Steatohepatitis: Wenn Killerzellen Amok laufen
Fettleber ist die häufigste Lebererkrankung in Deutschland. Rund jeder dritte Erwachsene hat eine durch Fetteinlagerungen vergrößerte Leber – Tendenz steigend. Ein deutsches Forschungsteam fand nun heraus, dass das eigene Immunsystem bei einer vorliegenden Fettleberentzündung damit beginnt, die Leber zu zerstören.
Forschende der Technischen Universität München (TUM) zeigten nun, dass auto-aggressive Zellen des Immunsystems für die Zerstörung der Leber verantwortlich sind. Die Ergebnisse wurden in dem renommierten Fachjournal „Nature“ vorgestellt.
Schädigender Mechanismus bei Steatohepatitis entschlüsselt
Die Fettleber ist die Vorstufe der Fettleber-Hepatitis (medizinisch: Steatohepatitis). Bislang war unklar, warum die Leber im Rahmen einer Steatohepatitis zunehmend Schaden nimmt, da keine direkten Viren, Bakterien oder sonstige Erreger hier eine Rolle spielen.
Die Fettleber-Hepatitis kann zu schweren Leberschäden und Leberkrebs führen. Die Arbeitsgruppe der TUM um Professor Percy Knolle fand nun erstmals heraus, wie diese Schäden entstehen und legt so den Grundstein für neue Therapie- und Diagnoseansätze.
Killerzellen vernichten wahllos Zellen der Leber
Ausgerechnet unser eigenes Immunsystem, welches uns vor Erregern schützen soll, ist für die Zerstörung der Leber verantwortlich. Vor allem sogenannte Killer CD8 T-Zellen spielen hierbei eine entscheidende Rolle.
Diese Immunzellen erkennen infizierte Körperzellen spezifisch und eliminieren sie. Wie die Forschenden entschlüsselten, geht den CD8 T-Zellen diese Fähigkeit zum spezifischen Ausschalten jedoch verloren, wenn eine Steatohepatitis vorliegt.
„Wir haben entdeckt, dass die Immunzellen in der Fettleber-Hepatitis nicht durch bestimmte Erreger, sondern durch metabolische Signale aktiviert werden“, erklärt Studienerstautor Michael Dudek. Als Folge vernichten die Killerzellen des Immunsystems wahllos Zellen der Leber.
Ungünstige Kombination schaltet Killerzellen scharf
Die Arbeitsgruppe entdeckte einen bislang unbekannten Mechanismus zur Aktivierung von Immunzellen. Durch eine bestimmte Reihenfolge von Entzündungssignalen und Fettstoffwechsel-Produkten beginnen die Killerzellen wahllos mit der Zerstörung von Lebergewebe.
„Ähnlich wie bei der Eingabe eines Sicherheitscodes zum Öffnen eines Safes werden die T-Zellen erst durch die definierte Sequenz an Aktivierungs-Signalen scharfgeschaltet“, erläutert Forschungsleiter Knolle.
Killerzellen reagieren auf überschüssiges ATP
Der Studie zufolge beginnt alles mit dem eigentlich harmlosen Metaboliten Adenosintriphosphat (ATP). Dieser Energieträger ist die universelle Speicherform für chemische Energie in Zellen.
Bereits im Jahr 2019 fanden Forschende des Helmholtz Zentrums München heraus, dass eine Fettleber mit einer Störung des Energiestoffwechsels verbunden ist, wodurch es zu einer vermehrten Energiespeicherung in der Leber kommt (siehe Artikel: Fettleber: Neue Auslöser und Behandlungsmöglichkeit entdeckt).
Befindet sich ATP außerhalb von Gewebezellen, reagieren die CD8 T-Zellen auf den Energieträger und beginnen damit, Zellen in ihrer Umgebung zu zerstören. Laut der aktuellen Studie ist dies die Ursache dafür, dass aus einer Fettleber eine Fettleber-Hepatitis entsteht.
Fettleber-Hepatitis ist keine Autoimmunerkrankung
Die Forschenden weisen darauf hin, dass man jedoch nicht von einer Autoimmunerkrankung sprechen kann, da sich der entdeckte Mechanismus von herkömmlichen Autoimmunerkrankungen unterscheidet.
Während bei Autoimmunerkrankungen gezielt bestimmte Körperzellen angegriffen werden, löst das ATP bei den T-Zellen einen auto-agressiven Zustand aus, bei dem wahllos Zellen in der Umgebung zerstört werden.
Grundlage für heilende Behandlungen
Da der Auslöser der Fettleber-Hepatitis bekannt ist, kann nun erstmals über direkte therapeutische Gegenmaßnahmen nachgedacht werden. Bislang bestand die einzige Behandlungsmöglichkeit in der Reduzierung von Risikofaktoren wie Übergewicht und ungesunder Ernährung mit zu viel Fett und Zucker.
„Die zerstörerische auto-aggressive Form der Immunantwort lässt sich klar trennen von der schützenden T-Zell-Immunantwort gegen Viren und Bakterien“, resümiert Knolle. Er hält es für möglich, eine Therapie zu entwickeln, mit der die Zerstörung des Gewebes verhindert werden kann. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Technische Universität München: Wie aktivierte T-Zellen die Leber zerstören (veröffentlicht: 24.03.2021), tum.de
- P. A. Knolle,et al.: Auto-aggressive CXCR6+ CD8 T cells cause liver immune pathology in NASH; Nature, 2021, nature.com
- Susanne Seitz, Yun Kwon, Götz Hartleben, et al.: Hepatic Rab24 controls blood glucose homeostasis via improving mitochondrial plasticity, Nature Metabolism, 2019,, nature.com
- Deutsche Leberstiftung: Fettleberentzündung (Steatohepatitis) – häufigste Lebererkrankung in Deutschland (Stand: 15.05.2020), deutsche-leberstiftung.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.