Forscher stellen fest: Paracetamol macht Menschen unsensibel
Wohl kaum ein anderes Medikament ist in deutschen Haushalten so oft zu finden, wie Paracetamol. In der Vergangenheit ist das Mittel oft wegen unerwünschten Nebenwirkungen in die Kritik geraten. Forscher haben nun eine weitere – bislang unbekannte – Wirkung festgestellt: Paracetamol schwächt unser Mitgefühl.
Bisher unbekannte Nebenwirkung von Paracetamol
Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, Fieber: Paracetamol ist eines der Schmerzmittel, die hierzulande am häufigsten zum Einsatz kommen. Das Medikament ist ohne Rezept in der Apotheke erhältlich und kostet nicht viel. Lange Zeit galt die Arznei als unbedenklich, doch Paracetamol ist gefährlicher als gedacht. Immer wieder weisen Forschungsergebnisse auf gesundheitsgefährdende Folgen des Wirkstoffes hin. So ist seit längerem bekannt, dass das Medikament bei zu hohen Dosen das Risiko für Magengeschwüre, Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen kann. Vor einigen Jahren war die Packungsgröße von Paracetamol begrenzt worden, da eine zu hohe Dosierung zu Leberversagen führen kann. Außerdem kann das Mittel dem ungeborenen Kind gefährlich werden, wie Studien zeigten. Forscher aus den USA haben nun eine weitere unerwünschte Nebenwirkung des Arzneimittels beobachtet: Paracetamol schwächt unser Mitgefühl für andere.
Weniger empfindsam für Schmerzen von anderen
Wie Jennifer Crocker und Baldwin M. Way von der Ohio State University und Dominik Mischkowski vom National Institute of Health in den USA im Fachmagazin „Social Cognitive and Affective Neuroscience“ berichten, macht Paracetamol Menschen weniger empfindsam für den Schmerz, den andere fühlen. Im Rahmen ihrer Studie verabreichten die Psychologen 40 von 80 Hochschul-Studenten ein Getränk, das 1.000 Milligramm Paracetamol enthielt. Eine Dosis, die auch in Deutschland ohne Rezept zu haben ist, wie die „Welt“ online berichtet. Die andere Hälfte der Teilnehmer bekam ein Getränk, das keinen Wirkstoff enthielt. Keiner der Probanden wusste, zu welcher Gruppe er gehörte. Eine Stunde nach Einnahme wurden die Studienteilnehmer gebeten, acht kurze Geschichten zu lesen, in denen jemand eine schmerzhafte Erfahrung machte, wie beispielsweise durch eine Schnittwunde oder den Verlust eines geliebten Menschen. Anschließend sollten sie auf einer Skala angeben, wie groß der Schmerz ihrer Ansicht nach sei, den die Personen in der jeweiligen Geschichte empfanden. Es zeigte sich, dass diejenigen, die Paracetamol bekommen hatten, die Schmerzen als weniger schlimm bewerteten als jene, die die Arznei nicht einnahmen.
Geräusche unter Medikamenteneinfluss weniger schlimm
Bei einem zweiten Versuch wurden 114 weitere Studenten in zwei Gruppen aufgeteilt, von denen wieder eine Paracetamol und die andere einen Placebo bekam. Alle Probanden bekamen ein sehr lautes Geräusch zu hören. Bei der anschließenden Befragung zeigte sich, dass die Studenten unter dem Einfluss des Schmerzmittels das Geräusch als weniger schlimm bewerteten. Zudem glaubten sie, dass es anderen auch so gehen würde. In einem weiteren Test ließen die Wissenschaftler die Probanden eine Videospielsequenz ansehen, in der eine Person aus einem Team ausgeschlossen wurde. Auf diese Weise überprüften sie, ob auch das Empfinden für eine sozial schmerzhafte Erfahrung eines anderen litt, wenn die Studienteilnehmer das Schmerzmittel eingenommen hatten. Auch mit dieser Vermutung lagen die Forscher richtig.
Psychische Nebenwirkungen bisher nur wenig beachtet
Die psychischen Nebenwirkungen von Paracetamol seien bisher nur wenig beachtet worden. „Es nimmt Menschen die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen.“ In einer Mitteilung der Ohio State University erklärte Way: „Wir wissen nicht, warum Paracetamol diese Auswirkungen hat, aber es ist besorgniserregend.“ Dass das Medikament nicht nur Schmerzen lindert sondern auch Auswirkungen auf die Psyche hat, zeigte auch eine Studie, die im vergangenen Jahr im Fachjournal „Psychological Science“ veröffentlicht wurde. Durch das Mittel werden demnach emotionale Reaktionen gedämpft. (ad)
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