-Nejad, Mary N. Teruel, et al.: The circadian clock mediates daily bursts of cell differentiation by periodically restricting cell-differentiation commitment; in: PNAS (2022), pnas.org
- Stefan Tholen Roma PatelMary N. Teruel, et al.: Flattening of circadian glucocorticoid oscillations drives acute hyperinsulinemia and adipocyte hypertrophy; in: Cell Reports (2022-9, cell.com
Wichtiger Hinweis:
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