Frühe Geburt wirkt sich offenbar prägend auf die Persönlichkeit aus
Zu früh geborene Babys starten oft sehr holprig ins Leben. Denn durch die unreifen Organe und Gefäße ist normalerweise eine intensivmedizinische Betreuung notwendig, die für die kleinen Menschen sehr kräftezehrend ist. Doch auch im späteren Leben erleben die ehemaligen „Frühchen“ häufiger Schwierigkeiten, indem sie sich z.B. im Umgang mit ihren Mitmenschen schwerer tun oder seltener einen gut bezahlten Job erreichen. Dies bestätigen nun die Ergebnisse einer Studie der Universität Warwick.
Infektionen und Diabetes erhöhen das Risiko für Frühgeburt
15 Millionen Babys werden jedes Jahr weltweit zu früh geboren. Dies geht aus dem „Global Action Report on Preterm Birth 2012“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hervor. Demnach ist eins von zehn Babys betroffen, wobei die in nahezu allen Ländern steigt. Für eine frühzeitige Geburt kommen eine Vielzahl von Gründe in Betracht, häufige Ursachen sind laut der WHO jedoch Mehrlingsschwangerschaften, Infektionen und chronischen Erkrankungen wie Diabetes und Bluthochdruck. Darüber hinaus können beispielsweise Schwangerschaftskomplikationen (Plazentainsuffizienz, Gestose etc.), Rauchen oder psychosoziale Faktoren wie chronischer Stress der Auslöser sein, in vielen Fällen lässt sich auch gar kein eindeutiger Grund finden.
Frühchen wiegen nur zwischen 500 und 2.500 Gramm
Von einer Frühgeburt wird dabei normalerweise gesprochen, wenn der Säuglings vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche (SSW) zur Welt kommt und damit weniger als 260 Tage im Mutterleib verbracht hat. Die so genannten Frühchen wiegen nur zwischen 500 und 2.500 Gramm und brauchen dementsprechend intensivmedizinische Unterstützung, z.B. in Form von künstlicher Beatmung und Ernährung. Der Start ins Leben ist für die kleinen Menschen demnach meist viel schwerer als für so genannte „reife“ Babys, und oft braucht es Wochen oder sogar Monate, bis die Kinder endlich nach Hause entlassen werden können.
Forscher werten Persönlichkeitseigenschaften von 200 Probanden aus
Doch damit hören die Probleme oft nicht auf. Stattdessen erleben zu früh geborene Kinder offenbar auch in späteren Lebensjahren häufiger schwierige Situationen und Rückschläge, indem sie z.B. geringere Bildungsabschlüsse erreichen oder schlechter bezahlten Berufen nachgehen. Dies berichten Forscher der englischen Universität Warwick aktuell in den „Archives of Disease in Childhood: Fetal and Neonatal Edition“ des „British Medical Journals“. Die Wissenschaftler um um den Psychologen Dieter Wolke hatten für die „bayrische Längsschnittstudie“ die Persönlichkeitseigenschaften von 200 Frauen und Männern ausgewertet und dabei unter anderem den Grad der Ängstlichkeit, Risikofreude und Aufgeschlossenheit erfasst.
Alle Probanden waren dabei zwischen 1985 und 1986 vor Ende der 32. Schwangerschaftswoche und/oder mit einem Gewicht von maximal 1,5 Kilogramm geboren worden. Zudem wurden knapp 200 Vergleichspersonen befragt, die zur gleichen Zeit „voll ausgereift“ das Licht der Welt erblickt hatten. Der Vergleich brachte ein interessantes Ergebnis zutage, denn bei den ehemaligen Frühchen zeigte sich deutlich häufiger eine sozial zurückgezogene Persönlichkeit, was z.B. durch Introvertiertheit und verminderte Risikobereitschaft indiziert wurde, so die Forscher.
Gehirne nach der Geburt deutlich mehr Stress ausgesetzt
Die Unterschiede könnten in erster Linie auf die beeinträchtigte Gehirnentwicklung zurückgeführt werden. Denn die Gehirne von Frühgeborenen seien nach der Geburt aufgrund des harten Überlebenskampfes mehr Stress ausgesetzt als die der reifen Kinder. Neben dem könnten auch früh erfahrene Spannungen im Mutterleib und „überbehütende“ Eltern mögliche Gründe für ein später eher zurückgezogenes Leben sein, so die Mitteilung der Universität Warwick.
„Persönlichkeitsmerkmale sind sehr wichtig, weil sie den Menschen helfen, in Erwachsenenrollen zu schlüpfen und soziale Beziehungen zu entwickeln sowie zu erhalten. Sehr verfrüht und mit sehr geringem Geburtsgewicht geborene Erwachsene, die eine sozial zurückgezogen Persönlichkeit haben, könnten daher Schwierigkeiten im Umgang mit sozialen Beziehungen zu Kollegen, Freunden und Partnern erleben“, erklärt Dieter Wolke.
Höheres Risiko für Mobbing und schlechter bezahlte Jobs
Laut Wolke hätten bereits frühere Studien festgestellt, dass Frühgeborene außerdem ein höheres Risiko hätten, in der Schule gemobbt zu werden. Zudem sei es weniger wahrscheinlich, dass ein Studium erfolgreich abgeschlossen und eine gut bezahlte Beschäftigung erreicht werde. Dementsprechend sei es wichtig, dass eine gezielte Unterstützung stattfinde: „Bei früher Erkennung können Eltern mit bestimmten Techniken unterstützt werden, welche die sozialen Fähigkeiten ihres Kindes fördern und helfen können, die introvertierten Persönlichkeitseigenschaften zu kompensieren“, so Prof. Wolke. (nr)
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