Wissenschaftler beeinflussen den Alterungsprozess durch Genblockade
„Wie werden wir eigentlich alt?“ Auf diese Frage konnte die Wissenschaft bislang keine eindeutige Antwort geben. Doch nun hat ein Team aus schweizerischen und deutschen Forschern neue, interessante Erkenntnisse gewonnen. Demnach stellte sich beim Screening der Genome dreier Modellorganismen das „bcat-1-Gen“ als besonders einflussreich, heraus. Denn wird dieses blockiert, nahm die mittlere Lebensspanne der Versuchstiere zu. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher in der Fachzeitschrift „Nature Communications“.
Altern schon immer ein interessantes Thema
Mit der Frage, wie genau der Alterungsprozess vor sich geht, beschäftigt sich die Menschheit bereits seit Jahrhunderten – in der Hoffnung, dadurch ein „Geheimrezept“ für eine ewige Jugend und Gesundheit zu entwickeln. Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und eines Forschungskonsortiums in Jena („JenAge“) könnten nun eine wichtige Antwort gefunden haben. Denn laut einer aktuellen Mitteilung der ETH ist es den Wissenschaftlern gelungen, in einem „Heuhaufen“ von 40.000 Genen dreier verschiedener Organismen solche Gene ausfindig zu machen, die am körperlichen Altern beteiligt sind.
Wie die Universität berichtet, hatten die Forscher die Genome von drei unterschiedlichen Organismen systematisch nach Genen durchsucht, die im Zusammenhang mit dem Alterungsprozess stehen sowie in allen drei Arten vorkommen – und dementsprechend von einem gemeinsamen Vorläufer abstammen. Um diese so genannten „orthologen Gene“ – die alle auch im Menschen vorkommen – aufzuspüren, führten die Forscher ein Screening von rund 40.000 Genen des Fadenwurms „Caenorhabditis elegans“ (kurz: C. Elegans), des Zebrafisches und der Maus durch. Ziel war es, herausfinden, welche Gene bei allen drei Organismen in den vier vergleichbaren Altersstadien „jung“, „erwachsen“, „mittelalt“ und „alt“ die gleiche Aktivität zeigten und dementsprechend gleichermaßen entweder altersabhängig hoch- oder herunterreguliert werden.
Organismen haben nur 30 Gene gemeinsam
Um die Gen-Aktivität zu messen, nutzen die Forscher die Menge an Boten-RNS-Molekülen, die sie in den Zellen dieser Tiere fanden. Die Boten-RNS (englisch: mRNA) bringt die genetische Information aus dem Zellkern an den Ort in der Zelle, wo die Proteine gebildet werden („Ribosomen“). Liegen viele Kopien einer Boten-RNS eines bestimmten Gens vor, sei dieses sehr aktiv und das Gen dementsprechend „hochreguliert“, erläutert der Hauptautor der Studie, Professor Michael Ristow von der ETH Zürich. Wenige RNS-Kopien würden demnach hingegen auf eine geringe Aktivität und dementsprechend auf ein „herunterreguliertes“ Gen hindeuten.
Aus den gewonnenen Informationen sei dann anhand statistischer Modelle eine Schnittmenge von Genen gebildet worden, die bei allen drei Tieren vergleichbar reguliert waren, teilt die Uni mit. Es zeigte sich, dass die drei Organismen lediglich 30 Gene gemeinsam hatten, welche ausschlaggebend am Alterungsprozess beteiligt sind. Indem die Forscher die Boten-RNA der entsprechenden Gene teilweise blockierten, konnten sie schließlich am Beispiel des Fadenwurms erklären, wie diese auf den Alterungsprozess wirken.
Bei einem Dutzend dieser Gene führte die Blockierung zu einer Verlängerung des Lebens um mindestens fünf Prozent, wobei sich das bcat-1-Gen als besonders einflussreich herausstellte. „Blockierten wir die Wirkung dieses Gens, nahm die mittlere Lebensspanne des Fadenwurms markant zu, und zwar um bis zu 25 Prozent“, erläutert Prof. Ristow weiter.
Fadenwürmer bleiben länger vital
Den Angaben der Uni zufolge, gelang es den Forschern zudem, den Wirkmechanismus des bcat-1-Gens aufklären. Demnach trage es den Code für das gleichnamige Enzym, welches bestimmte natürlich in der Nahrung vorkommende Eiweißbausteine (Aminosäuren) wie beispielsweise L-Leucin, L-Isoleucin und L-Valin abbaut. Blockierten die Wissenschaftler die Aktivität des bcat-1-Gens, kam es zu einer Anreicherung dieser Aminosäuren im Gewebe, wodurch eine molekulare Signalkaskade in Gang gesetzt wurde, die sich wiederum beim Fadenwurm positiv auf die Lebenszeit auswirkte. Doch nicht nur das, denn zusätzlich verlängerte sich auch die Zeit, in der die Würmer gesund blieben, so die Mitteilung. Dies maßen die Forscher anhand der Anreicherung von altersbedingten Pigmenten, der Fortbewegungsgeschwindigkeit und der Häufigkeit der erfolgreichen Fortpflanzung – denn in allen Bereichen setzte durch die Hemmung des bcat-1-Gens eine Verbesserung ein.
Gleicher Mechanismus laufe auch beim Menschen ab
Laut Ristow könne davon ausgegangen werden, dass diese Erkenntnisse nicht nur für die untersuchten Organismen gelten: „Wir haben ausschließlich die Gene gesucht, die evolutionär konserviert sind und deshalb in allen Organismen vorkommen, auch beim Menschen“, sagt er. Die Auswirkungen auf den Menschen hätten zwar in der aktuellen Untersuchung noch nicht im Fokus gestanden, doch eine Folgestudie sei bereits in Arbeit. „Allerdings können wir dabei aus offensichtlichen Gründen die Lebenserwartung beim Menschen nicht messen“, so der ETH-Professor. Stattdessen würden die Forscher planen, auf verschiedene Gesundheitsparameter wie den Cholesterinwert oder den Blutzuckerspiegel zurückzugreifen, um Aussagen über den Gesundheitsstatus der Probanden treffen zu können.
Phase des gesunden Lebens ausdehnen
Laut Ristow würden die mehrfach verzweigten Aminosäuren bereits heute bei Leberschäden therapeutisch eingesetzt und seien zudem Bestandteil von Sportlernahrung: „Das Thema ist jedoch nicht, dass Menschen noch älter werden, sondern länger gesund bleiben“, sagt der Internist. Denn im Hinblick auf den demografischen Wandel und die immer älter werdende Gesellschaft käme es nicht darauf an, ein immer höheres, aber von chronischen Krankheiten geprägtes Lebensalter zu erreichen.
Die aktuelle Untersuchung liefere jedoch wichtige Hinweise darauf, wie zukünftig das Altern beeinflusst und dadurch altersbedingte Erkrankungen wie z.B. Diabetes oder Bluthochdruck verhindert werden könnten. Dadurch könnte nicht nur die Lebensqualität älterer Menschen deutlich gesteigert werden, sondern auch der Kostenaufwand für die die medizinische Versorgung um mehr als die Hälfte reduziert werden, prognostizieren die Forscher. (nr)
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