Fettsteuer auf Lebensmittel soll vor chronischen Erkrankungen schützen
13.11.2014
Mehr als jeder zweite deutsche Erwachsene ist Experten zufolge übergewichtig oder sogar fettleibig. Übergewicht und insbesondere Adipositas sind Risikofaktoren für Folgeerkrankungen wie Diabetes, Herzinfarkt und Krebs. Kein Wunder, dass hier die Patientenzahlen ebenfalls stetig ansteigen. Experten sprechen von einem „Tsunami der chronischen Krankheiten“, gegen den dringend etwas getan werden müsse. Die Deutsche Allianz gegen Nichtübertragbare Krankheiten (NCD Allianz) fordert deshalb die Einführung einer Zucker- und Fettsteuer auf ungesunde Lebensmittel.
Fettsteuer soll ungesunde Lebensmittel unattraktiv für Verbraucher machen
Gesundheitsexperten sind sich schon lange einig: Um chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder Herzinfarkt vorzubeugen, reichen Appelle an die Bevölkerung hinsichtlich eines gesunden Lebensstils nicht aus. Zu groß ist die Verlockung ungesunder Lebensmittel, die von der Lebensmittelindustrie häufig sogar als „wertvoll“ oder „als Bestandteil einer ausgewogenen Mahlzeit“ bezeichnet werden. Deshalb fordern Gesundheitsexperten jetzt die Einführung einer Fettsteuer, die ungesunde Lebensmittel teurer machen soll. Gleichzeitig soll der Preis von gesunden Produkten sinken. Dahinter steckt der Gedanke, dass sich Verbraucher beim Einkaufen stark vom Preis beeinflussen lassen. Denn die meisten Deutschen essen deutlich mehr Zucker und Fett als ihnen gut tut.
Da überrascht es nicht, dass über die Hälfte der Erwachsenen und fünfzehn Prozent der Drei- bis Siebzehnjährigen in Deutschland übergewichtig sind. Knapp 25 Prozent der Erwachsenen und sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen sind sogar adipös. „Sie haben ein hohes Risiko, in der Folge ihres Übergewichts auch an Diabetes, Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall, Bluthochdruck oder Atemwegsleiden zu erkranken“, klärt die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) in einer Mitteilung auf. „In Europa verursachen diese chronischen Krankheiten bereits 86 Prozent der vorzeitigen Todesfälle und 77 Prozent der Krankheitslast.“ Das führe nicht nur zu großem Leid, auch die Gesundheitssysteme würden mit Kosten in mehrstelliger Milliardenhöhe belastet.
Fettsteuer wurde bereits in anderen europäischen Ländern erfolgreich eingeführt
Die NCD Allianz, ein Zusammenschluss von 16 medizinischen Fachgesellschaften und Forschungsorganisationen, fordert Bund und Länder auf, möglichst schnell wirkungsvolle Maßnahmen einzuleiten. „Es gibt hunderte von Präventionsangeboten in Deutschland. Sie haben den Tsunami der chronischen Krankheiten nicht aufhalten können. Appelle an die Vernunft des Einzelnen sind gescheitert“, erklärt Dr. Dietrich Garlichs, Sprecher der Allianz und Geschäftsführer der DDG. „Wir müssen wegkommen von der bisherigen ‚Projektitis‘ hin zu Strukturlösungen, die einen gesunden Lebensstil fördern.“ Die Allianz hat deshalb ein Vier-Punkte-Programm erarbeitet, mit dem auch bildungsferne Schichten erreicht werden sollen. Diese Zielgruppe sei besonders stark von chronischen Erkrankungen betroffen, aber von den bisherigen Angeboten meist nicht erreicht worden, teilt die DDG mit.
Wie Garlichs im Gespräch mit der Online-Ausgabe der „Berliner Morgenpost“ erläutert, sei die Einführung der Fettsteuer politisch ein heikles Thema. „Wir haben in den letzten Jahren immer wieder Bundestagsabgeordnete auf das Thema angesprochen. Die wollten sich an so einem Thema aber nicht die Finger verbrennen." Inzwischen sei aber selbst der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses von der Idee überzeugt.
In anderen Ländern wurde die Fettsteuer bereits eingeführt. Dazu gehören unter anderem Frankreich, Ungarn und Dänemark. Der NCD Allianz zufolge ist der Konsum fetthaltiger Lebensmittel in Dänemark seit Einführung der Steuer um zehn bis 20 Prozent zurückgegangen. Bei der Einführung der erhöhten Tabaksteuer hat sich bereits gezeigt, dass höhere Preise Verbraucher abschrecken. Während zwischen 1997 und 2001 noch 28 Prozent der Jugendlichen geraucht haben, konnten 2012 nur noch zwölf Prozent nicht auf den Nikotinkonsum verzichten. „Die deutlich erhöhte Tabaksteuer hat ganz wesentlich dazu beigetragen", erklärte Berthold Jany, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, gegenüber dem Blatt.
Mit Fettsteuer, Bewegung, Verbot von an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung und gesunder Kita- und Schulverpflegung Übergewicht vorbeugen
Neben der Einführung einer Fettsteuer beinhaltet das Vier-Punkte-Programm der NCD Allianz auch „täglich mindestens eine Stunde Bewegung (Sport) in Kita und Schule“, die Einführung verbindlicher Qualitätsstandards für Kita- und Schulverpflegung sowie ein Verbot von an Kinder gerichteter Lebensmittelwerbung.
Dr. Eckart von Hirschhausen, Mediziner, Moderator und Komiker, unterstützt das Anliegen der Allianz. „In Kindergärten und Schulen entscheidet sich für das Leben, ob man seinen Körper verstehen und lieben lernt. Und weil ein gesundes Selbstvertrauen, Neugier und Freude die besten Garanten für ein glückliches und gesundes Leben sind, ist es höchste Zeit, dass die Mediziner, Pädagogen und Erzieher moderne und praxiserprobte Konzepte an die Hand bekommen“, so der ehemaliger Arzt der Kinderklinik der Freien Universität Berlin. (ag)
Bild: lichtkunst.73 / pixelio.de
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