Resistente Krankheitserreger: Forscher fürchten weltweit Millionen Tote
Die Zunahme von Antibiotika-Resistenzen stellt Mediziner vor eine immer größer werdende Herausforderung. Wirken solche Medikamente nicht mehr, können selbst kleine Entzündungen zu einem großen Risiko werden. Wenn das Problem nicht bald unter Kontrolle gebracht wird, droht Forschern zufolge ein Schreckensszenario.
„Globales Problem, das globale Lösungen verlangt“
Erst vor wenigen Monaten hat eine EU-Kommission vor massiv zunehmenden Antibiotika-Resistenzen gewarnt. Wie EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis damals erklärte, sterben in der EU jedes Jahr „rund 25.000 Menschen durch bakterielle Infektionen, die durch resistente Keime hervorgerufen worden sind. Die Gefahr sei dem Experten zufolge nicht auf Europa beschränkt, „sondern ein globales Problem, das globale Lösungen verlangt“. Nun haben britische Forscher zum weltweiten Kampf gegen resistente Keime aufgerufen.
Todeszahlen könnten sich verzehnfachen
Bereits jetzt sterben jährlich schätzungsweise 700.000 Menschen an Infektionen mit Krankheitserregern, gegen die keine Medikamente helfen. Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen könnte sich die Zahl bis 2050 mehr als verzehnfachen. Zu diesem Schluss kommt ein Bericht, den die Regierung Großbritanniens in Auftrag gegeben hat. Eine Studie der Berliner Charité die im Auftrag der grünen Bundestagsfraktion durchgeführt wurde, kam im vergangenen Jahr sogar zu der Befürchtung, dass es bis 2050 rund zehn Millionen Tote durch multiresistente Keime geben könne.
Besonderes Augenmerk auf multiresistente Bakterien
Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, geht es in dem aktuellen Bericht aus Großbritannien auch um Erreger wie HIV und die Malaria auslösenden Parasiten, die zum Teil gegen die verfügbaren Medikamente unempfindlich werden. Ein besonderes Augenmerk liegt jedoch auf multiresistenten Bakterien, die nicht mehr auf Antibiotika ansprechen. Falls Antibiotika durch die Resistenz ihre Wirksamkeit verlieren sollten, könnten wichtige medizinische Verfahren wie Kaiserschnitte, Transplantationen oder andere chirurgische Eingriffe zu gefährlich werden, schreiben die Forscher. Außerdem könnten nach ihrer Schätzung durch Infektionen durch resistente Keime bis zum Jahr 2050 Kosten von bis zu 90 Billionen Euro weltweit entstehen, es sei denn, es werde vorher gehandelt.
Gebrauch von Antibiotika weltweit einschränken
In einem Zehn-Punkte-Programm fordert das Forscherteam um den britischen Ökonomen Jim O’Neill unter anderem, den Gebrauch von Antibiotika in der Landwirtschaft weltweit einzuschränken und alle Resistenzen stärker zu überwachen. Darüber hinaus sei ein weltweiter Fonds zur Entwicklung neuer Antibiotika und ein globaler Bund im Kampf gegen Resistenzen nötig. Dieser könne mittels G20-Staaten und der Vereinten Nationen entstehen. Nicht zuletzt müssten die Diagnostik von Krankheiten verbessert und die Entwicklung von Impfstoffen gefördert werden. Womöglich könnte es auch helfen, sich stärker mit althergebrachten Behandlungsmethoden zu beschäftigen. So haben kanadische Wissenschaftler der University of British Columbia (UBC) vor kurzem im Fachjournal „mBio“ der American Society for Microbiology berichtet, dass natürliche Heilerde aus Kanada gegen multiresistente Keime wirkt. Der natürliche Ton aus der Kisameet Bucht zeige demnach eine „starke antibakterielle Aktivität gegen multiresistente Krankheitserreger“, so die Forscher.
Riesige Medikamenten-Mengen an Menschen und Tieren verschwendet
Wie es im aktuellen Bericht der Briten heißt, würden weltweit riesige Mengen von Antibiotika und anderer antimikrobieller Medikamente an Menschen und Tieren verschwendet, die diese nicht bräuchten. „Wir müssen auf verschiedenen Wegen auf der ganzen Welt darüber informieren, warum es entscheidend ist, dass wir aufhören, unsere Antibiotika wie Süßigkeiten zu behandeln“, erklärte O’Neill gegenüber der BBC. „Wenn wir das Problem nicht lösen, steuern wir auf das Mittelalter zu.“ In Deutschland müssen seit Monatsbeginn antibiotika-resistente Erreger umgehend gemeldet werden, sobald sie nachgewiesen werden. Zuvor wurden die Keime erst beim Krankheitsausbruch angezeigt. Von der Organisation Ärzte ohne Grenzen wurde der Bericht als ein „erster Schritt in die richtigen Richtung“ bezeichnet, der aber nicht ausreiche. Arzneimittel sollten für mehr Menschen bezahlbar werden. „Das derzeitige Innovationssystem trägt nicht zur Entwicklung und Bereitstellung der Impfstoffe, Diagnostika und Medikamente bei, die wir eigentlich bräuchten“, so Marco Alves, Medikamentenexperte der Organisation. „Und wenn es doch welche gibt, sind sie oft unbezahlbar oder für den Gebrauch in Entwicklungsländern nicht geeignet.“ (ad)
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