Flüchtlinge: Patienten zweiter Klasse
09.12.2014
Flüchtlinge, die aus Not und Elend geflohen sind und in Deutschland Zuflucht suchten, haben hierzulande nur Anspruch auf minimale Gesundheitsversorgung. Nur akut erkrankte Asylsuchende dürfen zum Arzt. Besonders die mangelnde psychotherapeutische Behandlung für Flüchtlinge ist dramatisch, vor allem wenn man bedenkt, dass viele von ihnen durch die Vorkommnisse in ihren Heimatländern traumatisiert sind.
Asylsuchende nicht in Gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen
Am Donnerstag wird es beim Treffen der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht nur um die Zukunft des Länderfinanzausgleichs, sondern auch um die finanziellen Nöte der Länder bei der Aufnahme von Flüchtlingen gehen, berichtet die „Frankfurter Rundschau“ (FR). Demnach mussten die Länder die Hoffnung, dass der Bund dauerhaft die Kosten für die Gesundheitsversorgung der Asylbewerber übernimmt, bereits aufgeben. Ärztekammern, Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Flüchtlingsorganisationen hatten vergeblich darauf gedrängt, dass Asylsuchende in die Gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden.
Leistungen auf Akut-Behandlung beschränkt
Trotz Reform sieht das Asylbewerberleistungsgesetz vor, dass medizinische Leistungen wie bisher von den Sozialämtern erbracht werden und weiterhin nur bei akuter oder schmerzhafter Erkrankung ein Anspruch besteht. Die einzige Verbesserung sei, dass geprüft werden soll, ob die Gesundheitskarte aus den Stadtstaaten, mit denen Flüchtlinge direkt zum Arzt gehen können, auch für die Flächenländer infrage kommt. Die medizinischen Leistungen bleiben dennoch auf die Akut-Behandlung beschränkt.
Menschenrechtlerin kritisiert Diskriminierung
Der FR zufolge ist dies für Claudia Mahler vom Deutschen Institut für Menschenrechte eine menschenrechtswidrige Behandlung von Flüchtlingen. Am Montag kritisierte sie in Berlin, dass die medizinische Versorgung nicht vom Aufenthaltsstatus abhängig gemacht werden dürfe. Diese diskriminierende Regelung habe bereits zum Tod von Asylsuchenden geführt. Die Menschenrechtlerin erinnerte an dramatische Schicksale von Flüchtlingen, denen erst nach mehreren Anläufen medizinische Hilfe geleistet wurde beziehungsweise die von Krankenhäusern abgewiesen wurden, da wegen fehlendem Krankenschein unklar war, wer für die Kostenerstattung verantwortlich ist.
Einjährigem Jungen Hilfe verweigert
Vor wenigen Monaten sorgte ein Gerichtsurteil im Fall eines kleinen Jungen aus Serbien für großes Aufsehen. Für den kleinen Leonardo wäre im Dezember 2011 beinahe jede lebensrettende Hilfe zu spät gekommen. In der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAE) im mittelfränkischen Zirndorf war dem damals einjährigen schwerkranken Jungen Hilfe verweigert worden. Als die Pförtner von den Eltern gebeten wurden, für ihren offensichtlich kranken Sohn einen Notarzt zu rufen, wurde dem nicht nachgekommen, sondern der Vater darauf hingewiesen, zuerst einen Krankenschein zu besorgen. Der Richter, der drei Mitarbeiter des Aufnahmelagers zu Geldstrafen verurteilte, sprach von herzlosem Verhalten, zu dem ihm nichts mehr einfalle.
Kranke Flüchtlinge müssen wegen Krankenschein zum Sozialamt
Kranke Asylsuchende müssen nach der derzeitigen Regelung in Akutsituationen erst zum Sozialamt, um einen Krankenschein für eine Arzt-Behandlung zu bekommen. Zudem müssen Flüchtlinge in manchen Städten dann noch zu einem Amtsarzt, bevor sie schließlich an einen Facharzt überwiesen werden. Wie der Flüchtlingsrat kürzlich kritisierte, würden in Berlin unaufschiebbare Operationen, zwingend notwendige Anschlussbehandlungen nach OPs sowie unabweisbare Hilfsmittel für Behinderte unter Hinweis auf amtsärztliche Prüfverfahren über Monate hinweg verweigert.
Mangelnde psychotherapeutische Behandlung
Wie die FR berichtet, ist die mangelnde psychotherapeutische Behandlung für Flüchtlinge besonders dramatisch. So seien Sebastian Ludwig von der Diakonie zufolge 60 Prozent der Asylsuchenden durch die Erlebnisse in ihrer Heimat und Gewalterfahrungen während der Flucht traumatisiert. Es gebe bundesweit aber lediglich 30 psychosoziale Zentren mit je zwei Mitarbeitern. Ludwig sagte: „Die Wartelisten für Therapieplätze sind inzwischen deutlich länger als ein Jahr.“ Weder er noch Mahler haben Hoffnung, dass das Thema Gesundheitsversorgung der Asylbewerber beim Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten eine größere Rolle spielen wird. Lediglich durch die anstehende Umsetzung einer EU-Richtlinie verspricht sich Mahler eine leichte Verbesserung. In der wird für bestimmte Gruppen von Flüchtlingen, wie Behinderte, Frauen und Kinder, eine bessere medizinische Versorgung gefordert. (ad)
Bild: Initiative Echte Soziale Marktwirtschaft (IESM) / pixelio.de
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