Europäische Jugendliche ernähren sich ungesund
21.07.2011
Die meisten europäischen Jugendlichen ernähren sich extrem ungesund. Wenig Obst und Gemüse, dafür viel Fleisch und Süßigkeiten bestimmen bei einem Großteil der Heranwachsenden die täglichen Essgewohnheiten, so das Ergebnis der sogenannten HELENA (Healthy Lifestyle in Europe by Nutrition in Adolescents) Studie.
Mit dem Ziel langfristig die Gesundheit der Heranwachsenden in Europa zu verbessern, haben die Wissenschaftler im Rahmen der HELENA-Studie an 26 Forschungsstandorten in zehn verschiedenen europäischen Ländern die Nahrungsaufnahme, das Ernährungswissen und das Essverhalten von Jugendlichen untersucht. Neben den Ernährungsgewohnheiten und -vorlieben wurden den Angaben der Forscher zufolge der Vitamin-Status, die Immunfunktion im Zusammenhang mit dem Ernährungszustand sowie die körperliche Aktivität und Fitness der Heranwachsenden im Alter zwischen 13 und Jahren genauer unter die Lupe genommen. Das Ergebnis wirft dabei kein gutes Licht auf den Lebensstil der europäischen Jugendlichen.
Ursprung von Krankheiten in der Kindheit und Jugend
Laut Aussage der Forscher haben die „meisten Krankheiten ihren Ursprung in der Kindheit und Jugend“, wobei auch der Grundstein für ungesunde Ernährungsgewohnheiten oft schon in den Jugendjahren gelegt wird. Diese können ihrerseits weitere gesundheitliche Beschwerden im späteren Lebensverlauf bedingen. Wie die Ernährungsgewohnheiten der europäischen Jugendlichen aussehen und wie es um das gesundheitliche Befinden der Heranwachsenden steht, haben 26 Wissenschaftlerteams an Forschungsstandorten in Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Österreich, Schweden, Spanien und Ungarn analysiert. Die an den Untersuchungen beteiligten Ärzte, Biochemiker, Ernährungswissenschaftler, Epidemiologen, Sport- und Sozialwissenschaftler stellten dabei fest, dass ein Drittel der europäischen Jungen und jedes fünfte Mädchen im Alter von 13 bis 16 Jahre als übergewichtig (Body-Mass-Index zwischen 25 und 30) zu beurteilen sind. Sechs Prozent der europäischen Jugendlichen sind sogar adipös (fettsüchtig), so das Ergebnis der HELENA-Studie.
Jugendliche konsumieren zu viel Fleisch und Süßigkeiten
Ein Blick auf die Ernährungsgewohnheiten der meisten europäischen Jugendlichen offenbart auch, warum viele von ihnen mit Gewichtsproblemen zu kämpfen haben, berichten die Forscher. Denn lediglich etwas mehr als zwölf Prozent der Jungen und rund 16 Prozent der Mädchen nehmen täglich die empfohlene Menge an Obst und Gemüse zu sich. Stattdessen werden Fleisch und Süßigkeiten im Übermaß konsumiert. Der HELENA-Studie zufolge essen die europäischen Jugendlichen durchschnittlich 100 Gramm Gemüse, 125 Gramm Obst, 160 Gramm Fleisch, 20 Gramm Fisch, 55 Gramm süße Backwaren und 25 Gramm Schokolade pro Tag. Getrunken werden 0,73 Liter Wasser und 0,31 Liter Softdrinks, berichten die Forscher. Insgesamt kommen die europäischen Jugendlichen am Tag auf 2300 bis 3300 Kilokalorien, was auch bei einem Körper im Wachstum auf Dauer zur Bildung von Fettpolstern führe, so das Ergebnis der HELENA-Studie. Auch sei der Verzehr von Wurst und Fleisch deutlich höher, als aus gesundheitlichen Gesichtspunkten zu empfehlen wäre, erklärten die Forscher. Der aktuellen Untersuchung zufolge bestehen durchschnittlich lediglich sieben Prozent der Nahrung europäischer Jugendlicher aus pflanzlicher Kost.
Übermäßiger Alkoholkonsum unter europäischen Jugendlichen
Neben dem übermäßigen Verzehr von Fleisch und Süßigkeiten bereitet den Forschern vor allem der Alkoholkonsum unter den Jugendlichen Sorge. Während sich die Heranwachsenden bei gesunden Nahrungsmitteln oft eher zurückhalten, schlagen sie bei den alkoholischen Getränken richtig zu. Ein Fünftel der täglichen Flüssigkeitsaufnahme europäischer Jugendlicher enthalte Alkohol, so das Ergebnis der HELENA-Studie. Am meisten Alkohol trinken dabei die österreichischen Jugendlichen, die mit mit einem halben Liter Bier beziehungsweise einem viertel Liter Wein rund doppelt so viel alkoholische Getränke zu sich nehmen, wie die Heranwachsenden in den anderen europäischen Staaten. Auch die Vorliebe für Süßigkeiten sei bei den österreichischen Teenagern besonders ausgeprägt, berichten die Forscher.
Mangelndes Wissen über gesunde Ernährung
Bei den Untersuchungen zum Essverhalten und zur Gestaltung der Mahlzeiten stellten die Forscher zahlreiche Gemeinsamkeiten in den unterschiedlichen europäischen Staaten fest. So werden zum Beispiel in den meisten europäischen Ländern drei Hauptmahlzeiten und mehrere Zwischenmahlzeiten gehalten. Lediglich die Spanier bilden mit ihren fünf Hauptmahlzeiten pro Tag im Rahmen der HELENA-Studie eine einsame Ausnahme. Auffällig war nach Ansicht der Wissenschaftler auch, dass die meisten europäischen Jugendlichen auf die Frage zu ihren Nahrungsmittelvorlieben angaben, dass gesundes Essen langweilig und nicht besonders schmackhaft sei. Auch zeigte sich ein Großteil der Heranwachsenden davon überzeugt, dass die gesunden Nahrungsmittel den Hunger nicht ausreichend stillen, zu teuer seien und deren Zubereitung zu viel Zeit in Anspruch nehme. Anscheinend bestehen erhebliche Wissenslücken in Bezug auf eine gesundheitsfördernde Ernährung, so das Fazit der Wissenschaftler. Zwar ist den Jugendlichen die Bedeutung der Ernährung für die Gesundheit durchaus bewusst, doch ihnen fehlt das Wissen für eine Umsetzung und der Magen entscheide häufig anders als der Kopf.
Sport als Ausgleich der ungesunden Ernährungsgewohnheiten
Insgesamt stehen die Mädchen in Bezug auf das Wissen über gesunde Ernährungsgewohnheiten deutlich besser da als Jungs. Doch auch bei den Mädchen sehen die Forscher erhebliche Defizite. Generell hätten die Jugendlichen mit höherem Körpergewicht relativ wenig Wissen über gesunde Ernährung. Den Heranwachsenden ist ihr eigenes Fehlverhalten jedoch offenbar kaum bewusst, denn 85 Prozent von ihnen glauben, sich gesund zu ernähren, so das Ergebnis der HELENA-Studie. 36 Prozent der Jugendlichen waren der Ansicht, sich zumindest nicht ungesund zu ernähren und lediglich fünf Prozent gestanden ein, eher ungesunden Ernährungsgewohnheiten nachzugehen, berichten die Forscher. Einen leichten Lichtblick sahen die Wissenschaftler indes bei den sportlichen Aktivitäten der Heranwachsenden. Denn knapp 50 Prozent der männliche Teenager und ein Drittel der Mädchen bewegen sich den Angaben der HELENA-Studie zufolge täglich mindestens 60 Minuten. So können einige Defizite der ungesunden Ernährung möglicherweise über die gesundheitsfördernde Wirkung des Sports ausgeglichen werden. Insgesamt beurteilen die Experten den Gesundheitszustand und die Ernährungsgewohnheiten der europäischen Jugendlichen jedoch äußerst kritisch. Allerdings biete die HELENA-Studie eine gute Grundlage, um jetzt innovative Strategien für ein gesünderes Verhalten der Jugendlichen zu entwickeln und anschließend europaweit harmonisierte Ernährungsempfehlungen auszusprechen, erklärten die Wissenschaftler bei Vorstellung ihrer aktuellen Untersuchungsergebnisse.
Langfristige gesundheitliche Beeinträchtigungen durch ungesunde Ernährung
Die in der HELENA-Studie dargestellten ungesunden Ernährungsgewohnheiten der Jugendlichen sind besonders bedenklich, da mit ihnen erhebliche negative Folgen für die Gesundheit einhergehen können. In früheren Studien wurden bereits die unterschiedlichsten gesundheitlichen Konsequenzen der ungesunden Ernährung thematisiert. So stellten die amerikanische Wissenschaftler um Antonio Convit vom Nathan Kline Institut für Psychiatrieforschung in New York Anfang des Jahres die Ergebnisse zweier unabhängiger Studien vor, die belegen, dass falsche Ernährung im Zusammenspiel mit Übergewicht ganze Hirnregionen schrumpfen lassen und damit weitere Störungen im Essverhalten verursachen kann. Darüber hinaus hatte der pädiatrische Gastroenterologe Paolo Lionetti von der Universität Florenz bereits im August des vergangenen Jahres eine Studie vorgelegt, nach der die Ernährungsgewohnheiten in den Industrienationen das Risiko von Allergien deutlich erhöhen. Auch wurde bereits mehrfach ein erhöhtes Diabetes- und Adipositas-Risiko bei ungesunden Ernährungsgewohnheiten wissenschaftlich belegt. Die Ergebnisse der HELENA-Studie sollten daher nach Ansicht der Forscher auch als Aufruf verstanden werden, um geeignete Maßnahmen zu entwickeln, mit denen langfristig eine gesündere Ernährung der Jugendlichen erreicht werden kann. (fp)
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Bildnachweis: Dieter Schütz / pixelio.de
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